Und täglich grüßt der Birnenkuchen

Wer dachte, die Küste käme gegen die drückende Hitze aus dem Landesinneren an, war naiver als ein Quaggan vor einem Kraitspross. Nein, es war nicht kühler. Nicht angenehmer. Noch nicht mal wohlriechender- zumindestens wenn man die Küstenluft Garrenhofs genoss.
Vielleicht war es die Nähe der Trolle in ihren Höhlen, deren Aas bis in die Küche dünstete in der ich saß.
Noch wahrscheinlicher war es aber wohl, dass meine liebe Frau Mutter in all ihrer Reiselust, ihr häusliches Nest seit dem verlassen ihrer ersten Kinder, nie wieder gelüftet hatte.
da saßen wir also nun- John und ich- gegenüber unseres auserwählten Altdrachen, verpackt in schweren Samt und gehärteter Spitze an Kragen und Ärmeln. Die Haut darunter war gerötet von der Überreizung des voll geschwitzten Stoffes und es störte diese Frau nicht einmal, denn sie hatte ihren Luxus zur Schau zu stellen und schob dafür den gesunden Menschenverstand zurück.
Es war auch nicht schlimm, dass diese Ausgeburt infernalischer Gehässigkeit, mittlerweile noch drei Bälger mit Mann Nummer drei geworfen hatte und jetzt einen längeren Nachnamen besaß, als manch andere Lebensjahre.
Ich konnte auch darüber hinweg sehen, dass die diabolische Dreifaltigkeit an Arroganz, Ignoranz und Dummheit, uns gegenüber saß und in ihrer Idiotie tatsächlich glaubte, in irgendeiner Form über John und mir zu stehen. Das sie nicht intelligenter waren als wir, bewiesen sie mit jedem Atemzug und dem hartnäckigen Ringen nach der nächsten verbalen Gehässigkeit, nur um bei Antwort wutschnaubend zur Mutter zu schauen.
"Mutter sagt, du wärst Nekromant. Warum hast du denn keinen Fleischgolem?"
Marvin war der Älteste dieser drei Rotzbälger, was ihn den Irrglauben anheim fielen ließ, auch der klügste dieser Hosenscheisser zu sein. Das er kein Schönling werden würde, hatte er in dem Moment begriffen, als John und ich die Türschwelle betreten hatten. Entsprechend eisern klammerte er sich nun an seinene magere Bauernschläue eines achtjährigen.
"Vielleicht, weil er drauf wartet bis du am Kuchen erstickst, damit du sein fetter Fleischklops wirst?" Gut, ich gebe zu- einem Achtjährigen seiner Illusion zu berauben, der klügste Kopf im Raum zu sein und seine Boshaftigkeit nicht weniger unreif zu erwidern, gehörte nicht zur Netiquette. Aber keiner von uns wollte hier sein und da durften auch ruhig Tränen fließen, wenn die natürliche Hackordnung gerichtet wurde.
Womit wir zu meinem eigentlichen Problem kamen: mein Kleid. Ich weiss nicht ob es ein Anflug von Mitleid war, oder ich einfach nur betrunken, damit ich mich bereit erklärte, dass geschickte Kleidchen zu tragen. John hatte ein ähnliches Problem, weil dieses Monster von Mutter uns unabhängig voneinander, die Kleider für ihren Geburtstag schickte. 'Es wäre ihr doch das schönste Geschenk, würden ihre Ältesten es tragen'. Wäre es nur einer von uns gewesen, hätte man die Demütigung im Mintgrün noch irgendwie ertragen können. Das John nun aber die Anzugversion meines Spitzenkleides trug, trug der Stimmung im Raum kein Stückchen bei.


Während Mutter also ihren Prachtbuben an die überquillende Brust zog und ihm beteuerte, dass er Mamas bester Bursche sei und wir ja nur neidisch auf seine Eleganz, schickten John und ich zeitgleich einen kritischen Blick auf den Tisch. Es erinnerte an das ausspähen des Feindesland, getarnt unter einer rosa farbenen Spitzendecke, bedeckt mit Porzellangeschirr mit Blumenmuster. Die Henkelchen der Tassen waren so schmal und zierlich, dass ein bloßer Blick der überfressenen Bälger schon hätte ausreichen sollen, um das gute Geschirr zum platzen zu bringen. Wie sie es da noch schafften das Zeug an die Lippen zu bringen und beim Schluck daraus nicht gleich mit inhalierten, war mir schleierhaft.
Die Krönung war das Spitzengebäck und der Kuchen. Ersteres war so trocken, wie mein schlechter Humor niemals hätte sein können, letzterer war zu meinem persönlichen Ärger mit Birnen überladen.
Meine Mutter wusste sehr genau wie ich zu dem Zeug stand und dennoch hatte sie ihn gebacken, mit der fahlen Ausrede, dass ihre drei kleinen Schweinchen im Rüschchenmantel ihn ja so sehr lieben würden.
Eine dreiste Lüge, denn Marian stocherte nur den übersüßten Teig raus und Corvin fraß das Gebäck weg.


Die letzte Zuflucht der Hoffnung hatte Mutter uns dann genommen, als sie peinlich berührt den fehlenden Kaffee im Haus erwähnte und das es nur Tee gäbe. Angeblich, weil ihr geliebter Harrold keinen dürfe, wegen seinem Blutdruck.
Ich verkniff mir den Kommentar, dass der Konsum von drei Kannen Schwarztee am Tag, ihn auch nicht länger vom Herzinfarkt verschonen würde, als zwei Tassen Kaffee.


So saß die Familie also beisammen, während John und ich uns immer wieder leidige Blicke zuwarfen. Die stumme Kommunikation von Zwillingen, die gnädigerweise die Auffassungsgabe aller im Raum anwesenden überstieg. Wir waren uns einig, dass es die Hölle war hier zu sein und die erste Amtshandlung beim verlassen der 'Feier' darin bestünde, sich die Kleider auf offener Straße vom Leibe zu reissen und damit ein Freudenfeuer zu entfachen.
"Leza? Mama sagt, du bist Mesmaaa? Warum bist du dann nicht hübsch? Mesmas sind immer hübsch." Die Frage kam von Marian. Das Mädchen war jetzt fünf, wurde von der gemeinsamen Mutter zur Prinzessin des Hauses auserkohren und hatte leider schon jetzt diese neidhafte Boshaftigkeit geerbt, die jeder Mann an Frauen hasste.
Ich übrigens auch.
"Ich bin nicht hübsch, damit so hässliche Rotzlöffel wie du einer bist, die Chance haben in irgendwas besser zu sein als."
Ich ignorierte die pikierte Schnappatmung meiner Mutter und das amüsierte Schnauben Johns, während ich interessiert den Gefühlsverlauf in den Zügen des Mädchens verfolgte. Zuerst glotzte sie wie Dolyakkalb, dann verzog sie das Gesicht im kindlichen Ärger, dann fühlte sie sich irgendwie geschmeichelt in der Aussicht, bald schon hübscher zu sein als ich.
Das Kind war genauso Hoffnungslos wie ich annahm.


"Du bist genauso...so..."
"So?" Ich nippte am kalten Schwarztee und verzog den Mund. Nicht mal der war gut.
"So missraten wie euer Vater! Die Götter haben ihn selig." Versuchte sich noch zu retten, während John und ich sie schon mit Blicken eingefroren hatten.
"Weil er klug genug war, früh genug vor dir abzuhauen?" Outsch John, der war gemein. Ich grinste das erste mal an diesem Nachmittag und setzte natürlich nach. "Oder weil er klug genug war in Ebonfalke zu sterben, damit du nicht ans Erbe kommst?" Während ich die Befriedigung genoss, gleich mit meinem Bruder vor die Tür gesetzt zu werden, nachdem man uns als neidische und missratene Kinder abtat, beobachtete ich den Farbverlauf in Mutters Zügen. Die fleckige Röte ihrer Wangen übernahm das Warnrot vom Dekolleté und trug den Zorn höher, bevor sie sich selbst ermahnte und seelenschwer seufzte. Sogar Krokodilstränen falscher Betroffenheit schimmerten im trüben Blau ihrer Augen, bevor sie den Arm zittrig hoch riss und auf die Küchentür deutete.
"Ich hoffe ihr seid zufrieden, meinen Geburtstag mit solcher Boshaftigkeit zu schmälern. WIEDER einmal! Womit habe ich nur solche Kinder verdient!" Die Dramatik des Aktes, fand ihren Höhepunkt in der Teufelsschar die um die Mutter schwirrte. Beteuerungen flogen umher, dass _sie_ ihrer Mutter ja niemals böses wollten, gar niemals so gehässig und gemein wären. Man habe sie doch so lieb, die beste Mutter dieser Welt.
"Keine Sorge Ma'. Hast noch genug Geburtstage über. Bis nächstes Jahr." Eine Hand zum schlaffen Gruß gehoben, traten John und ich drn Rückzug an und hielten erst, als wir schon fünf Häuser und drei Gassen weiter waren.
Während ich die Taschenuhr aus der Rocktasche des Kleides zog, zündete er uns zwei Rauchröllchen an und schob eines in meinen Mundwinkel.
"Wie lang?" Fragte er das erste mal an diesem Tag interessiert, während ich das Zifferblatt studierte. "Zweieinhalb Stunden. Neuer Rekord. Für nächstes Jahr nehmen wir uns die zwei Stunden Grenze vor?"
"Bei Grenth, bitte nicht...diese Brut wird wieder da sein! Leza, ich bin kein Geisterjäger geworden, um von dieser Horde Nachwuchs Athraxe zerrissen zu werden!"
"Heul nicht rum, wir haben alle unser Päckchen zu tragen. Und einmal im Jahr werden wir überleben."
"...ich hasse dich."
"Ich weiss. Und jetzt lass uns endlich Kaffee besorgen, bevor ich Amok laufe."


Nicht mal eine Stunde später, saßen wir auch schon in dem angemieteten Zimmer des Gasthauses, dass wir vorsorglich reserviert hatten. Mit Kaffee, Marmorkuchen und Schokoladenkeksen, stießen wir aufs älter werden der Mutter an, die nun wieder ein neues Jahr Zeit hatte ihren nächsten Geburtstag zu planen.

Kommentare 2

  • Huh danke für die Kritik!
    So habe ich es bisher gar nicht gesehen, aber ich werde ein Auge drauf haben :)


    Und John hasst Leza dafür, ihn überhaupt zum nächsten Geburtstag schleppen zu wollen und nicht wegen der Zeit ^^

  • Haha, da sind ein paar schöne Absurditäten dabei, die ich lustig finde und ein paar Formulierungen, die mir außerordentlich gut gefallen.
    Manchmal ist mir Leza generell etwas zu plakativ in ihren Aussagen in wörtlicher Rede und solche Sätze wie "Outsch John, der war gemein" lösen in mir immer subjektives Missfallen aus, weil sie mir effekthascherisch erscheinen.
    Davon ab finde ich die Geschichte sehr witzig, die Stimmung gut aufgebaut, den erzählerischen Tonfall sehr humorvoll. Wie gesagt, manche Formmulierungen sind superklasse.


    Aber meinst du am Ende nicht die drei Stunden Grenze? Sonst würde John Leza ja hassen dafür, dass sie kürzer bleiben wollen =D