Tagebuch eines Söldners - Buch XI, 688. Eintrag

Der Wind, welches das Lager heimsuchte, tat das weder leise, noch schwach. Es war ein stetiges Heulen, dass im Zelt zu hören war, während die unsichtbaren Klauen an den Fellen und Stoffen der Zeltbahn rissen. Es war ein unwirtliches Wetter. Unwirtlich, unfreundlich und allen voran kalt. Nichts desto trotz saß Cenedor lediglich in seinem ledernden Gambeson gekleidet auf einen kleinen Schemel, vor sich die leere Seite eines Buches. Neben diesem Buch stand eine kleine Kerze deren Flamme eine ruhigen Lichtschein warf, als ob sie dem Wind, der draußen sein Unwesen trieb, trotzig ihr Kinn entgegen streckte. Mit einem letzten, bedächtigen Blick zu dem Fellknäuel, welches am anderen Ende im Zelt lag, tunkte der Söldner seine Schreibfeder in ein kleines, beinahe filigranes Fäßchen Tinte und führte die Feder dann leise kratzend über das Papier.



Wir schreiben den 347. Tag im Jahre 1325 NE, Zeit des Kolossus und dies ist mein 688. Eintrag in diesem Buch. Ihr Götter, wo ist die Zeit geblieben? Seit nunmehr beinahe 15 Jahren lebe ich das Leben eines Anderen, eines Söldners. Nun, wie dem auch sei – alles wird seine Richtigkeit haben.

Seit bereits vier Tagen sind Calliope und ich in den Diensten seiner Hochgeboren, Graf Denorat Starfall, um die Hilfstruppen sowie die Truppen seiner Verbündeten auf dem 'Eisernen Kreuzzug' zu unterstützen. Was ich bisher von diesen Truppen sah, hinterlässt einen recht faden Beigeschmack in meinem Mund. Wobei, wenn ich es recht bedenke, gehören diese vier Personen nicht wirklich zu den Söldnern und zu den Truppen der Verbündeten, als vielmehr zur Priesterschaft des Grenth. Gibt es etwas, was die Moral mehr beeinträchtigt, als Priester des Grenth im Feldlager? Zumal diese unfähige Bande anscheinend nicht im Stande ist, die einfachsten Sachen eines Feldzuges zu verstehen. Aber von Anfang an.

Am 344. Tag erreichte ich mit Hilfe einer Karawane die Kessex-Hügel und schloß mich dort einer Patrouille der Seraphen an, die mich recht nah an das Feldlager brachten. Im Nachhinein hätte es mich stutzig machen sollen, dass ich die Reise zum Lager ohne Zwischenfälle geschafft hatte, denn als ich den Torweg hinauf ging, sah ich gerade, wie der zweite Torflügel wieder hochgestemmt wurde. Anscheinend hatten diese Monster nicht lange auf sich warten lassen, um einen Versuch zu starten das Feldlager zu überrennen. Wie ich später von Calliope erfuhr, waren es die ankommenden Hilfstruppen, die die Hauptstreitmacht entsetzt haben. Eine glückliche Fügung also, nichts weiter. Oder ich unterschätze seine Hochgeboren Lord Starfall und es war tatsächlich seine Strategie, die Zentauren zwischen dem Lager, was der Amboss war, und den ankommenden Hilfstruppen, die den Hammer mimten, einzuschließen. Wenn seine Lordschaft dies tatsächlich von Anfang an vor hatte, ist er gefährlicher, als man ihm zugesteht.

Der darauffolgende Tag war ebenso ruhig, wie kurz. Abgesehen davon, dass die Patrouille, welche die Gegend absichern sollte, auf einen Mob Dörfler gestoßen war, die einem der Angehörigen der Haustruppen eine Wunde am Arm verpasst hatten, geschah nichts weiter. Lediglich seine Lordschaft nutzte die 'ruhige' Zeit im Feldlager, um Calliope und mich damit zu beauftragen Schutz- sowie Fallenrunen an taktisch Klugen Orten zu vergraben oder anzubringen. Ich hatte mit solchen Runen bisher eher wenig zu tun. Dennoch war ich bei dem späteren Feldversuch, auf den wir seine Hochgeboren begleitet haben, sehr erstaunt über die Wirksamkeit dieser Fallenrunen. Ein abgemagerte Wolf, der sich gerade an einem Reh gütlich tat, wurde als 'Opfer' ausgewählt. Calliope musste ihn mit zwei Pfeilen aufschrecken ehe sich dieses Vieh in der Lage sah uns anzugreifen. Kaum, dass er in den Bereich der Fallenrune getreten war, gab es eine Art – Explosion. Der Wolf verschwand unter einer grünlichen Wolke und als er aus dieser hervor trat, war von seiner Wildheit, seiner Geschwindigkeit und seiner List nur noch ein Funken übrig. Nachdem wir ihn töteten, schenkte uns seine Hochgeboren sozusagen das Fleisch – als Lohn.

Am 346. Tag kam ich endlich zu dem, wofür mich seine Lordschaft bezahlte. Unter der Führung von seiner Hochgeboren, Graf Locksléy, sollte eine Patrouille zum nahen Triskellion-Tal ausgesandt werden, um in dem dortigen Dorf nach dem Rechten zu sehen. Die Patrouille bestand unter Anderem aus Ser Aiven, die Ehrwürdigen Priester und Novizen des Grenth, seine Lordschaft Hardenberg sowie ein Rekrut der Garde von Haus Starfall und einer Soldatin des Hauses Locksléys. Nach meiner persönlichen Ansicht war diese Patrouille von Anfang an dazu verdammt, dass etwas schief läuft. Nicht nur, dass die Ehrwürdigen keinerlei Verständnis für die Einhaltung einer strengen Marschordnung sowie Befehlshierachie haben, so war auch dieses halbe Kind, welches Soldat spielte, ebenso einer der Gründe weshalb diese gesamte Patrouille ein Desaster war. Aber machen wir es kurz; Bevor wir überhaupt annähernd den Pass erreichten, wurden wir von drei vermeindlichen Seraphen aufgehalten. Durch den Schneesturm und den fragwürdigen Zustand dieser drei Männer, rechne ich es seiner Lordschaft hoch an, dass er vorerst einen kühlen Kopf bewahrt hat. Auch, als dieser Grünling seines eigenen Hauses seine zugeteilte Formation verließ und die beiden Führer der Patrouille mit Kommentaren nervte, behielt er einen rationalen Verstand. Am Ende jedoch entschied er sich zum Angriff. Ich weiß nicht, was er für Erkundigungen eingeholt hatte, jedoch reichten ihm diese wohl, um einen Angriff zu befehlen. Und Befehl ist nunmal Befehl. Gleichwohl jedoch hätte dieser Kampf viel schneller und ohne Verluste für unsere Seite laufen können, hätte dieser Frischling nicht den ihm zugeteilten Posten verlassen und die Seraphen mit seinem Bogen provoziert. So jedoch war es ein leichtes für die angeschlagenen Soldaten kurzen Prozess mit der Frau zu machen.

Nach einem kurzen aber heftigen Kampf, kam heraus, dass dies wirklich Seraphen waren. Reines Glück war es, dass bis zu diesem Zeitpunkt keiner dieser drei Männer ernsthaft verletzt worden war und wir sie – samt der Verletzten aus unseren Reihen – zurück in das Feldlager bringen konnten. Neben dieser einträglichen Katastrophe stellte sich durch diese Patrouille heraus, dass das Tal von einer Gruppe von Banditen eingenommen worden war. Was mit den Dörflern passiert war oder ob überhaupt noch jemand lebte, war zu diesem Zeitpunkt unklar. Seine Hochgeboren, Lord Starfall, sah jedoch hier eine Möglichkeit seinen angeschlagenen Ruf zu reparieren. Wobei ich ihm dort Unrecht tue, würde ich ihm unterstellen, dass dies der einzige Grund war.

Heute, am 347. Tag, marschierten wir unter der Führung seiner Lordschaft Starfall, um das Dorf zu befreien und die Banditen ihrer gerechten Strafe zukommen zu lassen. Eine schlagkräftige Truppe bestehend aus seiner Hochgeboren selbst, seiner Lordschaft Locksléy, ihre Hochgeboren von Flammenfels, dem Rekruten Flanagan sowie die Feldscherin Matheys und meiner Schwester zog aus, um für Recht und Ordnung zu sorgen. Am Pass selbst, nachdem Calliope den Wall ausgespäht hatte, wurde die Truppe aufgeteilt. Ihre Hochgeboren von Flammenfels sowie meine Schwester sollten sich hinter den Wall begeben und soviele Banditen wie möglich – und lautlos – töten, während der Hauptteil der Truppe vor dem Wall die Bande ablenkte. Der Plan war gewagt aber funktionierte reibungslos. Bevor seine Lordschaft Starfall den Befehl zum Angriff gegeben hatte, tötete meine Schwester drei dieser ungewaschenen Bastarde. Als der Befehl schließlich kam, stürmte die restliche Truppe, abgesehen von der Feldscherin Matheys, über den Wall, um die restlichen Banditen in einem schnellen aber harten Kampf zu schlagen. Ich selbst trug durch einen abgerichteten Hund – jedenfalls sollte er dies wohl irgendwann mal darstellen – eine leichte Wunde am linken Oberschenkel davon. Auf den Befehl seiner Hochgeboren, Lord Starfall, nahmen wir die Überlebenden der Banditen gefangen. Einer von ihnen sollte direkt am Platz des Kampfes hingerichtet werden jedoch kam der Rekrut, welcher dieses Urteil ausüben sollte, dem nicht schnell genug nach. Armer Frischling. Er gibt sich immer noch dem naiven Bild hin, dass Krieg aus Ehre geführt und mit Ehre gewonnen wird. Ich kann nur hoffen, dass die Sechs im bald Einsicht schenken werden, auf dass er nicht dieses Weltbild mit seinem Leben bezahlt.

Nachdem die Dörfler befreit und einer der Banditen ihnen überlassen worden war, begab sich die gesamte Truppe zurück zum Lager. Der Weg dorthin sowie der Transport des Verbliebenen Gefangen in seine Unterkunft, verlief ohne Probleme. Seine Lordschaft schien sehr zufrieden, was im Umkehrschluss für mich bedeutet – mehr Sold. Jedenfalls wurde unser Sieg und somit die Befreiung des Dorfes durch eine Tatsache überschattet, die schlimmer nicht hätte sein können. Die Ehrwürdigen Priester des Grenth haben ihrem Gott, möge er mich möglichst spät zu sich holen, Jemanden geschickt. Besser gesagt – sie haben nachgeholfen. Soweit ich erfahren habe, handelte es sich bei diesem Jemand um einen Feldwebel der in den Kessex-Hügel stationierten Löwengarde. Ich weiß nicht welcher böse Geist die Priester geritten hat, dass sie dem Wahn anheim gefallen sind, um einen fremden Soldaten zu töten und ich will es, wenn ich ehrlich bin, gar nicht wissen. Seine Lordschaft wird dies weder gut heißen, noch belohnen. Ich kann nur hoffen, dass die Ehrwürdigen sich ihrer Situation und der möglichen Konsequenzen aus ihrem Handeln bewusst sind. Wenn nicht, werde ich beten, dass ihr Gott Grenth sie gnädig empfangen wird. Wenn nicht – nun, dann bedauere ich ihr Schicksal ehrlich.

Aber nun werde ich mich zu meiner Nachtwache begeben. Es wird Zeit.

Die Sechs mit Dir, Calliope.


"I disapprove of what you say, but I will defend to the death your right to say it."
Evelyn Beatrice Hall; The Friends of Voltaire (1906)


"Oh mein Gott, er schluckt ihn ja wieder runter!"
Kay beim ersten Mal. (2016)