Schwarze Schwingen

Er sank seicht in den kühlen Schnee, als er abgelegt wurde.
Nebel bildete sich unstet vor seinem Gesicht. Löste sich binnen Sekunden auf, nur um sich im Rhythmus seines angestrengten Atems neu zu bilden.
Diaval kniete sich neben ihn, zog den Mantel des Älteren fester vor dessen Brust zusammen, richtete den Fellkragen, so dass er würdevoll den Nacken etwas strecken konnte, während der Rücken sich im Schnee bettete.
Ein röchelndes Husten durchbrach die Stille der eiskalten Nacht irgendwo in den Zittergipfeln.
Sie sahen sich an, ein paar Sekunden.
„Ich möchte… dass du weiter gehst. Ohne mich. So weit, wie es sein muss. Wie Rabe dich leitet.“
Der jüngere Norn legte sanft die Hand auf die Brust des vor ihn liegenden Älteren.
„Ich weiß.“ Hauchte er leise. „Und wenn ich zurück bin… trage ich deine Legende mit. Werde sie erzählen. Jeden Tag.“
Der Ältere verzog das bärtige Gesicht zu einer Grimasse, als Schmerz kein warmes Lächeln zu lies.
Seine gräulichen Augen richteten sich gen Himmel, wo man das schwache Licht der Sterne sah. Es schneite nicht. Es war ganz still. Selbst der Wind spielte diese Nacht nicht mit den Tannenzweigen.
Nur das Atmen der beiden Norn erfüllte die Stille, wobei der eine Ton einen kratzigen schwachen Unterton hatte.
Diaval nahm die Hand nicht von der Brust des Älteren. Er kniete neben ihm, richtete seine blauen Augen auf sein vom Leben und Abenteuern gezeichnetes Gesicht, welches nur vom sanften Licht der Himmelsgestirne erhellt wurde. Er schloss die Augen. Nahm die Stille wahr.
Stille.
Er blieb reglos sitzen und lauschte dann dem leisen Rauschen. Dem sanften Rauschen von Schwingen.
Schwarzen Schwingen.
Er fühlte, wie etwas hauchzartes seine Hand auf der Brust des Älteren streifte.
Schwarze Schwingen.
Die Kälte der Winternacht nahm für einen Atemzug lang zu.
Diaval öffnete die Augen und spürte den Schatten über ihm, ohne ihn zu sehen. Etwas zartes streifte seine Wange, ehe es wieder still wurde.
„Rabe nimmt dich zu sich und trägt deine Legende in mein Herz.“
Es fehlte ein Geräusch in der Nacht.
Das kratzige Atmen seines Vaters.

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