Der Flug zur Sonne - Eintrag 43-45

[Sonne-Playlist]




Eintrag 43, Tag 42


Im Laufe des Aufstiegs überholte der Hylek uns alle, eifrig hatte er sich an die Spitze gesetzt, um dann als erster am Kraterrand anzukommen. Quecatl schaute eine Weile über den Rand hinweg, ehe er zu uns herüberwinkte und etwas rief.
„Wir sind in keinem Loch, das ist kein Loch! Das ist kein Loch!“
„Und was ist es??“
„Es...ist kein Loch. Seht doch selbst!“
Das klang interessant. Waren wir doch nicht in einer zwar wunderschönen, aber endlosen, leeren und toten Kristallwüste gelandet?
Bald hatten wir ihn eingeholt.
Ein Blick über den 'Kraterrand' brachte Aufklärung. Vor uns tat sich ein scheinbar endloser, leuchtender Abgrund auf. Man konnte den Boden nicht mehr erkennen, was an der Tiefe lag und an dem gelblichen scheinenden Rauch, der in einzelnen Wolken aufstieg. Aber auch an der Begrenzung unserer technischen Möglichkeit, das Licht zu durchfiltern. Alles, was wir für Kraterrand gehalten hatten, war in Wahrheit ein kreisrunder Abhang, der über dem Schlund thronte.
Doch das, auf dem wir gelandet waren, war immer noch kreisrund, ein Trichter. Wenn alles um uns herum Abgrund war, waren wir dann auf einer Art Turm?
Uns gegenüber konnten wir durch unsere Sonnenfilter etwas erkennen, das an eine schwebende Kristallscholle erinnerte, aber genau konnten wir das auf die Entfernung nicht sagen.
Doktor Pynzos und Vooli schwebten mit ihrem Wohnwürfel ein kleines Stück über den Rand hinaus, um weitere Einblicke zu erhalten. Sie ließen den Würfel leicht sinken, um unser Gebilde zu untersuchen. Später erfuhren wir, was sie gesehen hatten:
Vooli beschrieb das Gebilde auf dem wir gelandet waren als eine Art riesiger Blütenkelch. Auch sonst konnte man es mit einer Blume vergleichen,
die Unterseite verjüngte sich zur Mitte, bis ein kristallener Stängel in die Tiefe führte. Doktor Pynzos gefiel das Wort Blume aber nicht, er fand 'Trichter' angemessener.
Jedenfalls sahen wir die neuen Entdeckungen als Anlass, die Durmand zu rufen. Zwar würden wir hier oben wegen der steilen Hänge nur schwer einen Vorposten aus Wohnwürfeln errichten können, doch mussten wir die Entdeckungen weitergeben und unser weiteres Vorgehen besprechen. Vielleicht ging es am Boden des Abgrundes weiter mit einem Meer aus leuchtenden Kristallen, doch Pynzos glaubte inzwischen fest daran, dass dort unten Lava floss. Schließlich blubberte sie aus der Mitte des Kelches hervor.


Ein greller blauer Lichtstrahl ging bald darauf vom Dach unseres Wohnwürfels aus, durch den die Durmand uns schnell finden konnte. Jetzt schwebt sie auch schon über uns - wir steigen gemeinsam mit dem Wohnwürfel hinauf, nach der ersten Landung auf der Sonne.


Eintrag 44, Tag 42


Jubelnd wurden wir auf der Durmand empfangen. Und der Jubel der wenigen hier oben bedeutete uns hundertmal mehr als das Jauchzen der Tausenden in Kaineng. Denn wir hatten es wirklich vollbracht. Nach und nach verstanden wir es.Wir waren auf der Sonne gelandet. Der großen Sphäre, die uns Licht, wärme und Leben spendete. Der größte Spähre, die wir wohl je kennen würden. Dem heißesten Ort den wird jemals erreichen konnten. Von den Hylek verehrt als Gott. Und wir waren darauf umhergewandelt, hatten Kristalle wie Blumen gepflückt.
„Legenden, Legenden!“, rief Rikken wie von einem religiösen Eifer erfasst, die Hände im Himmel, der Kopf im Nacken. Lady Xiaoqing lächelte selig und Jinhai Bo sah uns an, als wären wir gerade aus unserer eigenen Asche neu erstanden. Von Sterling nickte grinsend vor sich hin, einen Tee in der Hand, bis ein Norn ihn von hinten anrempelte und die Tasse zu Boden fiel. Inke ließ sich von Högger auf den Schultern tragen, als sei sie selbst auf der Sonne gewesen. Wachsame und Abteiler lagen sich in den Armen. Die Gärtner tanzten im Reigen und klatschten, Qecatls Schwester fiel ihrem Bruder um den Hals, als der aus dem Anzug herausgestiegen war. Tukil kam hinzu, gemeinsam hoben sie ihre Köpfe und sangen wie in Trance ein kehliges Hylek-Mantra. Dubranochev lachte vor sich hin, konnte es nicht glauben, bis er es „mit seinen eigenen Augen“ gesehen hatte. Snikki verstand nicht genau was los war. Es war ihr wieder entfallen, stattdessen musste sie von den Golemanzügen ferngehalten werden, bevor sie sich verbrannte. Von den Quaggan war ein stetes „Hoo!“ und „Coo!“ zu hören, Manooma hatte ihren Zeichenblock umklammert und drängte sich in ihrer Neugier nach vorne zu uns. Die Tengu verbeugten sich synchron und warteten geduldig auf den Bericht. Garzza war zu Rollo geeilt und drückte ihn fest an sich, womit er scheinbar nicht gerechnet hatte, Blarfazz und Skruu johlten ihnen zu.
Sogar Pynzos zeigte einen Anflug von Freude, breitete einmal die Arme aus, als Nizpi uns entgegenkam, die Kru hatte einen Spalier gebildet. Doch die Magisterin hatte die Arme hinter dem Rücken verschränkt und sah keinen Sinn darin, Pynzos in die Arme zu fallen.
„Pynzos, Dampfkrug, Musyca.... Bericht.“, bat sie, diesmal jedoch mit einer Andeutung eines Gefühles, einem Stolz in der Stimme.



Eintrag 44, Tag 42


„Wir werden uns dem Trichterrand nähern und versuchen zwischen zweien von ihnen hindurchzumanövrieren. Im Anschluss werden wir die Wohnwürfel aktivieren und einen von ihnen abwerfen.
Sollten wir einen geeigneten Landeplatz finden, folgt der Rest. Kru, wir haben unglaubliches geleistet. Aber die wahre Arbeit beginnt hier. Unser Ziel ist das Entschlüsseln der Geheimnisse dieses Planeten. Was wir hier sehen...“
Sie sah aus dem Fenster.
„Es...es ist...“ Kurz verlor sie die Stimme, doch ihre rationale Art kam gleich wieder zum Vorschein. „Unerwartet. Und darum um so interessanter. Die Golemanzüge waren ein Glücksspiel, wir haben die richtige Entscheidung getroffen und sind nun bestens ausgerüstet. Wir werden im Anschluss mit dem 'Lavafloß' und den Anzügen die Gegend genauer auskundschaften.“
Sie blickte aus dem Fenster, nach einer Pause drehte sie sich um.
„Und dann, dann werden wir die erste Stadt auf der Sonne gründen.“ Sinn für Dramatik hatte sie.
Das „Lavafloß“ von dem sie sprach war ähnlich einem Wohnwürfel, allerdings glich es eher einer Plattform. Einem Floß. Und vor allem war es schneller als die Würfel. Zehn Golemanzüge fanden darauf Platz. Es würde in niedriger Höhe über dem „Boden“ der Sonne schweben können. Der einzige Raum darauf war ein kleines Führerhäuschen, das Rugo von Sternling sich schon eingerichtet hatte.
Und die Trichter, so die Vermutung, sie bedeckten möglicherweise die komplette Sonne. Sie waren es, die die Sonnenstrahlen aussendeten, ihre Oberflächen waren von Tyria aus mit bloßen Auge sichtbar. „Sonnenschirme“ war die inoffizielle Bezeichnung, welche die Asura gerne durch „Kristalltrichter“ ersetzt sehen wollten. Es gab hier so viele faszinierende Dinge und dafür so viele wunderbare Begriffe, dabei hatten wir buchstäblich gerade erst an der Oberfläche gekratzt.



Eintrag 45, Tag 42


Die Durmand war wie geplant zwischen den beiden Kristalltrichtern – und es waren wirklich beide von einer ähnlichen Form – hinabgesunken. Drei Luftschiffe der Größe hätten durch den Spalt zwischen beiden Trichter gepasst - dann hatten wir ein paar Runden gedreht und festellen müssen, dass wirklich Trichter an Trichter grenzte. Wir dokumentierten die Positionen und ungefähren Höhen. Auf einer Karte teilte Explorator Takuma die Trichter von oben gesehen in Sechsecke ein. An jeden Trichter grenzten etwa sechs weitere. Teils ragten sie darüber hinaus, waren höher...oder eben niedriger. Jeder hatte einen Mittelpunkt, in dem mal mehr, mal weniger Lava stand. Keine Lebewesen auf irgendeinem der Trichter. In der Leere waren wir auf dem Weg hier her so vielen Wesen begegnet, vielleicht sollte es das schon gewesen sein?
Doch jetzt galt es zunächst das Terrain zu erforschen.
Wieder hatte ich die Ehre, in dem Erkundungswürfel mitzufliegen. Dr. Pynzos war diesmal nicht dabei, er untersuchte mit Vooli und der Lady die Kristalle, die wir mitgebracht hatten. Quecatl und Rollo begleiteten mich sowie Hoshi und Takuma Goldfeder. Pynzos hatte uns seinen Lehrling Fizz mitgeschickt, der uns schnell wie Vooli in die Anzüge ein- und ausbauen konnte. Und wir hatten die Ehre von Rugo von Sternling geflogen zu werden, den in diesem Moment nicht mal der Teefleck auf seinem Mantel störte.
Als er den Würfel abkoppelte, blickten wir aus den Scheiben zunächst einfach in grelles, gefiltertes Licht.
Wir schwebten zu dem Stängel unter dem ersten Trichter, den wir entdeckt hatten. „Kristalltrichter I“ hatte man ihn zunächst getauft. Rollo hatte Einspruch erhoben, aber ihm war auf die Schnelle nichts besseres als „Rollos Horn“ eingefallen und damit war selbst er nicht zufrieden.
Dann stiegen wir den Trichter hinab. Sein Durchmesser hielt sich, mal gab es größere Ausbuchtungen, aber in der Regel keine großen Veränderungen. Auch keine Zweige, wie wir zwischendurch vermutet hatten. Und ob es Wurzeln gab? Dazu mussten wir tiefer.
Und unten...Rollo atmete erleichtert auf, als wir unten ankamen. Der Stängel steckte in einem See aus Lava. Er liebte Lava.
„Lava! Jaah!“, freute er sich wie ein Welpe und somit waren das dann auch die ersten Worte, die ein Lebewesen auf der unteren Sonnenoberfläche sprach. Hiermit ist es offiziell.
Wir schwebten den Boden entlang. Wirklich, alles Lava. Die Kristallstängel steckten alle in Lava, die wohl durch die Stängel hoch zu den Trichtern floss. Zu welchem Zweck auch immer, wenn es denn einen gab. Aber es war nicht nur die „eine“ Lava. Zunächst hatten wir die orangerote, fließende gesehen. Doch Hoshi und Takuma entdeckten mit ihren scharfen Augen auch einzelne „Inseln“ aus etwas gelb glühendem, das härter schien. Denn der ein oder andere Sonnenkristall, der wohl von den Trichter herabgefallen war, lag hier, teilweise leicht eingesunken. Die Lava schwappte darum herum wie um einen Strand. Doch diese Orte würden wir noch früh genug erforschen. Wir nannten sie „Sonnenmeer“ und „Sonneninseln“.
Wenn man sich die Durchmesser der Trichter ansah, konnte man sich denken wie viel Platz im „Schatten“ auf dem „Sonnenmeer“ zwischen den Trichtern herrschte. Genug Platz für sechzehn Wohnwürfel allemal...und so kam es, dass Rugo unser Signallicht einschaltete. Zwei mal kurz aufleuchten: Durmand, Landeplatz gefunden. Wir hielten wenige Fußlängen über dem flüssigen Feuer schwebend. Wie Schnüre an einer Kette aufgefädelt beobachteten wir schließlich, wie die fünfzehn verbliebenen Würfel zu uns hinunter sanken, in die gemütliche Lava des Sonnenmeeres.


Kommentare 4

  • Ich hätte eher damit gerechnet, dass sie alle sterben, weil die Oberfläche wirklich nur aus glühender Lava besteht, wie in unseren Universum. Aber es ist die tyrianische Sonne und an Jules Vernes angelehnt, also wohl erlaubt. Verstehe ich es richtig, dass die Wohnwürfel kontinuierlich über der Lava schweben werden?

    • Selbst dann wären sie nicht gestorben, weil die Vonwürfel mit Aanicarium verstärkt sind und it's magic. Ein SciFi-Fantasybuch, dass von einem Charakter einer Fantasywelt geschrieben wird, darf alles!
      Und ja, die Würfel werden knapp über der Oberfläche schweben, aber werden nicht wirklich beschädigt wenn mal Lava draufspritzt. Danke fürs Lesen!

  • Yeaaaah ah!

  • Oh mein Gott. Es geht wirklich weiter! *Moni kauft alle Exemplare der neuen Ausgabe auf*