Otter

Es war schon ein gutes Gefühl, den jungen Nachwuchs neben sich stehen zu sehen mit einem kleinen Beil in den Händen. Allein, wie er immer wieder zu ihm aufschaute versetzte dem älteren Herz des Legendenkoches einen Schauer, der sich durch den Körper zog. Sein Sohn. Und nun endlich war er trittsicher genug, um den ersten Umgang mit dem Beil zu lernen. Später würde es dann zur Axt übergehen, eine schöne Große. Vielleicht eine Breitaxt oder doch einen Schild dazu… nun, das würde das Training zeigen.
Heute wollte er Jonne zeigen, wie man die Waffe richtig hielt und ordentlich schwang. Dazu hatte er extra einen größeren Holzklotz ganz gelassen, welchen der Sohnemann auch im Nachhinein noch als Übungsobjekt nutzen konnte. Fleißig hatte der Kurze ihm geholfen, den Klotz vom Schuppen auf den Hof zu rollen, wenn er ihm auch hauptsächlich zwischen den Füßen herum getreten war. Doch das war eben so und das wurde schmunzelnd abgetan. Immerhin hatte der Nachwuchs es nur gut gemeint.
So stand er nun neben seinem Sohn, der noch immer mit großen Augen zu ihm aufschaute und grinsend das Schmunzeln seines Vaters erwiderte.
„Anfang‘n?“ tönte es hinauf und Nastrai nickte dem Kind zu.
„Ich zeige dir, wie es geht. Dann probierst du es,“ erklärte der Kerl und ging hinter seinem Sohn in die Hocke. Die ersten Bewegungsabläufe wollte er mit ihm gemeinsam üben, ehe Jonne sich selbst am Schwung versuchte. Der Griff des Beiles lag ganz gut in den kleinen, verschrammten Händen des Kindes, die bereits hier und da auf Tuchfühlung mit der Klinge gegangen waren. Immerhin hatte Jonne noch alle Finger und auch sonst war seine Bluttaufe ganz glimpflich ausgegangen, nachdem er sich so heftig mit dem Messer geschnitten hatte. Aber so etwas wollte er jetzt gerade nicht noch einmal erleben, besonders, da sein Weib gegen die ersten Versuche mit einem richtigen Beil war.
„Du musst dein Beil so halten,“ er legte seine Hand auf die des Jungen und bemerkte, dass das Kind instinktiv alle Finger um den Griff gelegt hatte. Zufrieden schnaufte er aus und zog dann langsam den Arm seines Sohnes nach oben, um ihn leicht schräg nach unten zu bewegen. „Und dann schlägst du so zu. So… und dann von der anderen Seite.“ Es folgte ein Schlag von rechts oben, dann von links. Dabei musste der Koch feststellen, dass sein Sohn ebenfalls das Beil in der Linken hielt, wie seine Mutter. Sicher würde sich das noch ändern, denn immerhin war der Sohnemann noch jung und wechselte die Hand noch oft genug bei seinen Aktivitäten.
So ging das einige Male, bis er sich sicher war, dass der Junge den Bewegungsablauf verstanden hatte. Daraufhin erhob sich der Kerl und deutete auf den Klotz, den sie ebenfalls gemeinsam einige Male geschlagen hatten. Nicht fest, aber angedeutet. „Und jetzt du alleine, Jonne. Ja?“
„Jaa, Pa! Jaah! Is bin dran!“ Jonne grinste und machte einen großen Schritt auf den Klotz zu. Er hob das Beil nach oben an… und hackte einige Male geradeaus auf das Holz ein, sodass einige Splitter flogen und sich in den schwarzen Haaren verfingen. Der Junge lachte fröhlich. Der Vater nicht. Er strich sich in einer langsamen Geste über den geflochtenen Bart und zupfte einen Moment lang an der Spitze dessen, ehe er kaum merklich den Kopf schüttelte.
„Ich zeige es dir nochmal, ja?“
„Jaah! Pa is dran!“ Grinsend sprang der Junge zur Seite und schaute mit großen Augen zu seinem Pa auf. Er war einfach sein Held. Sein Vorbild und überhaupt der stärkste Pa, den ein Kind nur haben konnte. Die roten Wangen glühten vor Begeisterung und die Augen strahlten vor kindlicher Freude.
So löste Nastrai die eigene Axt aus ihrer Halterung und wiegte die Waffe langsam in der Hand. Nach einigen kreisenden Bewegungen hatte er sein Ziel genügend beobachtet und holte mit Schwung aus, um die Klinge abwechselnd rechts und links in das Holz des Klotzes zu schlagen.
„Immer schön schräg von oben. Schau so..“ Tschock-Tschock „Es geht auch von vorne.“ Tschock „Oder waagerecht von der Seite und schön drüber. Genau so!“ Tschock! Tschock! Tschock!
Er versengte jeden Schlag ein Stück weit im Holz und schlug damit kleine Kerben in den Block, wo man genau sehen konnte wie der Norn seine Axt führte. Ganz in Gedanken versank der Kerl dabei, musste er seinem Sohn doch genau zeigen, wie das ging. Ganz sicher würde sich Wolf als sein Tiergeist heraus stellen und Jonne würde unter seinem Totem Großes vollbringen. Tschock! Oder die große Bärin, die ihm dabei helfen würde den Zahn endlich zum Bersten zu bringen. Tschock! Rabe. Ja, oder sein eigenes Totemtier! Rabe. Ganz bestimmt musste Jonne vom Raben gesegnet werden. Er war schließlich schon jetzt wirklich schlau und clever. Tschock! Tschock! Nastrai! Nastrai? Er hielt mitten in seinem Schlag inne und schaute verwundert auf und hin zur Hüttentür. Dort stand sein Weib, einen dampfenden Krug in der einen und mit der anderen Hand den etwas fülligeren Bauch reibend. Sie lächelte ihm zu, nickte dann in die Richtung hinter ihm.
„Was denn?“ Er ließ die Axt sinken und schaute sich dann nach seinem Sohn um. Als er ihn erblickte atmete der Kerl erneut langgezogen aus und strich sich den Bart. Kurz sah er über die Schulter zu seinem Weib, welches ihm ein verschmitztes Grinsen zuwarf. Ihr Blick sprach aus, was ihre Worte dem Kerl nicht auf die Nase banden: Ich hab es dir doch gesagt.
Da saß der Junge im Schnee und hatte, anstatt aufzupassen, einen Schneenorn gebaut der mit einem kleinen Beil ausgerüstet war. Und gerade war der Junge wohl dabei noch einen Schneenorn zu bauen. So wischte der Kerl kurz über die Klinge seiner Axt und verstaute sie wieder in der Halterung, während die Rote sich zu ihm gesellte und leise lachte.
„Von allen Tiergeistern...,“ Er brach seine Worte ab und schüttelte den Kopf.
„..scheint es, dass er tatsächlich einem am meisten nachhängt,“ sie lachte vergnügt und reichte ihm ihren Krug. Er trank einen großen Schluck des warmen Mets und in Gedanken machte er bereits Bekanntschaft mit Otter.

„The Norn will not change simply because the Dwarves do not understand our ways.
I'd rather be hated for who I am than loved for who I am not.“

Jora

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