Die erste Jagd

Schau Vati! Da drüben!
Die Ruhe des Waldes wird durch eine mädchenhafte Stimme gestört. „So groß!“ Ein noch junges Mädchen rennt durch den schneebedeckten Wald. Es ist kalt, die Bäume ragen hoch in die trockene Luft und hier und dort sind einige Tiere zu erhöhren. Ihr Atem gefriert an der Luft, hinterlässt feine Wölkchen, welche noch kurz in der Luft schweben, ehe sie verblassen. Dick ist sie angezogen, kämpft sich tapfer voran durch den tiefen Schnee. Hinter Ihr...ein großer Norn. Er selbst hat kaum Mühen, es durch den Schnee zu schaffen, ist nicht annähernd so dick angezogen wie die Kleine.


Pssht. Sonst verscheuchst du ihn noch.“ Die ruhigen und tiefen Worte des Vaters, legen sich leicht über den Wald. Vor den beiden knabbert ein Elch die Rinde eines Baumes an. Schon seit Stunden sind die beiden nun draußen, ersichtlich an der roten Nase des Mädchens.



Verzeih mir Vati, ich bin nur so aufgeregt.“ Sie strahlt ihn an und ist sichtlich glücklich, ein solches Tier aufgespürt zu haben. Ihre rechte Hand deutet noch immer auf jenen Elch, während sie Ihr niedliches Gesicht zu dem großen Norn herumdrehte.



Schon gut meine Kleine. Er ist ja nicht davon gesprungen.“ Er selbst redet sehr väterlich mit der Kleinen. Wuschelt Ihr nun über den Kopf. „Eh lass das! Meine Mütze! Meine Haare!“ Mit einem Lachen beklagt sich das Mädchen belustigt und ebenso sarkastisch. Richtet anschließend Ihre Mütze, während Ihr Vater sich zu Ihr hinunter kniet. „Weißt du noch, was ich dir zuhause gesagt habe?“ Er schaut Ihr tief in die Augen. „Natürlich. Die Natur beschenkt uns mit Gaben, und wir der Natur Respekt.“ Die Kleine antwortet da ganz stolz, legt ein strahlendes Gesicht auf und pustet die blonden Strähnen aus dem Gesicht. „Genau. Hast du dir gut gemerkt.“ Ein Grinsen und ein sanfter Kniff in die linke Wange, lassen beide für einen Moment kichern.



Na dann schau mir mal zu und lerne.“ Ohne weiter abzuwarten, löst der Norn seinen Bogen vom Rücken, und nimmt jenen fest in die Hand. Es ist kein wirklich aufwendig bearbeiteter Bogen, schlicht ein normaler, aus Holz geschnitzter. Ausreichend für die Jagd.



Wirst du ihn jetzt tötet, Papi?“ Die Kleine scheint sichtlich interessiert und schaut den Norn mit Erwartung an an.



Wenn ich es nicht tue, verhungern wir. Ich mach es schnell und schmerzlos. Versprochen.“ *Er lächelt der Kleinen sanft zu und streicht Ihr mit der Linken über den Kopf. „Es wird nicht leiden. Wie ich dir sagte. Die Natur beschenkt uns mit Gaben. Nahrung...ist eine solche.“ Sein Blick festigt sich nun auf den Elch, der die beiden bereits in gewissen Maßen bemerkt hat. Sein Blick jedenfalls geht in die Richtung der beiden und die Ohren bewegen sich entsprechend.



Schau mir einfach zu. Beim nächsten mal bist du dran.“ Schon wird der Bogen gespannt, nachdem man sich einen Pfeil aus dem Köcher gegriffen hatte. Stramm ist die Sehne des Bogen, der Blick des Norn fokussiert. Noch einmal tief eingeatmet, hält er nun die Luft an. Die Kleine neben ihm schaut gespannt zum Vati auf. Sie mustert seine Haltung. Dann fliegt der Pfeil mit einem unverkennbaren Geräusch los. Man hört ihn etwas treffen und dann etwas schweres in den Schnee fallen. Das Geräusch von zusammengedrücktem Schnee ist zu vernehmen. Dann ist es ruhig.



Schau. Ich sagte dir doch, es hat nicht gelitten.“ Stolz schaut er zu seiner Kleinen hinunter. Jene schaut ebenso stolz zu ihrem Vati hinauf. „Ich hatte nicht gezweifelt.“ Sie kichert und läuft dann zu dem Elch hinüber. Der Norn folgt.
Wow. Du hast Ihn gut erwischt.“ Sie sitzt vor dem leblosen Körper des Elches. Der Pfeil steckt tief im Schädel während Blut heraussickert und, den Schnee langsam rot färbt. „Siehst du das? Treff das Tier hier und es wird ohne Schmerzen und lange leiden zu müssen, in die Nebel übergehen.“ Er kniet sich neben seine Tochter, zeigt Ihr die Stelle. „Wenn ich groß bin, will ich genauso gut jagen können wie du!“ Überglücklich über das Ergebnis und das Neu erlernte, schaut sie zu ihrem Vater auf. „Dazu brauchst du noch nicht einmal groß sein, nur Übung haben.“ Erneut wuschelt die Hand über den Kopf des Mädchens. „He! Ich hab dir was gesagt...!“ Da wird sogar frech die Zunge raus gestreckt. Erneut wird alles gerichtet und die blonden Strähnen begradigt.



Nun lass uns nicht warten. Mutter wartet bestimmt schon auf uns. Ehren wir die Geister und bedanken uns für die Gabe, ehe wir nach Hause gehen, okay?“ Der Norn schaut seine Tochter genauer an. Er erkennt sich selbst für einen kurzen Moment, als er in Ihrem Alter war. Sein Lächeln weicht jedoch einer ernsteren Miene, als er sich zusammen mit seiner Tochter nebeneinander in den Schnee knien und kurz Inne halten, während der Norn einige Worte spricht.Anschließend, bindet er den Elch auf einen hölzernen Schlitten, welchen er dann hinter sich. Seine Tochter sitzt der Weile fröhlich strahlend am Ende des Schlittens und lässt sich ebenfalls ziehen. Ist sogar so frech und gibt Befehle und spielt sich als Kutscherin auf.



Und schon wird es wieder ruhiger im Walde, als die beiden Norn sich auf dem Heimweg allmählich von jenem Ort entfernen, wo die Kleine Ihre erste Jagd erleben durfte.

Kommentare 2

  • Gar nicht so leicht die Balance zu halten zwischen spaßigem Abenteuer und respektvollen Ernst. Aber haben sie am Ende ja hinbekommen!