Das Chamäleon hat den Hund nicht zu prügeln!

„Es ist ja nun einmal so“, begann ich bestimmt zum dritten Mal an diesem Abend einen Satz mit genau diesen Worten. „Wir wissen nicht ob und wenn ja wie viel er gesungen hat.“ Für mich jedenfalls lag das auf der Hand. Für die übrigen Anwesenden sicherlich auch, nur hatte es von denen bisher noch niemand gewagt es auch wirklich anzusprechen. Also machte ich mich mal wieder zum schwarzen Peter und brachte auf den Tisch wovor sich alle drückten. „Wir müssen davon ausgehen, dass er verraten hat was er weiß. Wir alle kennen ihre Methoden Leute zum reden zu bringen.“ Ein langer Blick traf Wayne, der daraufhin nur murrig nickte. „Wenn er wirklich das Maul aufgemacht hat, dann haben wir alle hier ein schwerwiegendes Problem auf das wir uns vorbereiten sollten.“ Die Allgemeinheit stimmte zu und doch sah ich den ein oder anderen, der damit nicht ganz konform ging. Asjenka zum Beispiel. Sie schüttelte mit dem Kopf. „Er wusste nicht genug“, warf sie betont ein als ihr mein Blick zu bohrend wurde und sie sich dazu herab ließ ihre Gedanken mit uns Normalsterblichen zu teilen. Leider hatte sie damit nicht ganz Unrecht. Ich ließ sie weiter sprechen und natürlich ärgerte es sie innerlich, dass nicht ich diese Arbeit übernahm. Nach außen hin blieb sie professionell. Es war jetzt aber auch wirklich sowieso nicht die richtige Zeit wieder mit diesem albernen Krieg anzufangen, den wir seit Jahren führten. Nicht hier und ganz bestimmt auch nicht an einem Tag wie heute.


„Ich muss euch allen unser System nicht erklären.“ Das musste sie wirklich nicht. Ich schwieg. „Sein Kontaktmann war Wayne. Und da hört sein Wissen im Grunde auch schon auf. Er kennt das Haus der Witwe Griebenkorn und weiß was es mit den Blumen auf sich hat. Die Witwe ist alt und gebrechlich und Blumen verwelken wenn sich niemand um sie kümmert. Ich sehe keinerlei Schwierigkeiten. Wenn wir uns das einfach bewusst machen und die übrigen kontaktieren, dann sollten wir diese Unannehmlichkeit kaum bis gar nicht spüren.“ Unannehmlichkeit nannte sie es. Ich fühlte wie tiefe Furchen sich über meine Stirn zogen. „Es ist doch so“, setzte Asjenka wieder ein, „mittlerweile kennt jeder Soldat der Festung sein Gesicht.“ Sie sprach von Wayne. „Über kurz oder lang hätten wir uns sowieso von ihm trennen müssen. Nun ist es so weit. Wir können es nicht mehr riskieren, dass man ihn durch Zufall auf dem Hof sieht oder erkennt. So gut seine Verkleidungen auch sind. Wir wissen alle, dass er zur Trunksucht neigt.“ Mir gefiel nicht in welche Richtung sie uns lenkte. Cloud auch nicht. Ich hörte ihr Schnauben und musste die Faust, die sie unter dem Tisch machte, gar nicht sehen um zu wissen, dass sie da war. „Worauf willst du hinaus, Asjenka?“ Wir wussten es alle. Es war offensichtlich. Die Mesmerin rümpfte darum auch die Nase. Sie mochte es gar nicht wenn man sie dazu trieb Offensichtliches noch einmal auszusprechen. Sie ähnelte da Hase sehr.


„Vielleicht ist es an der Zeit, dass die Vorhut Wayne den Würger nicht nur fängt und wieder verliert...sondern dieses Mal tatsächlich am Galgen baumeln lässt.“ Drei...zwei...eins... Die hagere Cloud schmetterte ihre Rechte flach auf den Tisch. In der selben Bewegung sprang sie auf, das Weib mit dem ausgeblichenen Haar, das immer fettig wirkte. Ich erinnerte mich an keinen Tag, an dem es einmal frisch gewaschen aussah, obwohl es hieß, dass sie damals durchaus eine Schönheit gewesen war. Ich zog den Kopf ein. Nur ein Stück. Auch Grigorji knurrte. Ich sah sogar in Bregos Augen Protest aufblitzen, aber er wagte es nicht seiner Gattin zu widersprechen. Vielleicht aus Solidarität. Vielleicht aus Pflichtgefühl. Vielleicht weil er in seinem Inneren wusste, dass sie leider Recht hatte. Mein Blick suchte in der Masse aus Leuten, die um den großen Rundtisch herum saßen, das Gesicht des Würgers. Wayne..Ich wusste nicht wie alt er war. Sicherlich kratzte er mehr an der fünfzig denn an der vierzig. Ein immer lustiger, immer lebendiger Geselle mit rohen, schmutzigen Zügen, die auch Wasser nicht klären konnte. Auf den ersten Blick ein einfaches Gemüt, dem man nicht viel Verstand zugestehen durfte. Der Umstand, dass er noch immer hier zwischen uns hockte allerdings bewies, dass es ein Trugschluss war. Wayne, der Hund, Würger war ein Mann, der schon lange vor der Übernahme von Hase zu ihm gestanden hatte. Einer seiner engsten Vertrauten und damit einer meiner besten Freunde. Ich schätzte seine ruppige Art sehr und im Stillen bewunderte ich ihn für all das, was er schon für uns getan hatte. Mehrmals war es uns erst im letzten Moment gelungen ihn von dem Galgen zu schneiden, an den die Vorhutsoldaten ihn gehängt hatten. Er hatte Spuren davon getragen, die man ihm deutlich anhörte wenn er sprach. Über die Zeit hinweg...war er immer stiller aber nicht unglücklicher geworden. War man traurig...Wayne war da. Wir brauchten ihn. Es widerstrebte mir ihn zu opfern. So waren wir nicht.


„Wir werden ihn nicht den Schweinen zum Fraß vorwerfen.“ Ich bestimmte es einfach und musste mich noch einmal nachdrücklicher wiederholen damit alle es in der aufkommenden Unruhe hörten. Waynes Augen lagen auf mir, aber ich erwiederte den Blick nicht. Nicht dieses Mal. Gerade hatte ich Asjenka im Visier. „Wir werden niemanden opfern. Egal ob Rekrut, Genosse oder Führer. Das steht nicht zur Debatte. Die Charr haben uns im letzten Jahr einen großen Teil unseres Nachwuchses genommen. Es kommt gar nicht in Frage, dass wir noch mehr geben...ohne Sinn und Verstand. So sind wir nicht. Opfern wir ihn, dann legen wir auch uns die Schlinge um den Hals. Er ist wir. Wir sind er. Schaden wir ihm, dann schaden wir uns.“ Es wurde wieder ruhiger und nur Cloud stand noch, die sich fahrig durch das Haar strich.


„Hase wird entscheiden.“ Asjenka hob das spitze Kinn. Es lag kein Trotz in ihrer Stimme, nur dieser Unterton der allumfassenden Überlegenheit. Mir kam die Galle hoch, aber ich blieb ruhig. Diesen Triumph ließ ich ihr nicht. Es gab auch keinen Grund. Aber mal im Ernst, Asjenka...Erstick dran! Ehrlich. Erstick dran! „Hase wird dir das gleiche sagen. Wayne wird nicht geopfert. Aber...“ und jetzt verlagerte ich meinen Fokus auf den Würger, „du wirst die Festung verlassen. Noch geht es. Vermutlich. Heute Nacht verschwindest du. Du gehst ins Ausbildungslager und wirst dort bei den Rekruten bleiben, bis du neue Instruktionen erhälst.“ Damit waren die meisten einverstanden. Die meisten, aber nicht alle. Es stand mir nicht zu ihre Köpfe zu packen und auf den Tisch zu schlagen. Das überließ ich Hase. „Asjenka, sorge dafür, dass die Witwe verschwindet.“ Es würde ihr nicht schwer fallen, sie immerhin war die Witwe. „Brego, schick jemanden sich um das Haus zu kümmern. Grigorji, du sorgst dafür, dass Hermelin und das Kind heute nach Götterfels gehen und dort bleiben. Nur für den Fall der Fälle. Informiere Hase.“ Er nickte. Guter Mann. Sie waren mir zuweilen ohne ihre Eier deutlich angenehmer. „Cloud...“, jetzt kam der schwere Teil. „Du begleitest Wayne. Auch dein Gesicht ist leider zu bekannt und man bringt dich mit ihm in Verbindung. Die Festung ist nicht länger ein Ort, an dem wir dich guten Gewissens aufbewahren können. Ich bin mir beinahe sicher, dass es bald zu Hausdurchsuchungen kommen wird.“ Mehr als sowieso schon. Die Feldscherin nickte, still geworden jetzt und nachdenklich. Damit beschloss ich die Sitzung. Unter dem intensiven Blick der Mesmerin verließ ich den Raum. Ich widerstand dem Wunsch Wayne einen Kuss mit auf den Weg zu geben und ihm alles Gute zu wünschen. Es war nicht angebracht und hätte mich in eine Position gebracht, die ich jetzt nicht gebrauchen konnte.

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