Orr, verrecke!


Orr, verrecke!!


Zehn gegen Roy.
Wie der Titel einer Heldengeschichte. Wären da bloß Zehn gewesen...
Es klang besser als Vierundzwanzig gegen Roy oder Zwei Dutzend gegen Roy.
Und Roy und die Vierundzwanzig Orrianer...das klang wie ein Märchen.
Alles besser als Hundert gegen Roy, was zwar sehr heldenhaft klang...
Sie konnte sich die Zahlen nicht aussuchen.
Nur anpassen.
Nirgendwo Verstärkung in Aussicht.
Kein Gott half, alle tot.
Kein Zauberbuch der Abtei, keine Gerüchte des Ordens. Half alles nichts, konnten sie sich sonst wo hinschieben.
War sie das letzte lebende Wesen in Orr? Vielleicht gab es den Pakt gar nicht mehr.
Vielleicht hatten alle schon die Seiten gewechselt.


Was auch immer. Vierundzwanzig wandelnde Leichen da oben, alle Roys Problem, sofern sie nicht zu Untoten werden wollte.
Und das wollte sie nicht.
Doch da rannte was kleines den Hügel herunter! Irgendetwas stummelbeiniges. Hatte es bedeutend eiliger als die Orrianer. Musste ein Asura sein. Gekleidet in das Rot des Gerüchteordens.
Ohne Zweifel der Bewohner des einsamen Zeltes hinter ihr.
"Auf!! Die machen wir alle!!", brüllte sie ihm entgegen. Der Hals schmerzte, kaum Wasser, nur Bier, Schnaps, Korn, seit zwei Tagen oder sowas. Oder vielleicht drei.
Der Asura war ein Lichtblick. Musste sie doch nicht alles alleine machen. Doch noch nicht das ganze P-Elixier in die Venen jagen.
Der Asura stolperte, fiel hart, rollte. Stand sofort wieder auf, rannte weiter. Nicht schlecht. Der war hart, hatte Schneid, Ausdauer, Eier.
Konnte das Spaxx sein? War sein jämmerliches Auftreten nur eine Maske, eine Agentenmasche um unauffällig zu bleiben?
Auf keinen Fall. Der hier hatte viel zu große Ohren. Sie hatten nur Uniform und Volk gemein. Der echte Spaxx hätte sich zusammengekauert, wäre liegengeblieben, drauf wartend bis die Orrianer ihn 'auffressen'. Als hätten die nichts besseres zu tun.
"Waffe? Zauber?!", warf sie ihm entgegen, um sich taktisch positionieren zu können. Doch der Asura hatte andere Sorgen als zu antworten, er rannte. Sie winkte ihn durch und blickte zur Hügelkette, hoch zu seinen Verfolgern.
Diese Orrianer waren keine gewöhnlichen Dorfbewohner. Sie wirkten anders. Wie Städter, vom Zirkus vielleicht? Oder vielleicht Adlige, reiche Säcke. Die Oberschicht, bereit von ihr in Scheibchen zerteilt zu werden.
Ein Blick auf ihren Streitkolben.
Nicht zu Scheibchen zerteilt, in Stücke geschlagen. Knochenbrei.
Ob sie viel Schmuck bei sich trugen? Wahrscheinlich.
Einer trug einen gehörnten Helm und Schild, konnte gefährlich werden. Robenträger waren da auch, Magier womöglich.
Der Asura war fast da.
Vielleicht waren noch mehr Paktkämpfer in der Nähe?
Vielleicht gab es ja doch noch Hoffnung und -
"Grahhr!!", gröhlte der Asura, mit ausgestreckten Klauen rannte er direkt auf sie zu – die hässliche kleine Ratte! - da merkte sie es erst, durchs Herz hatte man ihn gestochen. Das Loch war ausgefranst, die Kleidung voll getrocknetem Blut.
Sie stieß ihm den Schild entgegen, dumpf prallte der Wicht ab und flog in den Matsch, rappelte sich wieder auf, fauchte. Ein deftiger, knackender Tritt ihres Eisenstiefels und der vermeintliche Verbündete flog durch den Dreck, wurde in eine der Schlickpfützen gewirbelt.


So viel dazu. Zurück zum Ursprungsplan...
Pilzsuppe, Elixier P.
Die Kampfdroge, die Tzup ihr mitgegeben hatte. Drei Dosen waren in der experimentellen Spritze. Tzup hatte zwar empfohlen es nicht mit Alkohol zu mischen, aber er war ja auch ein kleiner niedlicher Waschlappen. Und er hatte es selbst schon getan.
Wenn sie schon von diesen Typen totgeprügelt wurde, dann nicht ohne alles gegeben zu haben, bis an ihre Grenzen gegangen zu sein und weit darüber hinaus - reihenweise würde sie ihre Fressen in Stücke hauen.
Mit der Hilfe von Pilzsuppe, Elixier P.
In den Mund sollte man es sich eigentlich träufeln, damit die Wirkung sich nicht zu schnell entfaltet. Aber für solche Spielereien war jetzt wirklich keine Zeit mehr.
Sie legte die Waffen ab, stach die kleine Spritze durch das Kettenhemd ihres rechten Armes.
Was soll's, alles rein damit. Die leere Kupferspritze landete im Schlick.
Sie hob ihre Waffen wieder auf.
Noch merkte sie nichts vom Elixier.
Mit dem Kolben schlug sie rhytmisch auf ihren Schild.
Die ersten waren bald in Reichweite.
"Ihr Ettinfressen!!", brüllte sie. "Begegnet eurem Todesengel!!"
Scheiss doch auf alles.
Pilzsuppe war verdammt gut, besonders mit Korn.


Als wilder, unorganisierter Haufen schwappten die Verrotteten ihr entgegen. Jeder sein eigenes Tempo, jeder seine eigene hässliche Fratze und Bewaffnung. Sie war dankbar um jeden Schlurfer, der nur schwer mit dem Rest mithielt, ihr Zeit kaufte.
"Wo sind meine Trommeln...", knurrte sie, ehe sie sich schnaubend auf die Horde zustampfte .
Bumpf-Bumpf. Glub-Glub.
Ah, da waren die Trommeln. Ihr Herz war bereit zu töten.
Hinten, ein Orrianer mit Kapuze und Stab. Sicher ein Zauberer. Er hob seine knöchrige Hand gen Himmel, den Stab rammte er in den Boden. Ein lilaner Blitz zuckte empor. Am Arm schlängelte sich ein pinkes Flirren hinauf. Was immer er da tat, sie wollte es sich nicht bis zum Ende ansehen müssen. So schnell ihre Rüstung und ihre Verfassung es zuließ, stampfte sie auf ihn zu. Sein Gesicht war der Tod - die Haut um den Mund war verrottet oder zerfetzt, sein vollständiges Skelettgebiss grinste ihr entgegen. Die Augenhöhlen begannen dämonisch zu glimmen. Zwanzig Schritte noch.
Sie hätte eine Chance gehabt, aber da kam wieder dieser verdammte Asura angerannt, der mit geöffnetem Maul auf sie zusprang. Mit einem Fluch schlug ihm den Kolben in die Fresse, Fleisch flog und es regnete spitze Zähnchen - er kam hart auf und blieb liegen.
Das gab einem kieferlosen Orrianer Zeit auf sie zuzurennen. Nach einem Schildschlag stolperte er wieder zurück, von der Seite her schlug sie seinen Kopf in Trümmer.
PHAAOW! Wie eine wohlige Welle fuhr es bei dem Treffer vom Arm in den ganzen Körper.
Mit halbem Gesicht sackte der Untote zusammen.
Zwei weitere, Dame und Herr, hatten sich mit ihren Spazierstöcken vor dem Magier positioniert. Lilane Flammen umspielten nun den Magierarm.
Roy machte einen Satz nach vorne, rammte der Edeldame den Schild in die Fresse, die keine zehn Tonnen Schminke mehr hätten ansehlich machen können, siestolperte, stürzte nach einem Kolbenschlag gegen das Kinn. Roys Eisenstiefel marschierten ihr druckvoll über den Bauch, kickten gegen den Unterkiefer, dass der Schädel samt Halswirbeln aus der Haut fuhr.
"...ihm gehorchen...!" , rief der Angetraute der Edeldame erbost und ruckte zu Roy herum. Sein Zylinder verrutschte dabei nicht mal, seit Jahrzehnten mit der Kopfhaut und vertrockneten Algen verwachsen. Er schlug mit dem Spazierstock auf Roys hingestreckten Schild ein, mehr Aufmerksamkeit bekam er wegen des Zauberers nicht.
Dank des Pärchens würde sie nicht mehr rechtzeitig beim Magier sein.
Eine lilane Sphäre hatte sich in der Hand des Berobten gebildet, gerade wollte er ausholen, um sie auf sie zu schleudern.
Ob der Schild sie schützen würde...?
Sie würde nicht mehr rechtzeitig ankommen, aber ihr Streitkolben.
Verzweiflungstaten sind besser als keine Taten, erinnerte sie sich in einer Welle aus Euphorie an einen Spruch aus einem canthanischen Glückskeks.
Also schleuderte sie die grobe Waffe auf den Magier.
Der spitzenbewährte Kolben durchschlug die Visage des Kapuzenknilches wie ein Meteor, brachte die selbstgefällig grinsenden Zähne zum Bersten, Knochen zum Splittern. An der Stelle, wo eben noch die Reste des Gesichts gewesen waren, rutschte der Kolben aus einer hässlichen, unheilbaren Wunde. Die Waffe blieb kurz am Unterkiefer hängen, riss diesen schmatzend mit sich. Die lilane Magie verflüchtigte sich mit einem Zischen und der Zauberer sackte erbärmlichst zusammen, begrub den Kolben unter seinem Körper.
Roy lachte rau und irgendwie entzückt auf, begeistert von sich selbst.
Bumpfbumpfbumpf!
Es machte sie für zwei Sekunden unglaublich glücklich. Wieder ein Schub.
"Habt ihr das gesehen!?"
Wenig Begeisterung auf der anderen Seite. Schlechte Verlierer.
"...wenn die Zeit...wenn sie kommt!!", kommentierte der Gentleman von rechts, mit dem Spazierstock versuchte er den Schild zu brechen.
"Habt ihr das gesehen?!?", rief sie nochmal. So ein Hochgefühl auf einmal. Fast schwerelos, all das Eisen am Körper vergessend. Und das war nicht nur der Siegesrausch. Etwas in ihrem Blutkreislauf begann eindeutig zu wirken.
Der Herr mit festgewachsenem Zylinder stürzte sich nun mit seiner ganzen Körpermasse auf den Schild. Aber sie war nicht unbewaffnet. Sams Messer von ihrem Gürtel landete in seinem Hals. "...kommt...", keuchte er, ehe ihm die trockene Haut vom Nacken bis zum Kinn aufgeschlitzt wurde. Es schnitt sich wie trockenes Leder, sie konnte die Klinge wieder aus ihm herausrupfen.
"Whrrah!!", brüllte sie dem Sterbenden ins Ohr, trat ihn von sich weg, wobei der Oberschenkel brach und ihn zum Stürzen brachte.
Es kribbelte irgendwie. Als wären da lauter Käfer auf ihr. Sie konnte nicht mehr stillstehen.
Schub-Schub! Bumpf-Bumpf!
Mhhh, diese Pilzsuppe.
Wieso hatte sie vorher noch nie überdosiert??
Ihr Bein zuckte. Es wollte töten, nur noch töten, so wie jede Faser ihres Körpers.
"....der...Plaaan...sein...", quäkte eine Stimme.
Unglaublich. Der Asura wieder. So hartnäckig. Sie hätte ihn lebendig gebraucht, bevor sie unbesiegbar geworden war.
All ihre Wut sammelte sich in einem weiteren Schildschlag, abermals landete der Agent am Boden. Beide Beinchen waren schon gebrochen. Sie setzte nach, mit stampfenden Eisenstiefeln, die den Schlick spritzen ließem. Schon wieder wollte der Asura aufstehen...Sie stampfte auf den Schädel ein – einmal, zwei mal, siebzigmal, fünfundgunkzigvielionenmal, das Zählen fühlte sich wirr an, am Ende blieb nur Brei.
Nichts persönliches.


Der nächste ließ nicht lange auf sich warten. Sie musste sie schnell loswerden, bevor sich zu viele sammelten. „...horch her..!“, trötete der Untote.
Was auch immer.
Sie hatte es aufgegeben mit denen zu reden.
Sein Ansturm wurde mit einem Schildstoß ausgebremst, er taumelte nach hinten.
Vor zweihundert Jahren hätte man sich vielleicht angefreundet.“ - Diesen Scheiß hatte sie sich eben, vor ihrer Erleuchtung, ernsthaft eingeredet.
Sams Messer durchstach seinen Hals, er schlug mit der Hand danach.
In den Gildenkriegen hatten ihre Vorfahren schon Orrianer getötet.
Der nächste Stich ging von oben gegen seine Schulter. Das Messer steckte fest, er schlug mit den Armen nach ihr –
Und auch als die ersten orrianischen Untoten nach Kryta kamen, hatten ihre Vorfahren sie niedergemetzelt.
- sie ließ den Messergriff los, gab ihm einen Tritt ans Schienbein. Knack, der saß. Die Lusche brach zusammen, auf die Knie, wo sie hingehörte. Wie zu einer Göttin streckte er die Arme nach ihr aus.
Und die Götter hatten sie dazu auch nicht gebraucht, hatte ihre Mutter ihr mal erzählt.
Sie nahm das stumpfe Beil des Asura vom Gürtel und holte aus.
Sie war ihr eigener Gott.
Kraftvoll hackte sie ihm in den Schädel. Nochmal raus, wieder rein, immer wieder, nochmal drauf, nochmal rein, bis der Kopf durch die Gegend spritzte, bis da gar kein Kopf mehr war, bis da nur noch ein Unterkiefer klebte, bis er endlich umfiel.
Schnaubend spuckte sie auf die Leiche.
Ganz Orr würde sie ausrotten, zur Not eben im Alleingang.


„Orr!“, rief sie die restlichen neunzehn, taumelte auf sie zu.
Sie hatte ihre volle Aufmerksamkeit, schlug mit dem Beil gegen den Schild.
„Orr, verrecke!!“, brüllte sie ihnen entgegen.
Das waren sie sprachlos. Das gab ihr Kraft.
„HRAH!“ Mit erhobenem Beil begann sie einen Spurt in eine Gruppe aus den vier nächsten.
Ein breiter Toter mit weitem, vergammeltem Pelzkragen stürmte ihr auf dem Weg entgegen. Dumpf prallte er gegen ihren Schild, beide taumelten zurück.
Sie schüttelte die Benommenheit ab, wutschnaubend setzte sie nach, das Beil riss durch die Kehle, ein weiteres Schienbein splitterte unter ihrem Eisentritt. Wie Abfall rammte sie ihn zur Seite.
Sie wütete unter den anderen dreien, entrückt fühlte sie sich dabei, als ginge es alles von alleine.
Hack hack – Beil bleibt stecken.
Griff nach dem Kiefer-
Ratsch, ab.
Zähne wirbeln durch die Luft, schlagen auf wie Hagelkörner.
Schädel splittern.
Beine brechen.
Eisenfäuste in die Fressen.
Dam-da-dmmdmmdam-dammdada!,frohlockte ihr Herz.
Der Nächste, wo war er? Da.
Ratz, das Beil aus dem Schädel reißen, in einen andren rein.
Gesicht zerhauen.
Damm da-
Ruhe.
Na?
Herz..?
Es wollte doch nicht von ihr gehen, ihr ureigenes Herz..?
BUMPF!
Ein Glück, da war es wieder!
Es konnte weitergehen mit dem Massaker.
Drei frisch malträtierte Fressen lagen nun im Matsch, sie blickte auf das stumpfe Beil, auf ihren rechten Arm, beides voll mit glitschigen Orrianerfetzen.
Was genau was passiert? Das Ergebnis zählte.
Wo war die nächste Gruppe zum wüten?
Nicht selbst überschätzen...,erinnerte sie eine rationaler denkende Roy vorsichtig an die Nebenwirkungen der Kampfdroge. Genervt schnaufte sie. Es war fast als höre sie ein langweiliges Selbst neben sich reden. „Blablabla gefährlich blablabla...“
Alt, mit Brille und am Gehstock, mit erhobenem Zeigefinger.
"Du hast jetzt mal Pause!", hörte sie sich selbst anschnauzen.
"Licht im...!", rief ein Orrianer aus der Ferne.
"Ihr habt jetzt ALLE MAL PAUSE!", unterbrach sie ihn oder war zumindest laut genug, den Rest davon zu übertönen.


„...du...“, entgegnete jemand dumpf.
Eine fette, aufgedunsene Orrianerin wackelte auf sie zu.
So viel Schmuck.
Die musste sehr glücklich sein.
Die Ketten hatten über zweihundert Jahre Zeit gehabt, mit dem dicken Nackenfleisch zu verschmelzen. Fauchend hackte sie ihr das Beil in den Kopf. So stumpf, große Sauerei. Hack, Hack, Hack...es spritzte, die Haut riss ihr vom Gesicht, baumelte am Kinn - doch sie fiel nicht, während die anderen näher kamen. Ihre lächerlichen Knubbelfinger voller Ringe versuchten sie zu würgen. Der Tritt gegen das Schienbein wurde durch das aufgeschwemmte verrottete Fleisch gebremst.
Ein langer Orrianer mit einem Speer mischte sich ein.
Roy haute ihm von oben das Beil in den Kopf, es knackte, es blieb stecken, beeindruckte ihn nicht. Er stieß den Speer nach ihr, einmal, daneben, zwei mal, dumpf schmerzte es am Schulterpanzer, dreimal – diesmal wich sie zurück, hatte die Fette zwischen sich und ihn gebracht - der Speer des Langen wurde zwischen ihre Schulterblätter getrieben. Die fette Orrianerin wollte immer noch zu Roy, wackelte weiter, während der Speerträger versuchte, seine Waffe aus dem schwabbeligen Ungeheuer zu rupfen. Es wäre zum Lachen gewesen, wäre es nicht...
Wieso sollte sie nicht lachen? Roy lachte lauthals, taumelte weiter, weg von denen, die waren erst mal keine Gefahr, außerdem sah es zu komisch aus wie sie aneinander herumrüttelten.


Der nächste Orrianer schlug mit einem korallenverschmutzten, rostigen Metallstück auf ihren Schild ein. Ohne Erfolg. Sie rammte ihm den Schild ins Gesicht, unerwartet leicht platzte der aufgedunsene Kopf, dass sie überrascht verharrte.
Ich hab nen Lauf...ich bin ein Naturtalent! Es jagte ihr einen blutigsüßen Schub durch die Venen.
Ein weiterer näherte sich mit erhobenem Rostsäbel. Seine Stiefel waren ihm viel zu groß und ausgeleiert für seine verknöcherten Beine, weshalb er sich schnell stolpernd fortbewegte. Ihm würde sie den Kopf mit dem Schild vom Hals trennen.
„...mehr....!“, rief er keuchend.
Kannst du haben.
Sie warf den Rundschild wie einen Diskus in seine Richtung - allerdings flog er über ihn hinweg. Ihre einzige Schwäche war nun mal, dass sie einfach so verdammt stark war, dachte sie sich.
Er kam näher, sie machte einen Schritt zur Seite, streckte den Eisenstiefel aus und er stolperte knackend über ihr Bein, knallte auf die Fresse. Er wollte aufstehen. Sie hatte noch eine letzte nichtorrianische Waffe am Körper: Sams schwere Eisenkette.
Sie schlug damit nach dem Gefallenen, auf den Hals, der in Fetzen spritzte, er wollte immer wieder aufstehen, streckte eine Hand nach ihr aus. Die Fingerglieder flogen nach einem weiteren Kettenschwung bis ins Meer, er fiel wieder.
Musste wieder ganz von Anfang anfangen mit dem Aufstehen.
Zwei heftige Kettenschwünge prasselten gegen den Hinterkopf, es knackte laut, dann sackte er zusammen, erlöst von allen Mühen.
Schnaubend sah sie auf ihn herunter, der Schweiß rann unter dem Helm über ihr Gesicht. Sie blickte sich nach der Fetten und ihrem Speerträger um, aber da kam was anderes irres angewackelt.
„Kwihhihiii...!“, krächzte und kicherte der Harlekin. Svantje hätte frohlockt. Das eingefrorene Grinsen der Gesichtsmaske war mit der grässlichen Fratze dahinter verschmolzen. Nur das Kichergeräusch drang aus ihm, begleitet von den rostigen Glöckchen des Narrenhutes.
„...kwihi...!“
Sie rümpfte die gebrochene Nase, schnaubend und mit großen Schritten stampfte sie auf ihn zu, gab ihm einen Kinnhaken mit dem Helm, der den Kiefer splittern ließ. „Der passt wohl nicht?!", keifte sie, haute, hackte, hackte, hackte. Meerwasser schwappte aus den Augenhöhlen, als weine der Harlekin.
Sie hackte und haute noch mehr, bis eine Ecke vom Wangenschutz ihres Helmes absplitterte.
„Hah, ist das lustig?“
Die Maske riss ihm vom Gesicht,der Anblick dahinter war abartig.
„Ein Helm in der Fresse, ist das lustig?!“, schnauzte sie nochmal, ein weiterer Schlag mit dem Helm, dann nochmal mit der Kette und der Spaß war auf ewig vorbei, die Glöckchen bimmelten ein letztes Mal.


Den Helm warf sie dem nächstbesten in den Schritt, was ihn in seinem schnellen Lauf zum Stolpern und schließlich zum Hinfallen brachte. Sie grinste spöttisch, als er sich auf dem Bauch liegend erheben wollte und er vom schweren Eisenstiefel auf dem Nacken davon abgehalten wurde.
Paar Liegestütze?
Sie trat ein, zwei mal auf Rücken und Hals ein, es knackte, ehe sie zum Sprung ansetzte, um mit beiden Füßen auf seinem Kopf zu landen. Fleischfetzen flogen durch die Gegend - rutschig war sein Hirn, und die Rüstung nicht leicht. Als sie nach dem Sprung wieder aufkam geriet sie ins Stolpern, rutschte nach hinten, fiel auf den Rücken. Am Hinterkopf spürte sie was hartes. Es war keine Zeit für Schmerz, denn der breite Untote mit dem Pelzkragen, dem sie eigentlich den Hals aufgeschlagen hatte, da Schienbein gebrochen, er kroch immer noch, direkt auf sie zu, sie rollte sich zu ihm herüber, seine Arme waren stark, packten sie an den Haaren. Wo war die Eisenkette? Sie riss an seinem Arm, damit er sie loslässt, aber sie rupfte nur Haut und Muskeln von den Knochen. Die andere Hand fuhr in den aufgerissenen Hals, packte die Wirbel, sie drückte zu – Knack, der Kopf klappte nach vorne.


Immer noch etwas benommen wollte sie sich aufrichten, zog sich die Hand aus den Haaren, da waren schon zwei weitere vor ihr um sich auf sie zu stürzen. Sie trat nach dem Schienbein des ersten aus, es knackte und barst, er fiel auf sie.
Der zweite...das war ein großer. Weit über zwei Meter. Drei vielleicht, wenn nicht mehr. Einarmig, lange Fingerklauen. Er hatte spitze Zähne, die sich durch Drachenmagie zu unheiliger Größe verwandelt hatten.
Gesegnet von Zhaitan.
Der andere trug ein krummes Messer.
Der Große stampfte auf sie zu, Schienbeintritt, nur Haut von den Knochen getreten – noch ein Tritt, es knackte, er stolperte, er fiel, warf sich über sie, um ihr das Gesicht mit den Zähnen aufreißen - ihr blieben nur noch die Hände, die sie ihm in den Mund drückte. Sie versenkte sie im Rachen und schob die Finger nach außen, um ihn fernzuhalten. Wütend gurgelnd schob er sich ihr weiter entgegen. Den anderen, kleineren hielt sie mit dem rechten Unterarm und dem Knie vom Leib.
Endlich fanden die groben Sporne an ihren Ellbogen Verwendung. Sie stemmte die Unterarme gegen die beiden, mit aller Kraft schob sie die Hände stetig auseinander, um den Kopf des Großen irgendwie zu knacken. Die Sporne an den Ellbogen schabten dabei über den Hals des kleineren, bohrten sich in seine Kehle hinein, zerrissen modriges Gewebe. "Fleischhaken" nannte Cranguz die Stacheln an seinen Schultern. Als junger Blutlegionär hatte er Ascaloniern damit schreckliches angetan.
„...nie mehr...nie...“, sprach der Kleine, es wurde immer mehr ein Gurgeln, als sich das Fleisch langsam vom Hals schob, der Sporn die Kehle stetig weiter hinausdrückte.
Der Große hatte zwei Eisenhände im Mund, ein wüstes Grollen enfuhr ihm nur, während er den Arm ausstreckte, mit der Hand nach ihrem Gesicht griff. Sie spürte einen stetiges Zerren und Knacken in seinem Schädel, als drehe man eine Nuss in einem Schraubstock.
Mit der linken drückte sie gegen seinen Oberkiefer.
Der Kopf rot vor Anstrengung, öffnete sie den Mund um ihm entgegenzuschreien. Sie holte einmal mit der linken Faust aus, um dem Großen in die Fresse zu schlagen. Einen Zahn fetzte sie weg, aber er machte weiter, konnte sich sogar ein Stück näher hieven.
So nah, dass die riesige untote Handfläche ihr Gesicht erreichte, auf ihren Mund und ihre Nase drückte.
Es ist wie Armdrücken...
Sie drückte weiter.
...im Armdrücken war sie immer gut gewesen.
Nur bekam sie hier keine Luft mehr.
Der Arm war zu massiv, sie schlug mit der linken Faust darauf ein, die Rechte steckte noch in seinem Rachen. Bis sie den Arm mit bloßer Hand zerrissen hatte war sie vielleicht erstickt. Oder der kleine hatte sie abgestochen. Oder die anderen waren da, denn die kamen jede Sekunde näher – die Fette mit dem Speerträger, der Kerl mit dem gehörnten Helm, die anderen beiden Großen, die aus dem Meer gekrochen waren...und bestimmt noch zehn weitere.
Sie wollte seinen Kopf zerstören, rupfte an Kiefer, Rachen, Wangen, wollte ihm die Finger in den Schädel drücken, ihn zerreißen.
Die gelben, dreckigen Klauen kratzten ihr über die Stirn, sie spürte wie etwas riss, wie ihr Ohrläppchen von der Klaue abgerupft wurde. Die untote Pranke hielt sie weiter fest, keine Luft kam ihr mehr in die Lungen.
Sie dachte an ihre Mama. Wie sie wohl auf der Klaueninsel gestorben war?
Hoffentlich nicht erstickt, denn das war grässlich.
Du beißt dich schon durch, hatte sie immer gesagt, jedesmal wenn sie Roy alleine lassen musste um Löwenstein von seinem Vorposten aus zu bewachen.
Ja, sie hatte immer gut reden gehabt.
Sie wollte würgen, atmen, aber da war die Hand.
Es begann zu flimmern vor ihren Augen, als schwirrten tausend Aßfliegen lauernd vor ihrem Gesicht.
Das Dunkle, es kroch langsam aus ihren Augenwinkeln heran, um ihren Blick zu füllen.

Kommentare 11

  • Ich finde auch, dass die Geschichte an den Parataxen gewinnt. Anders wäre es blöd, das Geschehen ist ja sehr unmittelbar. Den persönlichen Sprachstil finde ich in dem Kontext auch angenehm.

    • Ja, es geht halt alles Schlag auf Schlag und Tritt auf Hieb! Danke!

  • Da bekommt man so lust drauf sie IC mal zu treffen. ich liebe diesen Humor. <3

    • <3 Freut mich. Leider hat sie den ein oder anderen schon verstört mit ihren Anekdoten .

    • Achwas Conor wird diese Blume gefallen und Rosa wird mit ihr feiern gehen. ;)

  • Ich lege Veto gegen Roys Tod ein!
    Wir brauchen ein Deus ex machina - damit ich weiterhin Geschichten aus Roys Sicht zu lesen bekomme!


    Die sind nämlich toll und ich ziehe den Hut vor dir, Ovy.
    Wirklich großartig geschrieben. Ich hätte noch Stunden weiter lesen können!

    • Tot? Ja wie jetzt? Nichts da! Ich habe das Ende für einen spannenden Cliffhänger gehalten! Gestorben wird hier nicht, Roy!! ò__Ó

    • Ich weiß es doch auch nicht. Aber es klingt fast so!

    • Danke dir sehrvielmals! Alles weitere muss erst mal dementiert werden.

  • PHAAOW!
    Ich mag den parataktischen Stil, die Soundwords und den Humor. Diese saloppe Schreibe (eben mit Wörtern wie 'Fresse' selbst in der Erzählerstimme) passt einfach zu einem Charakter wie Roy.

    • Ha, danke - und ich weiß jetzt sogar was parataktisch heisst! <3