Der letzte Befehl

Die Pranke zitterte.
Die Hyäne lachte.
Die Stimme flüsterte.


Legionärin Lautschuss schnaubte und kniff für ein paar Sekunden die Augen zu. Vertrieb das Lachen und das Flüstern.
-…schwach, bist du. Elendig. Höre, wie sie über dich lachen-
Sie unterzeichnete das Pergament, wischte einen salzigen Fleck mit einer langsamen, müden Bewegung der rechten Pfote weg und kniff erneut die goldbraunen Augen zu. Die Charr hielt für ein paar Sekunden die Luft an, ohne es zu bemerken.


Die Hyäne lachte.


Sorgfältig öffnete das Weibchen ihr ledernes, altes Notizbuch und legte das frische Pergament ganz hinten zwischen Rückendeckel und letzter Seite. Schnell klappte sie die vorderen Seiten voller Skizzen, Entwürfen und Gedankeneinträgen darauf und schloss das Buch schließlich, indem sie ihre ganze rechte Pfote auf den vorderen Buchdeckel drückte. Als würde sie es so versiegeln, lehnte die Charr sich etwas vor, um mehr Druck auf ihre Pfote und den rissigen Einband zu geben.


Die Hyäne lachte.
Der Kopfschmerz hämmerte.


-…Schande für die Legionen. Schwache Ausgeburt eines Skritt. Höre, wie sie über dich lachen-
Das Klappern ihrer Bürotür brachte die Stimme von alleine für ein paar Sekunden zum Schweigen und Legionärin Lautschuss drehte sich zur Geräuschquelle.
Ein weißer Charr schloss langsam die Tür von Innen. Seine rosé farbenen Augen huschten durch den Raum, hafteten nur für Bruchteile von Sekunden an der Legionärin selbst.
„Eisen schützt…“


Die Hyäne lachte.


„… Soldat Nachtschuss.“
Der Angesprochene drehte sich in seiner Körperhaltung etwas ein. Zeigte defensiv die Schulter. Untergeben den Kopf mit den zur Seite hin geschwungen abstehenden Hörnern etwas eingezogen. Seine weißen Pfoten hingen locker an den Seiten seines in einen grauen, schweren Mantel gehüllten Körpers, der seine Schmächtigkeit so nicht erahnen lies.
„Eisen… schützt… Legionärin Lautschuss.“
Die Stimme des Männchens wirkte sanft, bedacht. Passend zu seiner Gestik und zurückhaltenden Mimik und doch so gar nicht wie die eines typischen Charr.
Und doch sah die Legionärin mehr in ihm, als das. Nouka war schon immer so, wie er eben war. Man musste sich nur bemühen, hinter seine Fassade zu blicken.
Der Weiße schaute abwartend auf seine Legionärin, wohl in Erwartung einer Begründung, warum diese ihn herbestellt hatte.


Der Kopfschmerz hämmerte.
Die Stimme flüsterte.


Das Weibchen zuckte einmal mit dem Kopf, als hätte sie eine Fliege belästigt. Die Iridien schauten erschöpft, die Pranken verkrampften sich.
Schließlich bedeutete sie ihrem Soldaten etwas näher zu kommen. Das Büro war nicht besonders groß. Spärlich eingerichtet. Zweckmäßig nach Eisen-Manier.


Die Hyäne lachte.


„Ich habe einen Befehl für dich, Nouka. Aber zuvor ein paar Anweisungen.“
-Schande! Unnütz! Sie lachen über dich!-
Der Soldat trat etwas vor, der Blick wieder huschend, zurückhaltend, als schaue er niemandem gerne in die Augen.
„Du wirst, nachdem du den Befehl ausgeführt hast, mein Notizbuch an dich nehmen. Die Seiten gehören dir. Alle.“
Nouka öffnete sein Maul, sodass seine recht imposanten Fänge kurz über die Lefzen rutschten. Der so furchteinflößend wirkende Kiefer konnte die eher freundlich wirkende Miene des Weißen jedoch nicht im Mindesten in eine aggressiveren Ausdruck zerren.
„Dein… Buch? Aber du hast es seit Jahren. Warum sollte ich… auf einmal…“
Legionärin Lautschuss kniff wieder die Augen zu. Verzog das Gesicht, als hätte sie auf etwas Saures gebissen.


Die Hyäne kicherte.


„Es gehört dir.“ Bekräftigte sie mit Nachdruck. „Außerdem geht niemandem außer dir dieser Befehl etwas an. Antworten finden alle die, die neugierig sind, in meinem Notizbuch.“ Sie schnitt diesmal Noukas Beginn einer erneuten Frage mit einer Prankenbewegung ab und wandte sich schließlich leicht um, um in eine Schachtel zu greifen, die auf einem Regal stand.
Sie zog eine Pistole hervor.
Nouka kannte diese Pistole. Sie war eine eigene Erfindung seines Trupps. Eine Kreation der Legionärin. Stolz der Schuss-Kriegsschar.
Das Weibchen hielt die Pistole in der rechten Pranke und tätschelte sie mit der Linken, wie einen kostbaren Schatz. Wie ein unschuldiges Kind, was jedoch in der Hand eines Schützen zum tödlichen Monster wurde.
Langsam und schleppend drehte sie sich wieder zu ihrem Soldaten und reichte diesem die Pistole, Griff voran.
„Beende mein Leben, Soldat. Hier und jetzt. Mit dieser Waffe. Sei…“


Die Hyäne lachte.
Die Pranke zitterte.


„…gründlich… so wie du es gelernt hast.“
Die Gesichtszüge des Soldaten entglitten ihm. Seine unteren Lefzen verloren den Halt zu den Oberen und es trat nicht nur Schock in seinen Blick. Seine hellen Augen hefteten sich auf die Waffe, als hätte diese ihn tieftraurig gemacht. Dabei war es seine Legionärin, die ihn traurig machte. Nouka wich nicht zurück, fand keine Worte zum Protest, als hätte er diesen Wunsch schon lange in Lautschuss’s Augen gesehen. Er kannte sie gut. Hätte sie gerne so viel besser gekannt.


Die Hyäne lachte.
Lauter.
Der Kopfschmerz hämmerte.
Schneller.


Das Weibchen trat näher an das Männchen heran, nahm schließlich mit einer wirschen Bewegung seine rechte Pranke in ihre Linke und führte sie zum Griff der Pistole.
Wie in Trance griff Nouka Nachtschuss zu, sein huschender Blick war seit Minuten an der Waffe haften geblieben und weigerte sich, sich davon wegzubewegen.
„Das ist ein Befehl… Nouka.“
Die Worte waren nur ein Flüstern. Fern von jedem Lebensmut und Glück. Unterbrochen vom Kichern der Hyäne.
Der rechte Arm des Soldaten wurde schwer und der Lauf der Pistole sank nieder, sodass er gen Boden zeigte.
„Warum… ich… Ich kann nicht.“
„Es ist alles geregelt, Soldat. Nun führe deinen Befehl aus.“
Der weiße Eisensoldat zögerte. Eine Enge befiehl seine Lungen, schnürte sein Herz zu. Es war still in dem Büro im Kanton der Zitadelle. Ganz still. Bis auf das überforderte Atmen eines Eisen Soldaten und das flache Schnaufen einer Eisen Legionärin.
Es schien, als würden Stunden vergehen.
Das hellbraune Weibchen führte schließlich den rechten Arm Noukas wieder nach oben.
-Hässlich bist du! So schwächlich hässlich! Alle lachen über dich. Alle!-
Sie spürte den Widerstand in seinem Arm. Wie er sich dagegen wehrte, die Waffe wieder zu heben.
Doch sie schaffte es. Rückte so nah an ihn heran, dass sie das Eisen der Waffe gegen ihre Brust und den Atem des Männchens auf ihrer Schnauze spürte.
Noukas sonst so schwirrender Blick wanderte schließlich ins Antlitz seiner Legionärin.
Sie blickte zurück.


Der Kopfschmerz hämmerte.
Der Blick flackerte.


Legionärin Lautschuss drückte die rechte Pranke ihres Soldaten fester, die sich um die Waffe verkrampft hatten. Sie wusste genau, wo welche Klaue bei der Waffe hingehörte.


Die Stimme flüsterte.
Die Hyäne kicherte.


Sie lehnte sich gegen das, was sich in ihre linke Brustseite bohrte. Ihre Schnauze lehnte gegen die ihres Soldaten und ihre Pranke und die von Nouka drückten zu.
Ein Schuss.
Ein Zucken.


Die Hyäne verstummte.
Das Flüstern erstarb.


Kommentare 2

  • Besser tot als Gladium? ;( War spannend und unvorhersehbar...und was am Ende passiert ist kriegt man ja auch nicht genau aufgetischt.

    • Vielen lieben Dank für dein Feedback :)
      Ja, besser tot als Gladium. Ich hoffe, es kam raus, dass die Legionärin Depressionen und psychische Probleme hat(te). Ja, sowas gibt's auch bei Charr!