Heimweg

Höchst konzentriert lief der großgewachsene Kerl durch die götterfelser Straßen. Jeder Schritt wurde sorgsam gesetzt, um bloß nicht zu viele Geräusche zu machen, oder gar eventuell umzuknicken. Die hellgrünen Augen suchten die Gebäude zu beiden Seiten ab. Irgendwo musste es doch sein. Er hatte es doch auch schon einmal gesehen, wenn auch nur von außen, aber genau das sollte ihm ja eigentlich nun helfen. Der Himmel wurde immer dunkler und von kleinen, manch gar winzigen Sternen bespickt. Da stopte der Kerl, mit dem Blick nach oben und suchte nach einen Stern, welcher manchmal rötlich zu schimmern schien. Doch kaum kam das warme Schaukelschiff zum Stehen, öffneten sich zwei dunkle Knopfaugen. “Luuuuc, nis haltööööäääääähhh“, gähnte Rosalie langgezogen und der Rest ihres Protests blieb in müden, schlummrigen Gedanken hängn. “Wir sind gleich da. Dann geht's ins Bett.“ Das Mädchen schlang erneut die Arme um seinen Hals und kuschelte sich an. Auch wenn ihm inzwischen fast die Arme abfielen war es längst zu spät um die Kleine die restlichen Schritte laufen zu lassen. Sie würde wohl am nächsten Blumentopf gelehnt einfach weiter schlummern. Somit ging es mit Kind und Hund um eine weitere Ecke und dann standen sie vor der Tür, ohne Nachnamen am Schild. Dennoch passte der Schlüssel und die bekannten Düfte von Keksen, sonstigen Gebäck und seinen Mädchen stiegen dem Löwensteiner da in die Nase. Luc musste sich kurz orientieren, aber für die Einrichtung interessierte er sich ohnehin nicht sonderlich, sondern nur dafür den kleinen Schrecken ins Bett zu bringen.


Nach etwas mehr als einer halben Stunde saß er am Kinderbett. Eine Hand hatte das Kind fest im Griff, welches ihre Wange an den warmen Handrücken drückte. Immer wieder fielen ihr die Augen zu, während der Kerl gleichbleibend mit sanfter, dunkler Stimme die Geschichte vorlas. Rosalie hatte sich etwas ausgesucht. Ein überaus bunter Einband mit merkwürdigen Schriftzeichen, die verzogen waren, gedruckt auf langen Bändern welche im Wind tanzten. Erst durchs Lesen bekam auch der Kerl raus, dass sich die Geschichte um einen Wander-Moa-Zirkus drehte. Das kleinste Küken wünschte sich so sehr zu fliegen... doch wie es das schaffen würde, würde Luc wohl erst beim nächsten Lesen herausfinden. Er klappte das Buch zu, was die Ohren des dunklen Hundes am Bettende in seine Richtung drehen ließ. “ Du bleibst hier. Gut aufpassen.“ Und wie zur Bestätigung schnaubte das Tier leise aus und ließ sich dann auf die Seite fallen.


Die Küche war ungewohnt und fremd. Es war merkwürdig in den Schränken zu schauen und Tassen und Kräuter zu suchen. Allein für die Teekanne brauchte er eine gefühlte Ewigkeit. Doch als er endlich alles zusammen hatte erkannte er die Gemütlichkeit in der kleinen Wohnung. Mit zwei Tassen und der Kanne ging es auf Platzsuche. Das Sofa wollte ihm nicht so recht gefallen, also gings doch direkt ins Bett - wo er auf sein Reh wartete und den Rest des Kinderbuchs las.

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