Spiegel

Himmelblaue Iriden leuchteten ihm entgegen, als sein schneeweißes Gesicht sich der glatten Oberfläche näherte und er einen ansehnlichen Jüngling mit nachtschattendunklem Haar erkennen konnte, der ihn charmant anlächelte. Arvid war zufrieden mit seinem Äußeren – aber damit das so blieb, musste er etwas tun. Es störte den Burschen nicht, dass er im Gegensatz zu manch anderem Novizen manchmal eine halbe Ewigkeit im Bad- und vor dem Spiegel verbrachte. Die feingliedrigen Finger strichen die schwarzen Strähnen aus dem Antlitz, welche sich gelockert hatten, und gaben somit den Blick auf feine, dunkle Augenbrauen frei. Ohne sich umdrehen zu müssen, erkannte der Raylin anhand der Reflexion, dass die Tür hinter sich geöffnet wurde und ein älterer Herr eintrat. Groß, stattlich gebaut – und dennoch war das Haupthaar schon leicht ergraut und das schöne Braun glich immer mehr einer verblassenden Erinnerung.
„Puh, ist's hier gerade heißer im Raum geworden?“, säuselte der Kormirgläubige mit einem frechen Grinsen, während er sich etwas zurücklehnte und mit dem Zeigefinger den Kragen des hochwertigen Hemdes lockerte, um sich spielerisch Luft zuzufächeln, „oder liegt das an Euch?“
Der Mann blinzelt ein paar mal irritiert, ehe er einmal kräftig auflachte und dann kopfschüttelnd näher an den Jüngling herantrat: „Du bist ein Spinner. Wirklich. Ein riesiger.“
„Hmmmh, aber ein gutaussehender“, fügte Arvid noch schmunzelnd hinzu und zog eine kleine, silberne Pinzette aus der Schublade neben sich hervor, die er vorsichtig an die schwarzen Augenbrauen führte und einmal probeweise, wie eine Krabbe mit ihren Scheren, schnappen ließ.
Warme, braune Seelenspiegel beobachteten ihn dabei, als sein Vater sich schließlich auf den Rand der weißen Wanne setzte und einen Flachmann aus der kleinen Manteltasche holte. Während er die flache Schnapsflasche aufdrehte und ihm zunickte, raunte er mit der kratzigen Stimme: „Deine Hände, Junge.“
Aufmerksam musterten die hübschen Augen den Herrn mit dem Alkohol in der Pranke durch die Spiegelreflexion, ehe sie die eigenen Hände besahen. Nahezu strahlend weiße Haut leuchtete Arvid entgegen – doch taten viele kleine, bräunliche Flecken und Punkte dem eigentlich angenehmen Anblick Abbruch.
„Altersflecken – die Geschichte kennt Ihr doch schon“, unbekümmert ließ er die schmalen Schultern zucken und widmete sich wieder der Pinzette und seinen Brauen.
„Habt Ihr Angst, dass ich schneller altere als Ihr? Keine Sorge, so viele Falten und graues Haar wie Ihr, habe ich noch nicht“, spottete der dürre Bursche nachträglich mit einem selbstsicheren, provokativen Grinsen ohne dabei den Vater direkt anzusehen.
Der Mann hielt inne und nahm keinen Schluck aus dem Behältnis, sondern schnaubte stattdessen einmal entschieden aus: „SO alt seh' ich auch nicht aus. Jedenfalls hat sich noch keine Frau darüber beschwert. Apropos, heute habe ich wieder Besuch.“
„Wann habt Ihr den mal nicht?“, stellte sein Sohn die rhetorische Frage und seufzte einmal leise, dann hob er die freie Hand und winkte sachte ab, „schon gut, schon gut. Ich wollte heute eh zurück. Ist es diese Anna, von der Ihr geschrieben hattet?“
Mithilfe der Pinzette zupfte der Novize sich konzentriert das überflüssige Brauenhaar aus dem Gesicht und verzog dabei keine Miene, doch der irritierte Ausdruck seines alten Herrn ließ ihn amüsiert aufatmen.
„Anna?“
„Anna.“
„Achso. Die. Das ist doch schon Ewigkeiten her. Heute kommt Mina.“
„Ihr seid unglaublich“, sachte schüttelte nun Arvid das schmale Haupt, „aber viel Spaß.“
Sein Vater schien innerlich mit sich selbst zu ringen, dann ließ er den Flachmann zurück in die Tasche gleiten und stand mit einem betroffenen Blick in den Augen, auf. Er wartete, bis der Kormirgläubige sein Werk beendet hatte und die Pinzette wieder verstaute, um ihm anschließend die große Hand auf die knochige Schulter zu legen.
„Heh, pass gut auf Dich auf und komm mich bald wieder besuchen. Ich mag den Gedanken nicht, dass mein einziger Sohn so weit entfernt von mir bei den Zentauren und Banditen rumspringt“, brummte er kleinlaut, als wollte er seine Sorge nicht geltend machen.
Arvid sah ihm durch den Spiegel in die tiefdunklen, unruhigen Augen, fast etwas überrascht, ehe er erneut schmunzelte: „Werde ich tun.“
„Und grüß mir die kleine Cait.“
„So klein ist sie gar nicht mehr“, wisperte der Jüngling plötzlich und ihm wurde auf einmal seltsam warm in der schwachen Brust.







Eisblaue Iriden starrten ihm entgegen, als sein blasses, kränkliches Gesicht sich der glatten Oberfläche näherte und er einen entstellten Jüngling mit rotem Haar erkennen konnte, der betrübt die verunstaltete Gesichtshälfte mit den Fingern entlangfuhr. Owen vermied es eigentlich, in Spiegel zu sehen und wäre den Gegenstand am liebsten losgeworden, doch fürchtete er die Fragen seines Lehrmeisters, wenn plötzlich ein Objekt fehlte. So besoffen wie der Herr auch ständig war, so genau achtete er auf jeden Fehltritt seines Lehrlings. Und davon gab es reichlich. Die rote Brandnarbe fühlte sich nahezu ledern- und gespannt an, sodass jede Berührung mit Bedacht getan werden musste. Zu viel Druck reizte die zerstörte Haut und schmerzte. Wenn man ganz genau hinsah, war zu erkennen, dass die Wimpern des lädierten Auges fehlten. Sie waren nicht mehr nachgewachsen seit dem Vorfall. Wirklich gestört hatte das den Kerl nicht. Wem fiel so etwas schon auf? Aber vielleicht war das fehlende, rote Haar an dieser Stelle auch schuld daran, dass ihm das Auge oft durch den Dreck oder Schweiß tränte. Die Hände sanken kraftlos herab, als der schmutzige Bursche einen Schritt zurücktrat und das gesamte Gesicht betrachtete. Hager und lang wirkte es. Hohe Wangenknochen saßen unter schmalen Seelenspiegeln und nur der kantige Kiefer kontrastierte mit den spitzen Lippen und der restlichen Dünne des Antlitz'. Ein paar dunkle Bartstoppeln waren ebenfalls unregelmäßig gewachsen. Sie glichen in ihrer Färbung noch lange nicht dem wüsten Haupthaar, das viel zu lang war, und würden wohl erst später wirklich rot werden. Dahingehend verhielt es sich ähnlich wie mit den überraschend feinen Augenbrauen. Owen konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie er ohne die Narbe aussähe, auch wenn er sich auf alles andere versuchte zu konzentrieren. Die leicht spitz zulaufenden Ohren, die schmalen Nasenflügel, die blasse Haut, durch welche sachte die blauen Adern schimmerten. Bei den Göttern – war er hässlich.
Und verdammt nochmal. War das ein Pickel? Der schlaksige Riese war keiner der Jugendlichen, die ständig von den unappetitlichen Entzündungen heimgesucht wurden, und trotzdem hatte es ihn erwischt. Vermutlich hätte er die kleine Erhebung nicht einmal bemerkt, wäre sie nicht durch sein ständiges Kratzen am Kinn gerötet worden. Ärgerlich brummelnd machte der Jüngling wieder einen Schritt auf den Spiegel zu und legte unter einem konzentrierten Blick die langen Zeigefinger an die eitrige Hautunreinheit. Ganz vorsichtig, er musste nur noch…
Die Haustür im unteren Stockwerk wurde derart geräuschvoll aufgerissen, dass die dünnen Wände schepperten und sich der Lehrling so furchtbar erschrak, dass er fluchend mit den dürren Händen abrutschte und sich ungewollt die Nasenspitze aufkratzte.







Eisblaue Iriden blickten ihm entgegen, als sein dreckiges Gesicht sich der glatten Oberfläche näherte und er einen stattlichen Kerl mit strähnigem, rostbraunem Haar erkennen konnte, der ihn nachdenklich anstierte. Isaak verstand es einfach nicht. Er mochte voller Dreck- und ungepflegt sein, aber hässlich war er nicht. Und schlecht schon gleich gar nicht.
„Sie verpasst was“, stellte der ungewaschene Mann fest und nickte sich bestätigend im Spiegel zu, „was Gutes.“
„Isaaaaak“, maulte eine Frauenstimme plärrend und er konnte erkennen, dass sie sich angestrengt im Bett umdrehte und das Kissen auf die flachen Ohren presste.
Er fuhr sich mit den Fingern das stoppelige, starke Kinn entlang und lauschte lieber dem schabenden Geräusch, das dabei entstand, als dem nörgelnden Weibsbild. Sie zeterte leise und ließ ihn die schmalen Augen verdrehen, ehe er ein unfreundliches „Was?“ in den warmen Raum warf.
„Musst du jetzt echt aufsteh'n und dich im Spiegel anschauen? Es ist mitten in der Nacht“, sie drehte sich vollständig um und schob das weiche Kissen hoch, um ihn mit ihren großen, grauen Augen anzusehen. Das blonde, schöne Haar fiel ihr in leichten Strähnen über die nackten, leicht gebräunten Schultern, während sie fröstelnd ihr weißes Nachthemd richtete.
„Wenn du mir nich' antwortest, antworte ich mir selbst“, brummte der Übelriechende überzeugt, während sie sich auf die Anschuldigung hin irritiert zeigte.
Die Frau richtete sich angestrengt von dem Bett auf und unterdrückte ein schwaches Gähnen, als sie auf ihn zuschritt und offenkundig dem Drang widerstand, die bereits heruntergebrannte Kerze einfach zu löschen. Die weißen Hände betteten sich sanft auf den starken Schultern, während die Fingerspitzen behutsam über die raue Haut strichen und die zarten Lippen ihm kurz den Hals küssten. Sie ekelte sich schon lange nicht mehr vor den krustigen, nahezu schwarzen Dreckschichten. An den Geruch und den Geschmack des Kusses hatte sie sich auch gewöhnt.
Aber es war nicht das Gleiche. „Ich habe dir wohl nicht zugehört. Tut mir leid. Denkst du schon wieder über diese Imae nach?“
„Ich versteh's nicht“, murrte der Kerl erneut und verblieb regungslos, ehe er in den Spiegel sah und sie aufmerksam mit einem angespannten Blick beobachtete.
„Was?“
„Wie konnte sie jemanden wie mich versetzen? 'ch hab alles richtig gemacht. Ich war mir so sicher, dass das das Weib wird, mit dem ich Kinder habe und alt werde.“
Ihre Finger zuckten leicht und die streichelnden Bewegungen auf seiner hellen Haut wurden langsamer. Ihr Magen zog sich zusammen und sie versuchte sich ihre Kränkung nicht ansehen zu lassen. Stattdessen lächelte sie lieber wieder brav mit den vollen Lippen und säuselte: „Das ist Jahre her, Isaak. Vergiss sie endlich. Du hast was Besseres verdient.“







Limettengrüne Iriden sahen ihm entgegen, als sein holziges Gesicht sich der glatten Oberfläche näherte und er einen gelben Sylvari mit orangenem Blattwerk erkennen konnte, der ihn ratlos anblinzelte. Eucarulus wusste nicht so recht, was Amalia mit den vielen Farben vor ihrem Spiegel tat. Er wusste, dass die Menschin sich gerne bunt damit anmalte, aber wozu brauchte sie so viele? Die kräftigen Finger befühlten das Behältnis mit schwarzer Farbe. Das trug sie doch auch nie.
„Ihr wisst wirklich nich', was'ch mein, oder?“, die löwensteiner Schmiedin kam unangekündigt zur Tür hinein, in der sie vorher stand, und schnipste dem riesenhaften Blattkerl kurz mit dem Zeigefinger und einem kecken Grinsen gegen die rindige Wange.
Verwirrt starrten die hellen Augen das sommersprossige Gesicht umrahmt von den kupferroten Haaren an: „… Ihr tragt die nie.“
Sie streckte die rosa Zunge heraus und nahm ihm die schwarze Farbe aus der Hand, als sie geschickt den Deckel abschraubte und den Zeigefinger in das Pulver drückte.
„Eben“, kicherte sie und tippte dem Sylvari an die spitze Nase, sodass eine dunkle Stelle zurückblieb und er überrascht orange aufleuchtete.
„Ich habe sie für den Fall dabei. Aber gesagt habe ich Euch, Eucalein, dass Ihr mir die BLAUE bringen sollt“, sie stellte das Glas wieder beim Spiegel ab und griff nach einem anderen Behältnis, das sie provokant vor ihm in der kleinen Hand schwenken ließ.
„So? Tatsächlich?“, hakte der Lehrling etwas verlegen nach und glühte erneut hell auf.
„Ihr habt sooo schöne Ohren – Ihr solltet sie auch benutzen, hmh?“, die Menschin zwinkerte ihm zu, steckte die kleine Ampulle in ihre Hosentasche und spazierte pfeifend zur Tür hinaus, wissend, dass Eucarulus ihr folgen würde.








Hellgrüne Iriden schauten ihn an, als sein gebräuntes Gesicht sich der glatten Oberfläche näherte und er einen drahtigen Jüngling mit kohlrabenschwarzem Haar erkennen konnte, der nervös seinen braunen Mantelkragen richtete. Erasmus wurde immer nachgesagt, er sähe seinem Vater in jungen Jahren verwechselnd ähnlich. Aber eigentlich war es dem Löwensteiner lieber, hätte er stattdessen Eloquenz und Erfolg des alten Grimmwalds geerbt.
„Ganz ruhig“, sprach sich die tiefkehlige Stimme zu und erneut wurde aufgeregt an dem Leder herumgezogen, „das wird schon.“
Er öffnete ein kleines Fläschchen und rieb ein dezent riechendes Duftwasser über die dunkle Haut am Hals. Er war vor Unsicherheit schon wieder komplett nassgeschwitzt – aber jetzt fehlte dem kleinen Hafenarbeiter die Zeit, sich noch einmal zu waschen. Wie hatte sein Vater nur immer so selbstbewusst auftreten- und damit auch durchkommen können? Oft wünschte sich Erasmus, der riesenhafte Mann würde wie damals hinter ihm stehen, ihm die breite Hand auf die Schulter legen und ihm einen schlauen Spruch auf den Weg mitgeben. Entschieden schüttelte der Schwarzhaarige das Haupt und kratzte sich kurz das bärtigen Kinn: „Das lenkt dich jetzt nur ab.“
Er imitierte den strengen Blick seines Vaters im Spiegel, um sich zusammenzureißen und nickte abschließend. Das Bewerbungsgespräch würde schon funktionieren. Als er die Holztür zu seiner kleinen Wohnung abgeschlossen hatte und gerade die Treppe hinabgehen wollte, vernahm er plötzlich ein leises Weinen von der anderen Flurseite. Unschlüssig, was er nun tun sollte, starrten die hellen Seelenspiegel hinab und er nahm die erste Stufe, nur, um anschließend doch zu der anderen Wohnung zu gehen und vorsichtig anzuklopfen. Kaum dass Erasmus' Fingerknöchel das Holz berührten, öffnete sich die knarzende Tür von selbst.
„Hallo?“, rief er in den Gang hinein und erhielt keine Antwort, sodass er unsicher ein paar Schritte in den ersten Raum hineinmachte.
Dort saß die alte Emma in ihrem Schaukelstuhl, die Brille auf der Nase und ein paar Briefe in den zittrigen Händen. Ihr Gesicht war gerötet vom Weinen und die Dame schluchzte ganz furchtbar.
„Wo ist mein Walter?“, jammerte sie flehend, als sie Erasmus an der Tür entdeckte.
Der Löwensteiner wusste, dass die betagte Frau an einer furchtbaren Erkrankung litt, die sie langsam alles vergessen ließ. So hatte sie wohl die Briefe gelesen und sich gefragt, wo ihr Mann all die Jahre über geblieben war. Der Jungspund wusste, dass die Zeit drängte, aber er konnte es nicht übers Herz bringen, Emma einfach zurückzulassen.
Erasmus verbrachte den restlichen Abend an der Seite seiner Nachbarin, ihr mitfühlend von dem Tod ihres Walters schildernd und sie in den Arm nehmend. Mit einer erneuten Vorstellung seiner selbst verließ er erst spät nachts die Wohnung.

Kommentare 10

  • Jetzt hab ich es auch mal gelesen und jetzt bin ich noch neugieriger auf deine Charaktere als vorher schon. MEEEEEHR davon bitte!

  • Also ab Nummer 4/Sylvisage hatte diese Wiederhoung dann was witzig/komisches. Hätte noch ein Narzisst gefehlt der sich in einem See anstarrt. X) Kenne nicht alle Charaktere, aber schön Art um sie vorzustellen.

    • Wobei die Herrn vor Nr. 4 auch nichts wirklich Ernsthaftes vor dem Spiegel veranstaltet haben. *g* Und ich hoffe eigentlich nicht, dass Einer von ihnen bald vorm See hockt und zufällig ertrinkt.
      Danke dir für's Lesen! :)

  • Ich liebe Arvid. Wirklich. Er ist einfach... einfach Arvid eben und dieser kleine Satz zu Cait am Ende *hachz*
    Diese Ausschnitte, aus deinen Charakteren und ihr Leben, find ich wirklich toll. Mehr bitte!!!

  • Auch hier von mir ein dickes "LIKE". Ich finde, deine Charaktere bekommen so Gesichter und man hat ein Bild vor Augen. In Isaaks Fall nun kein besonders attraktives Bild, aber ein Bild. <3


    Oh. Und mehr davon. Bitte. :)

    • Danke dir für deinen lieben Kommentar! *drückt*


      Aber Owens Bild sollte eigentlich auch nicht unter "attraktiv" fallen. *g*

    • Da hast du Recht. Da ich aber diesen Charakter ein wenig kennengelernt habe, wollte ich das nicht extra erwähnen :D ;)