Alltag

„Mamaa! Maaaaaamaaaaaa!“ Arlassia runzelte die Stirn und widerstand der Versuchung, sich einfach die Decke über den Kopf zu ziehen. Stattdessen quälte sie sich aus ihrem warmen und gemütlichen Bett, tapste barfuß zur Tür und sah sich dort noch einmal sehnsüchtig nach ihren Federn um. Es nützte nichts. Rosalie war wach, putzmunter und wollte aus ihrem Gitterbett. Und das aber zackig! Zumindest verriet das der fordernde Tonfall des kleinen Mädchens. Müde und auf nackten Sohlen, mit völlig verwuschelten Haaren und im Hemd ihres Liebsten schlich die Liese zum Zimmerchen ihres kleinen Mädchens und öffnete die Tür. „Auf! Mama!“ fröhlich zwitschernd wurde sie vom Lockenköpfchen begrüßt und sofort fiel die Müdigkeit von ihr ab. „Guten Morgen, Röschen. Na? Du hast ja gute Laune heute.“ lachte die Liese und hob ihr Kind auf den Arm. Rosalie quietschte und schlang die Ärmchen um Mamas Hals. „HAMM!“ war das nächste was das Mädchen von der Mutter forderte. Arlassia musste lachen. Rosalie war ein kleiner Vielfraß und einfach nur ein Sonnenschein. Manchmal noch überkam sie die Angst sie würde dem Kind nicht gerecht werden. Aber diese Momente wurden weniger. Ein Umstand den sie sehr begrüßte.


Rosalie saß in der kleinen gemütlichen Küche auf dem Boden und stapelte Bauklötze, während Arlassia das Frühstück für sie beide bereitete. Es war ihr wichtig, den Morgen so mit Rosalie zu beginnen. Später hatte sie wieder viel zu tun und deshalb genoss sie die Morgenstunden besonders. Sie wendete den Pfannkuchen in der Pfanne und ärgerte sich. Ein ganzes Kilo Nougatpralinen. Weshalb hatte sie zugestimmt, diese Menge in zwei Tagen fertig zu stellen und dann auch noch auszuliefern? Sie musste lernen, auch mal nein zu sagen. Die Nougatherstellung war einfach zeitintensiv und anstrengend zugleich und nun ärgerte sich die Dunkelhaarige über sich selbst. Heute mussten die Pralinen noch mit feiner Bitterschokolade überzogen werden und am Abend würde sie das Naschwerk zur genannten Adresse bringen. Sie hob Rosalie vom Boden auf und platzierte das Mädchen im Hochstuhl. Ihre Arme waren lahm und taten weh und den kleinen Brocken zu heben, entlockte ihr einen kleinen Schmerzlaut. „Mamaa? Au? Rosa pust!“ und schon tat das kleine Ding das, was sie angekündigt hatte. Sie pustete um das Wehwehchen ihrer Mutter zu vertreiben und Arla gab ihr einen Kuss auf die hübschen dunklen Locken und wieder spürte sie dieses warme Gefühl tiefer Liebe zu ihrem Krümelmonster. Jetzt waren die Pfannkuchen im Fokus des Kindes und schon grabschten die kleinen Finger danach. Arlassia genoss ihren Milchkaffee und beobachtete Rosalie beim frühstücken. Die Sonne schien ins Küchenfenster und tauchte ihren Lieblingsraum in der neuen Wohnung in einen hübschen goldenen Schimmer. Sie mochte den Blick auf das Fenster besonders. Ihr kleiner Kräutergarten auf der Fensterbank zwischen den dezent karierten Gardinen verströmte einen aromatischen Duft und Arlassia lehnte sich in ihren Korbstuhl zurück. Noch ein paar Minuten, dann würde sie anfangen. Rosalie plapperte munter in ihrer Kleinkindersprache, während sie den zweiten Pfannkuchen verputzte und Arla ließ sich einfach berieseln.


Nachdem der Tisch abgeräumt, das Kind und die Mutter gewaschen und angekleidet waren, machte Arlassia sich an die Arbeit. Rosalie war wieder mit ihren Holzklötzen beschäftigt und Arla schmolz die Bitterschokolade langsam und vorsichtig im Topf auf dem Herdofen. Sie summte bei der Arbeit und mit einem Mal spürte sie, wie Rosalie sich an ihrem Hosenbein hochzog. „Singt, Mama!“ Arla schmunzelte. „Ja, Röschen. Mama singt.“ Sie hob die Kleine auf den Arm und erklärte dem Mädchen was sie tat, während sie die Pralinen mit der Schokolade überzog. Rosalie wollte ihr natürlich immer wieder in die Arbeit grabbeln, doch Arlassia wusste das zu verhindern. Sie tupfte dem Kind einen Schokoladenklecks auf die Nase und lachte. Und schon war es Zeit dafür das Mittagessen zu bereiten. Sie unterbrach die Schokoladenarbeit und kümmerte sich nun darum. Wenn Röschen Mittagsschläfchen hielt, musste sie sich um die Geschäftsbücher kümmern. Diarmai und sie teilten sich die Schreibarbeit so wie sämtliche Arbeiten die das Herzlich von ihnen forderte. Seit sie den zweiten Laden in Beetletun eröffnet hatten, war es logischerweise doppelt so viel.


Rosalie schlief und Arla brütete über den Büchern. Sie konnte nicht von sich behaupten diese Arbeit zu favorisieren, doch musste sie getan werden. Gerade als sie die letzten Zahlen auflistete, schweiften ihre Gedanken plötzlich ab. Sie sollte sich um einen Lehrer kümmern. Jemand der ihr beibrachte, das Feuer in sich zu kontrollieren. Noch hatte sie nur Lucius davon erzählt und die Tatsache diese magische Begabung in sich zu haben war für sie noch völlig fremd. Sie schüttelte den Kopf und konzentrierte sich wieder auf ihre trockene Papierarbeit. Nicht eine Minute zu früh, denn da ertönte schon wieder das kräftige Stimmchen ihrer Tochter, welche aufgewacht war. Arlassia richtete sich auf, drückte ihren Rücken durch und atmete einmal tief, ehe sie rief „Ich komme Röschen!“


Endlich waren alle Pralinen fertig und Arla hoffte inständig, sie würden bis zum Abend trocken sein. Rosalie wurde langsam ungeduldig und Arlassia dankte insgeheim dafür, das ihr Kind erst jetzt ihre Ungeduld zeigte. Sie zog ihr die festen Sandalen an und ging mit ihr vor die Tür. So gern würde sie wieder viel mehr an der frischen Luft sein mit dem Kind, doch ihr Alltag forderte nunmal etwas anderes. Sie passierten das Stadttor und Rosalie hopste wie ein aufgeregter kleiner Frosch auf den Wackelbeinchen an der Hand ihrer Mutter. Das Reh verhinderte einige Male einen Sturz, ließ ihr Kitz jedoch gewähren. Manchmal drängte sich ihr die Frage auf, ob sie Rosalie zuviel durchgehen ließ. Sie wischte den Gedanken fort und ihre Schritte führten Mutter und Tochter an den kleinen Bach im Tal. Sie liebte diesen Ort. Hier hatte sie sich in den Löwen verliebt. Den Mann, den sie schon Jahre gekannt hatte und dessen Anziehungskraft ihr nie verborgen geblieben war. Hier hatten sie Leuchtkäfer beobachtet und Arlassia griff nach den beiden Medaillons an ihrem Hals. Sie hatte es nicht für möglich gehalten, sie als Mutter mit einem kleinen Wirbelwind hatte einen großartigen Mann an ihrer Seite, der das Kind eines anderen Mannes annahm und liebte, als wäre sie sein eigen. Sie zog Rosalie die Sandalen aus, striff die eigenen von den Füßen und beide Mädchen, ein großes und ein kleines, tapsten durch den kühlen Bachlauf, spritzten ausgelassen mit Wasser umher und ihr Lachen hallte weit vom leichten Wind getragen über das Tal.


Nass und ausgelassen machten sich die beiden nach geraumer Zeit auf den Heimweg. Die Sonne stand schon recht niedrig und Arlassia nahm ihr Mädchen auf den Arm. Nun musste sie sich sputen. Rosalie musste zu Abend essen, die Kekse am Bach würden eine ordentliche und gesunde Mahlzeit nicht ersetzen. Ihr Herz tat nun freudige Hüpfer als sie sich der kleinen Behausung in der Melandruhochstraße näherte, denn die junge Frau erwartete Besuch. Kaum hatte sie Rosalie in der Küche abgesetzt und sich daran gemacht das Abendessen zu bereiten, klopfte es dreimal sacht an der Tür. Sie stob wie der Blitz an diese, öffnete sie und fiel dem Mann davor um den Hals. Aus der Küche krähte ein kleines Mädchen lauthals „Luuuuc!“

Kommentare 8

  • Einfach zuckersüß. Ich kann mich meinen Vorrednern nur in allen Punkten anschließen.


    Rosalie hat aber auch ein kräfitges Stimmorgan... oh man. *g*

  • <3
    Ich mag wie diese Geschichten immer schön enden, so ganz ohne Anzeichen von irgendetwas...schlimmen!
    Sowas ähnliches schreib ich auch grad.
    Singt!

  • Awwww ~
    Mir geht bei so was einfach nur das Herz auf. Ich kann mütterliche Gefühle natürlich nicht nachempfinden, aber ich habe eine kleine Nichte und irgendwie ist das ganz ähnlich, wenn die mal bei mir ist. Ich finds einfach toll, dass du diese Einblicke in das Leben der Liese gewährst und freue mich immer wieder mal davon zu lesen.

    <3

    • Vielen lieben Dank. Sie ist nunmal eine Heldin des Alltags. Ich freu mich, daß es dir gefällt.

  • Wie Röschen immer brüllt - ich muss jedes Mal schmunzeln.