Rum, Meer und Weiber

Luc riss die Augen auf.
Ein eiliges Drehen auf die Seite verhinderte, gerade noch so, dass er sich mit dem eigenen Erbrochenem besudelte. Leise plätschernd traf das Alkohol-Magensäure-Gemisch auf den Planken auf. Die gelbgrüne Pfütze schimmerte im schwachen Kerzenlicht so wunderschön, als wäre sie absichtlich hier platziert worden. Wie kleine Sterne reflektierten sich die Flammenspitzen im Kotzepfützchen, wie Sterne im Meer. Doch die Ruhe des Pfützchens wurde unterbrochen von schaukelnden Wellen, welche das Schiff in ihren schaumigen Armen wog, wie eine Mutte ihr Neugeborenes. Nur einen kleinen Spalt öffnete der Löwensteiner den Mund, als der bittere Geschmack bereits wieder über seine Zunge kroch und an der Unterlippe, in kleinen diamantglitzernden Tropfen, hinab fiel. Plitsch. Platsch. Tropf. Mit dem Handrücken wischte sich der Kerl den letzten Tropfen von Mund, eh das schwere Würgen begang. Der Brustkorb drückte sich schmerzenend zusammen, als der Magen krampfte und versuchte noch mehr seines Inhalts nach oben zu befördern. Einatmen, würgen, krampfen und versuchen wieder einzuatmen. Luc hasste es. Das Gefühl den eigenen Körper nicht unter Kontrolle zu haben. Jetzt lag er da in der kleinen Kajüte, Salzwassergeruch und Kotze in der Nase und wünschte sich einen leeren Verstand. Doch dieser war voll. Zwar dank Rum in die flauschigste Watte der Welt gepackt, aber voll. Es fühlte sich an als würde eine ganze Horde von wolligen Langhaardolyakkälbern mit seinen Gedanken Wettkugeln spielen. Mit jedem Wiegen des Schiffes nach links und rechts rollten die Gedanken von einem Weib zum Andern. Weiber! Sie waren Schuld an seiner Übelkeit, nicht das Meer, oder der Rum. Beides tat ihm schon immer gut. Weiber nicht. Die taten einem nie gut. Warst du ein adliger Bursche, wollten sie deinen Ruf, deinen Namen und dein Anwesen. Warst du ein Kaufmann wollten sie dein Geld, deinen Namen und Kleider, welche sie nie trugen. Warst du ein Bauer wollten sie deinen Hof, deine Ochsen und dein Land und warst du ein Bettler... wollten sie auch deinen letzten Kupfer.
Und was machten die Männer? All das. Sie gaben ihren letzten Kupfer, ihr Land, ihr Geld und ihren Namen. Weil Männer alles für ihre Frauen taten. Weil sie wunderschön waren und begehrenswert, Haut besaßen so weich wie Seide, makellos und rein. Und wenn sie Kinder bekamen wurden sie gleich nochmal schöner. Eine Frau die ihr Kind in den Armen hielt... unendliche Liebe. Und Männer? Standen daneben und waren stolze Deppen, denn jetzt liebten sie die Frau nur noch mehr. Liebe...
Noch so etwas was Luc versuchte zu ertränken, mit Rum und Wettrollball spielenden Dolyakkälbern.
Warum bekam er das Weib mit den dunklen Haaren nicht aus dem Kopf? Warum musste sie auch all das machen? Konnte sie sich nicht ein bisschen zusammen reißen? Nein, konnte sie nicht. Und er hasste das, aber er liebte es auch. Sie war wie das Meer, stürmisch, tosend, aufbrausend, unergründlich, wunderschön und auch mal ruhig. Sie wusste genau um seine Liason mit der Blonden, an der er so lange zu Nagen gehabt hatte. Und was machte das Weib? Ihm ein schlechtes Gewissen, mit ihren blauen Rehaugen! Das war doch Bestechung! Da stehen, gut aussehen und das Kind dabei haben. Das Kind steckte doch mit ihrer Mutter unter einer Decke!


Schnaubend drückte sich der Kerl ins Sitzen hinauf und verjagte mit einem Kopfschütteln die überaus bekloppten Gedanken. Herzschmerz, mehr war es nicht. Und der würde vorbei gehen, wenn er nur auf Abstand blieb, viel arbeitete, reiste und sich mit dem Meer und Rum beschäftigte.


Der Löwensteiner verließ schwer stapfend seine Kajüte, um ans Deck zu gehen. Frische Luft würde die Weiber aus seinen Gedanken wehen und seine krampfenden Magen beruhigen.
Auf halber Treppe stolperte Kai in ihn hinein. Groß und verdutzt die grünen Augen, welche ihm da entgegen stierten.
“Herr Quessar? Ich glaube sie haben da Kotze am Kinn?“
“Das nennt man Liebe, Junge... Liebe.“

Kommentare 18

  • Oh ja...das muss Liebe sein! Nur die Liebe zu einem Weib lässt einen so tief fallen.
    Wieder absolut wunderbar geschrieben. <3
    (Am Besten fand ich die wolligen Langhaardolyakkälber <3

  • Klar. Rosalie ist die Durchtriebenste von allen mit ihren zwei Jahren ;) Schlimm diese Weiber.

  • Tja, auf den Weiten des Meeres wird einem so manches bewusst! Und natürlich gehört dass in einer ordentlichen Menge Whis.... ich meinte Rum ertränkt!
    Arrr!


    "Das nennt man Liebe, Junge... Liebe."
    hat mich übrigens sehr erheitert :D

  • ARRR! Wir sind Löwensteiner, wir müssen saufen und kotzen, das ist Teil unserer Kultur. In diesem Sinne: Prost!


    (Okay mit Aedan's Avatar ist das zu tippen ein bissl weird, ABER du weißt es kommt von Ros!)

  • Sag mal fahren die jetzt alle nach Elona hier? x) *wieder Lucius of Elonia Ohrsandwurm hat*


    Und Kotze ist auch Kunst, hat mal eine irre Gestaltungsprofessorin gesagt.

  • Durch diesen Text ist mir Erbrochenes sympathischer nun, als Frauen. Schöne, glitzernde Funkelkotze. *g*
    Scherz beiseite!
    Die Geschichte ist gut- und besonders anschaulich geschrieben. Es entsteht ein sofortiges Bild im Kopf und das sagt in etwa: "Ieh!" Der kleine Einblick vom Löwen hat sich sehr flüssig und fein gelesen. :)


    PS: Sogar Lucs Kotze ist schön!! :P

  • Diese wunderschöne Beschreibung von Erbrochenem. Herrlich! :D
    Weiber. Denen kann man es doch nie recht machen.
    Sehr schön übrigens, einen Einblick in die "andere Seite" zu erhaschen. ;)

    • Erbrochenes kann auch seine schönen Seiten haben ;)
      Ich dachte es wird mal Zeit einen winzigen Einblick zu ermöglichen. Freu mich das du ihn gelesen hast <3

  • "Das nennt man Liebe, Junge... Liebe." Schönes ende *grinst*