Fasskeilerei

Das Holz erzitterte, als das gefüllte Fass über die Planken der Rutsche rollte und an Geschwindigkeit gewann. Die gesamte Konstruktion, die die Brauerei auf dem Gletscher mit dem gefrorenen See verband, vibrierte und bebte, bis das Fass das Ende der Rutsche erreichte und seinen Freiflug begann. In schlingernder Stille wirbelte es durch die Luft, setzte nach Kurzem seinen Sinkflug an, wo es bereits von drei sich rangelnden und schubsenden Norn erwartet wurde. Tatze, ein gewaltiger Hüne, war es der dem Weib an seiner Seite einen solchen Stoß gab, dass sie auf das Eis fiel. Mit einem lauten Grunzen nahm er das tingelnde Fass einhändig an, griff aber direkt mit der zweiten Hand nach, um es auch ja nicht zu verlieren. Seinen Gegner, welcher vier Köpfe kleiner war als er, ignorierte er einfach und rempelte ihn unsanft aus dem Weg. Tatze war nicht schnell, doch einen Schlag dieses großen und breiten Norn steckte niemand so einfach weg.
Sie spielten bereits eine geraume Zeit, denn mittlerweile stand es Neun zu Zehn für die Wendigen Wölfe. Die Hoelbraker Pranken lagen zurück und sollten die Wölfe noch einen Treffer erlangen, so war das Spiel beendet. Der Hühne griff das Fass fester mit den Händen und drehte den Oberkörper etwas ein. Wiesel, das hartnäckige Weib, wollte ihm das Fass direkt nach dem Wurf abluchsen und es aus der Luft pflücken, doch entschied Tatze um und drosch das Fass mitten in ihr Gesicht. Es krachte, Knochen brachen und das Weib taumelte blutend und fluchend nach hinten zurück. Tatze lachte grollend, holte aus und kegelte das Fass über das Eis. Es nahm Geschwindigkeit auf, preschte über die Fläche, direkt auf einen weiteren Norn zu, der ihm entgegenrannte.
Blutfresse war es, der dem Fass entgegenkam und der die Hände nach diesem ausstreckte. Klaue wollte ihn zur Seite rammen, doch kam Brecher ihm mit einem verheerenden Tackle zuvor und räumte den Gegner ab. Brecher selbst bekam im Anschluss einen Tritt in die Kniekehle, worauf er einknickte und seinem Mitspieler lautstark nachbrüllte. „FRESSE! DEN KREISEL! ...“ Weitere Worte wurden ihm mit einem derben Faustschlag Klaues verwehrt und nur kurz darauf prügelten sich Brecher und Klaue auf dem Eis, anstatt sich weiter am Spiel zu beteiligen.
Doch Blutfresse wusste mit dem Kreisel etwas anzufangen, wie auch der Rest der Hoelbraker Pranken. Er legte das Fass zwischen seine beiden Pranken und tänzelte etwas hin und her, bis er Stumpen endlich sah. Tatze, der sich in Bewegung setzte und dem Wiesel grad nochmal einen Schwinger mit der linken Faust verpasste, hatte ihm die Sicht versperrt. Nun aber holte Blutfresse mit dem Fass aus und lobbte es weit über das Feld, hin zu Stumpen. Dieser musste etwas zurück weichen und das Fass landete in seinen ausgestreckten Armen. Wie ein Kind hielt er es fest, wiegte es beinahe zärtlich.
Dann schepperte ein weiteres Fass über die Planken der Rutsche hinunter, um auf die letzten Augenblicke nochmal mehr Spannung in das Spiel zu bringen.
Flinkfuß und Feder rannten los über das Eis, um Tatze zuvor zu kommen und das neue Fass für sich zu erobern. Der Hühne stand schon wieder bereit, um das Fass zu fangen, doch schwang sich Feder ihrem Namen gleich hoch in die Luft und schlang Arme und Beine um seinen Arm, womit sie den Hühnen durch ihren Schwung zur Seite riss. Zwar nicht auf den Boden, aber immerhin etwas. Blutfresse, der das Fass losgeworden war, kam Tatze zu Hilfe, schaffte es aber nicht Flinkfuß das Fass vor der Nase wegzuschnappen. Sie fing es mit spielender Leichtigkeit aus der Luft, nachdem sie Tatzes massiges Bein als eine Art Treppe benutzt hatte. Lachend rannte das Weib davon, mit dem Fass unter dem Arm und Blutfresse ihr nach.
Wo sich Brecher und Klaue noch immer prügelten – Klaue schlug Brechers Stirn gerade frontal auf das Eis, was ihm mit einem beherzten Daumendrücker in das rechte Auge gedankt wurde – da begann Stumpen sich mit seinem Fass einzudrehen. Er wirbelte sich wie ein Tänzer drei, vier Mal um die eigene Achse und das Fass schoss zielgerade auf den eigenen Karren zu. Krachend landete es darin.


Es stand nun zehn zu zehn und das letzte Fass war schon unterwegs. In Richtung der Wendigen Wölfe.


„LOBB!“ Brüllte Fang über das Eis, der vor dem Karren der Hoelbraker Pranken hin und her wippte und mit kritischem Blick das Geschehen verfolgte. Und Hermelin schlawenzelte zudem nach wie vor um ihn herum. Er schien sich noch nicht entschieden zu haben, ob er abwarten oder noch loslaufen sollte. Als Antwort wagte Blutfresse einen Hechtsprung auf Flinkfuß, die kurz vorher einen Haken zur Seite geschlagen hatte. Sein Plan ging auf und er riss das wenige Weib von den Füßen, auf welchen er mit seinem vollen Gewicht landete.
Stumpen rannte los und Wiesel hinterher. Dieses Weib war drei Köpfe größer als der Kerl und er hatte Mühe, an ihr dran zu bleiben. Tatze befreite sich endlich von Feder, indem er ihr einen gepflegten Schlag zwischen die Augen – oder mehr ins gesamte Gesicht – verpasste und sie anschließend von seinem Arm riss. Es dauerte keinen Moment, da segelte das Weib zur Seite weg und landete unsanft auf dem Eis, worauf sich der Hühne selbst in Bewegung setzte.
Als hätten sie es schon viele, viele Male ebenso gemacht, holte Stumpen auf und streckte seinen Arm in Tatzes Richtung. Der Hühne grinste breit über das ganze Gesicht, packte den Arm und Stumpen sprang in die Luft. Wie zuvor das Weib, so lernte jetzt der kleine Kerl das Fliegen, als Tatze ihm den Schwung gab und er einige Schritt weit in rasantem Tempo Wiesel nachschoss. Sie, Blutfresse und auch Flinkfuß dämpften seinen Flug, als er ein abruptes Ende nahm. Es war gerade genügend Zeit für Tatze, sich so schnell er konnte über das Eis zu bewegen und Flinkfuß und Wiesel das Fass vor den Fingern wegzuschnappen. Die Mühe, weiter zum eigenen Karren zu gehen, machte sich der Riese gar nicht erst. Er packte das Fass, welches er mühelos hätte zerdrücken können, hob es über seinen Kopf und lobbte es hoch und weit. Das Fass flog steil hinauf, trudelte und begann seinen schlingernden und rudernden Sinkflug. Ein gefährlicher Wurf, der so manchem Fänger die Lichter ausschaltete und zudem von ungeübten sehr ungenau war. Dazu donnerte die Stimme des Kerls, die zwischen den Gletschern hallte. „FANG!“
Das Abwarten hatte sich gelohnt. Fang fixierte das Fass, verlor dabei jedoch auch Hermelin nicht aus den Augen, die sich neben ihn schob und ebenfalls in Position ging, um das Fass zu packen. Jetzt zählte es und das Fass kam wirbelnd tiefer. Hermelin rückte hin und her, sprang, als das Fass beinahe in Reichweite war, vor Fang und streckte die Hände aus. Da kam ein Tritt in ihren Rücken, der sie nach vorne drängte und die Finger Fangs schlossen sich um den Fassdeckel und Boden. Er nahm den Schwung mit, den er vom Fass bekam, drehte sich um und versenkte es im Karren.


Die Glocke ertönte, die Menge an Zuschauern, Schaulustigen und Betrunkenen johlte auf und das Spiel war vorbei.

„The Norn will not change simply because the Dwarves do not understand our ways.
I'd rather be hated for who I am than loved for who I am not.“

Jora

Kommentare 2

  • Super wenn bei einem Teamsport in dem auch mal gefangen wird jemand Fang heisst!


    Mit schneller leidenschaftlicher Sportkommentatorenstimme im Kopf gelesen.

    • Hallo?! NATÜRLICH wird gefangen! Was wäre das denn sonst für eine Geschichte. Pfah!
      Und das mit der schnellen leidenschaftlichen Sportkommentatorenstimme (was ein Wort...) übernehme ich das nächste Mal schon für's Schreiben.