Albtraum eines Genies


Brücke an Maschinenraum. Wir nähern uns den Koordinaten. Bereithalten für Gefecht.“ Die Stimme des Kapitäns klang blechern durch die Sprechanlage, während Zapp im Maschinenraum am Hauptterminal stand und auf dem Holoschirm vor ihm die Betriebsparameter der Götterdämmerung überwachte.„Verstanden. Mit eurer Erlaubnis Captain halte ich eine dauerhafte Sprechverbindung aufrecht. Für den Notfall.“ - „Einverstanden.“ Damit war es vorerst wieder ruhig. Zapp sah über die Schulter. „Alle Mann – bereithalten. Gut möglich, dass es gleich etwas… ungemütlich wird.“ Quippa hatte sich bereits an ihrer Station – der Turbinen- und Generatorenkontrolle – eingefunden. Auch die anderen Spezialisten der Maschinen-Kru beendeten nun ihre kurze Pause und gingen an ihre Stationen. Energieverteilung, Antriebskontrolle, Umweltkontrolle, Sekundärsysteme – eilig besetzten sie ihre Terminals und überwachten dann die daran gekoppelten Holoschirme. Zapp hatte seinen Blick derweil wieder auf den Hauptschirm gerichtet. Eine holographische Projektion des Schiffes zeigte ihm den Status der Schilde und der Außenhülle an. Alchemagische Sensoren auf dem ganzen Schiff erfassten zahlreiche andere Parameter wie Energieversorgung und Antriebsleistung.


Der Aufenthalt in Löwenstein war nur ein kurzer gewesen, und die Götterdämmerung war innerhalb von 3 Wochen einsatzfähig und kampfbereit gemacht worden. Man hatte Vorräte für mehrere Monate und eine knapp zweihundert Mann starke Crew aus Wachsamen-Soldaten, Abteimitgliedern und Agenten des Ordens der Gerüchte aufgenommen. Die Götterdämmerung sollte das Flaggschiff dieser Pakt-Operation sein und den restlichen Truppen, die mit anderen Schiffen ankamen, den Weg in die Kristallwüste und nach Elona ebnen. Sie hatten für einiges Aufsehen gesorgt, als das Schiff schließlich nach mehreren Tagen Flug über das offene Meer in Amnoon ankam und dort nahe der Stadt ankerte. Spähtrupps wurden ausgesandt um Informationen zu sammeln – und letztendlich bekamen sie einen heißen Tipp. Der Kriegsgott sammelte seine Truppen nahe der Domäne des Kristalldrachens, ein direkter Angriff auf die Bestie stand wohl kurz bevor. Kaum das diese Nachricht die Führungsriege des Schiffes erreichte, lichtete man die Anker und flog los. Mehrere Tage dauerte die Reise durch die Wüste, und unterwegs gab es immer wieder kleinere Gefechte mit versprengten Truppen Balthasars und auch gebrandmarkter Kreaturen Kralkatorriks. Alles in allem nichts, was dem Schiff und seinen Fähigkeiten gefährlich werden konnte.
Doch nun waren sie auf direktem Weg in das Herz der Krise, in das Epizentrum der Schlacht. Die angespannte Stille wurde allmählich durch dumpfen Schlachtlärm verdrängt, und der Kampf zwischen den Schergen des Kriegsgottes und den Dienern des Drachen tobte wohl schon. „Waffen bereithalten. Zielt auf alles, was sich da unten bewegt. Angriffsanflug – jetzt!“ - „Bugkanone bereit, Energiegeschütze aufgeladen. Feuer auf euer Zeichen, Captain.“ - „Feuer!“ Die Stimmen der Brückenbesatzung hallten durch den Maschinenraum, während sich das Schiff schnell nach vorne neigte und den Angriff einleitete. Dann zwei dumpfe Kanonenschläge, als das Charrgeschützt am Bug seine explosive Ladung in die Landschaft verteilte, sofort gefolgt vom hochfrequenten Zischen der asurischen Lasergeschütze, die mehrere Bodenziele zugleich aufs Korn nahmen. Nun mischte die Götterdämmerung aktiv mit, dezimierte Gottesanhänger und Gebrandmarkte gleichermaßen. „Energieniveau und Antrieb stabil. Sieht so aus als würde alles nach Plan verlaufen.“
Zapp wollte Quippa noch auf ihre Durchsage antworten, als die bassige Charrstimme des Kapitäns sie unterbrach. „Verflammt, Schilde hoch! SCHILDE HOCH!“Irgendetwas passierte da draußen, und die Erschütterung, die das Luftschiff gleich nach dem Ausruf zum Beben brachte, verhieß nichts Gutes. „Ewige Alchemie, was war das!“ Quippa zuckte zusammen, Zapp starrte in Schock auf seine Anzeigen. Die Sensoren meldeten einen massiven Energiestoß, der sie erfasst hatte. „Die Energieverteiler überlasten!“ rief einer der Techniker dazwischen. Dann knallte es auch schon. Mehrere Schaltkästen gingen in Rauch auf, als die Verteiler darin explodierten. Die Lichter flackerten, und die Turbine heulte auf.„Hauptenergie umleiten! Notschilde hoch! SOFORT!“schnarrte Zapp dann seine Leute an, als er sich wieder gefasst hatte. Sie alle begannen wild Knöpfe auf ihren Konsolen zu drücken, während sich die Lage auf der Brücke zuspitzte. „Zielt auf den Großen! LOS! FEUER! FEUER! FEUER!“ Wieder donnerte und zischte es dumpf, nur um keinen Augenblick später von einer noch gewaltigeren Detonation übertönt zu werden. Metall verformte sich quietschend und kreischend, aus der Sprechanlage kamen entfernte Schreie. Balthasar forderte seine ersten Opfer auf Seiten des Paktes. Zapps Anzeigen verrieten ihm warum. „Schwerer Bugtreffer. Wir haben das Frontgeschütz verloren. Energie- und Steuerleitungen zur Brücke beschädigt.“ -„Verflammt, Zapp! Macht was! Die Kiste fliegt sich wie ein alter überladener Dolyak! Und haltet mir diese Laserwaffen am laufen!“ - „Captain! Da sind noch mehr! Sie nehmen uns ins Visier!“ - „Oh verflammt nochmal..“ Während Quippa damit bemüht war, den Antrieb und die Energieversorgung aufrecht zu erhalten, war Zapp dabei, Umgehungen für die beschädigten Leitungen zu schaffen. Der Waffentechniker versuchte verzweifelt, zumindest die Lasergeschütze am Laufen zu halten. „Es bringt nichts! Der Bug ist zu stark beschädigt!“ stellte er schließlich resignierend fest.
Gleich danach gab es wieder mehrere starke Erschütterungen, der Rumpf des Schiffes quietschte und kreischte als die magischen Geschosse ihn trafen. Wieder gab es Überlastungen im Energienetz, gefolgt von einem lauten Knall durch die Sprechanlage mitsamt Schrei. „STEUERMANN VERLETZT!“ brüllte der Kapitän. Anscheinend hatten die Stöße dafür gesorgt, das die Steuerkonsole auf der Brücke in die Luft geflogen war. Das Schiff fing an, sich gefährlich zu neigen als niemand mehr es führte.„Zapp, wir verlieren die Schilde! WIR VERLIEREN DIE SCHILDE!“ - „Ewige Alchemie, heult nicht herum wie Nachwuchs, tut etwas dagegen!“
Der Cheftechniker eilte dem Assistenten an der Schildkontrolle zu Hilfe.„Lasst mich das machen!“ Und dann stand er selbst an der Konsole. Die Schildgeneratoren waren komplett überlastet, und überall auf dem Schiff fielen nach und nach die dauerhaften Abschirmungen aus. Auch am Gasballon.„Hauptenergie fluktuiert! Der Generator liefert keine Leistung mehr!“ Quippas Zwischenruf machte die Sache nicht besser. Irgendetwas schien dem Schiff massive Energiemengen zu entziehen, und es war nur noch eine Frage von Minuten bis alle Systeme komplett ausfallen würden.„Verflucht, was ist da draußen los?!“
Zapp kam garnicht dazu, weiter über seine Frage nachzudenken, folgte schon die nächste Explosion, diesmal am Heck. Es krachte und schepperte, als das linke Getriebe pulverisiert wurde. Jetzt war die Götterdämmerung nicht nur in Schräglage, nein, sie flog in einer langgezogenen Linkskurve über das Schlachtfeld. Alle hatten Mühe, sich an ihren Konsolen festzuhalten. Turbine und Hauptgenerator gaben ungesunde Geräusche von sich, wohl hatte der letzte Treffer auch deren Mechanik schwer beschädigt.„Hauptenergie fällt aus! Ich schalte auf Notenergie um!“Zapp war zumindest froh, dass er Quippa gut ausgebildet hatte und sie in derartigen Situationen selbstständig agieren konnte. Kurz flackerten die Lichter, während sie die Energie umschaltete, und das nicht zu spät, denn gleich darauf gab es einen furchtbaren Knall und ein Knirschen aus der Turbine. Sie hatte sich durch die ungleichmäßige Be- und Überlastung wohl selbst zerstört. Ohne Hauptenergie waren aber auch sämtliche Waffen nutzlos, und die Schilde, die ihre eigenen Generatoren hatten, konnten sie so nicht stabilisieren. „Hier können wir nichts mehr tun. Seht bloß zu, das die Brücke geschützt bleibt“ - „Verstanden!“
Zapp übergab dem Techniker wieder seinen Posten, kämpfte sich dann an seine Hauptkonsole zurück. Dort blinkte und blitzte alles in Rot, Warnungen liefen über den Schirm. Das Schiff war schwer beschädigt worden, nur die Schilde, die die Brücke schützten, liefen noch, ansonsten war alles ausgefallen. Auch der halbe Antrieb, der mit der Notenergie zumindest noch etwas Schub gab, war kurz davor zu versagen.„Captain, wir sind schwer beschädigt. Schilde, Waffen und Hauptenergie ausgefallen. Aber wir fliegen noch. Ich rate dazu, schleunigst den Rückzug anzutreten.“ - „Verflammt, was meint ihr, was wir hier oben versuchen?! Die Steuerung reagiert nicht mehr! Und diese… Superkrieger.. oder was das ist.. die halten uns fest. Mit irgend ‘nem Magiekram! Oh nein.. nein nein nein.. DECKUNG!“Zapp stand die Anstrengung ins Gesicht geschrieben. Er war Techniker, kein Krieger. Derartige Situationen war er nicht gewohnt. Gleich nachdem der Kapitän die Brückenbesatzung anwies, in Deckung zu gehen, erfüllte ein Geräusch das Luftschiff, das sich anhörte wie.. Hagel. Bleihagel.
Balthasars Truppen hatten das Feuer mit ihren Gewehren eröffnet. Durch ihren Angriffsflug waren sie wohl in Reichweite geraten. Prasselnd krachten die Geschosse gegen die Außenhülle, die ihnen standhielt. Aber nicht die Gas-Ballons, die inzwischen ungeschützt waren. Zapp spührte, wie sie allmählich an Höhe einbüßten, wie das Schiff ruckartig immer etwas absank, wenn einer der unzähligen Auftriebsspender zerplatzte. Über die Sprechanlage waren Schreie zu hören, das Durcheinander das oben herrschte förmlich greifbar. Dann flackerten die Lichter wieder, der Antrieb gab ein knurrendes und knatterndes Geräusch von sich, ehe er schließlich ganz durchbrannte.
Zwischen all dem meldete sich der Kapitän wieder. „VERFLAMMT, WIR EVAKUIEREN! RAUS HIER! ALLE RAUS! NUTZT EURE GLEITER UND FALLSCHIRME! DIE WACHSAMEN SOLLEN ‘NE BRESCHE SCHLAGEN UND DEN REST SCHÜTZEN! LOS! LOS LOS!“ Ob ihn irgendjemand zwischen all dem Geschrei und den unzähligen Todeskämpfen, die sich nun auf dem Oberdeck während des Gewehrbeschusses abspielten, gehört hatte? Fraglich.
Zapp ballte schließlich die Faust. Aus Anspannung und Angst wurde Entschlossenheit. „In Ordnung! Hört mir alle zu! Wir gehen als Letzte! Verschaffen wir den Leuten da oben Zeit, hier raus zu kommen! Quippa, Status!“ - „Hauptenergie und Antrieb ausgefallen. Notenergie hält, aber auch nicht mehr lange. Wir verbrauchen zu viel Energie, die uns zudem noch abgezogen wird.“ - „Gut. Wir schalten alles ab, was wir nicht mehr brauchen! Los!“Kaum das Zapp gesprochen hatte tippten sie alle auf ihren Konsolen herum. Belüftung in einem abstürzenden Kriegsschiff? Braucht man nicht. Die Schilde? Waren so oder so nutzlos. Die Waffen? Entweder defekt, nicht mehr steuerbar und ohne Hauptenergie so oder so nicht mehr zu gebrauchen. Noch hielt die Götterdämmerung sich also in der Luft, ohne Antrieb auch stabil an einer Position. Dennoch feuerten die feindlichen Truppen weiterhin mit ihren Gewehren auf den Ballon und das wehrlose Schiff. Der Boden kam allmählich näher, wie nahe sie genau waren konnte Zapp nicht mehr feststellen, da er auch die interne und externe Sensorik deaktiviert hatte.
Minuten vergingen, und der Lärm draußen änderte sich. Sie hörten das nun auch die Wachsamen mitmischten, und nach und nach auch die anderen Pakttruppen. Das war wohl ihr Zeichen. „Gut! Ich glaube wir sind hier fertig! Raus, alle raus! Ich bilde das Schlusslicht!“ Quippa und ein paar der Techniker ließen sich nicht bitten, schnappten sich ihre Gleiterrucksäcke und wollten den Maschinenraum und das Technikdeck verlassen – doch kamen sie nicht weit. Das nächste schwere Geschoss traf das Schiff, und diesmal genau ihre Sektion. Die feindlichen Angriffstrupps waren sich wohl im klaren, das irgendjemand noch dafür sorgte, dass der Rest der Besatzung Zeit gewann. Schrapnell aus Holz und Metall flogen durch die Luft, gleich danach kamen das Feuer und die Druckwelle einer Explosion dazu. Schreie erfüllten den Raum, als mehrere der Techniker ihren Übergang in die Ewige Alchemie vollzogen. Quippa hatte den Ausgang fast erreicht, als sich hinter ihr das Loch in der Hülle auftat, sie erst nach vorn geschleudert wurde, hart aufschlug, und dann aufgrund der Schräglage auf den Abgrund zurutschte, offensichtlich ohne Bewusstsein. „EWIGE ALCHEMIE! QUIPPA!“ Zapp schrie ihr noch hinterher, er war gegen seine Konsole gedrückt worden, krallte sich mit aller Kraft fest, musste aber mit ansehen wie seine erste Assistentin aus dem Schiff rutschte, ohne jede Regung durch die Luft segelte und schließlich inmitten des Getümmels aus Wachsamen und Balthasar-Kriegern auf dem Boden aufkam. Wut packte ihn, er griff nach seinem Rucksack, wollte ihn anlegen und sich durch das Loch hinterher stürzen, mitten in die Schlacht hinein. Doch dann erfasste sein Blick etwas anderes. Eine der großen, verdrehten Kreaturen, die das Schiff aufs Korn genommen hatten. Sein mörserähnliches Geschütz zielte genau in das Loch des Maschinenraums. Es sammelte Energie – und feuerte. Das Geschoss raste direkt auf ihn zu, würde ihn gleich treffen…


In dem Moment wachte Zapp schweißgebadet auf, und saß senkrecht in seiner Hängematte in seinem Quartier. Oder? Er sah sich um. Es war dunkel. War er tot? Nein.. „Licht!“ befahl er – und die Lampen in seinem Refugium des Geistes gingen an. Es war mitten in der Nacht, und die Götterdämmerung befand sich offensichtlich noch auf dem Überflug nach Löwenstein. Gerade waren sie auf dem offenen Meer unterwegs. Eigentlich wollte Zapp die Ankunft auf der Brücke mitverfolgen. Doch stattdessen setzte er sich sofort an seinen Schreibtisch, schnappte sich sein Holopad und ging alle möglichen Pläne des Schiffes durch. Der Albtraum, der ihm viel mehr wie eine grausige Zukunftsvision erschien, lies ihm keine Ruhe. Selbst als der Morgen schon graute und Löwenstein in Sicht kam, war er noch am arbeiten. Erst eine Durchsage des Kapitäns riss ihn aus seinem Wahn. Er verfolgte die Ankunft mit. Doch seine Schreckensvision, die behielt er für sich.
Vorerst.

Kommentare 4

  • Haha, du Troll, nächstes mal nehm ich den Titel wörtlich...er sollte es aber weniger als Albtraum ansehen als das Verarbeiten und Durchspielen möglicher Szenarien während der Schlafphase.


    Ich mag das Tempo, geht ohne Umscheyfe voran. Leider hast du mir was geklaut was ich in meiner nächsten Luftschiffgeschichte schreiben wollte, das muss ich mir jetzt neu ausdenken :p Und zum POWA-Lvl äußerte ich mich ja schon. ;)

    • Das war nicht gewollt. Sooorrry :D Und ja, POWA-Lvl schützt vor katastrophalem Fehlschlag nicht ^^ Ist halt eine Schreckensvision des guten Zapp. Erster Einsatz und das Schiff fliegt ihm um die Ohren (nicht das wir Paktler damit keine Erfahrung hätten *hust*)

  • Sehr spannend und fesselnd geschrieben. Ich habe schon den ersten Teil gerne gelesen und diesen hier jetzt auch.
    Großartig!