Bettkante

„Wach auf!“ drängelte eine Stimme die langsam in ihr Bewusstsein vordrang. „Los! Wach auf!“ ziemlich ungeduldig war der Unterton, eigentlich…hatte die Stimme den Klang von… In nur Bruchteilen von Sekunden saß sie senkrecht im Bett, die blauen Augen weit aufgerissen und starrte die Stimme an. Die Person zur Stimme. Aber das konnte nicht sein. Oder doch? „Na endlich! Wir müssen reden! Jetzt!“ sprach die Person die dreist auf ihrer Bettkante saß und nun versuchte, ihr die Bettdecke weg zu ziehen. Arlassia krallte ihre Finger in die Decke und zerrte mit erbostem Blick ihr Eigentum zurück über ihre Blöße. „Lass das!“ kam es fauchend und ihr Gegenüber lachte. „Wovor soll ich jetzt Angst haben? Vor mir selbst?“ kicherte sie auf der Bettkante. Ja. Sie selbst saß dort. Arlassia. Oder jemand der exakt so aussah wie sie und so sprach, sich so bewegte. „Sag mal, wann hörst du denn endlich auf mit dem Blödsinn?“ Bettkanten-Arla sah ihr vorwurfsvoll entgegen. Die Decke bis zur Nase gezogen sah sie ihren Zwilling an. Das konnte nicht sein. Oder doch? Sie schwieg, aber die Arla auf der Bettkante, die schwieg nicht. Die erdreistete sich nun sogar, sich neben sie zu legen. „Rutsch mal!“ Die zweite Arla machte es sich bequem, legte sich auf die Seite, den Kopf in die Hand des angewinkelten Armes gestützt und grinste sie an. „Guck nicht so. Wird Zeit, daß du wieder den Arsch hoch kriegst. Du hoffst und quälst dich. Meinst du, das kann ich mir angucken?“ Arlassia schüttelte den Kopf. Wieso schüttelte sie bitte den Kopf? Das konnte doch alles nicht wahr sein. „Geh weg.“ murmelte sie unter der Bettdecke. „Bitte geh weg“ und dann war der Kopf vollends unter der Decke verschwunden. Die zweite Arla kicherte. „Du benimmst dich echt daneben, weichst aus. Aber ich sag dir was. Lass dir das nicht gefallen. Du arbeitest dich kaputt um dich abzulenken. Lass das endlich. Du hast dir mal geschworen, du genießt dein Leben. Dann mach das auch, anstatt jeden verdammten Tag zu hoffen, daß er die Straße lang kommt.“


Stille. Es war still geworden. Nach ein paar Minuten, gefühlt einer Ewigkeit, linste Arlassia unter ihrer Bettdecke vor. Sie war verschwunden. „Ich bin verschwunden“ murmelte sie und blickte auf den Platz an dem sie eben noch selbst gelegen hatte. „Werd ich jetzt verrückt?“ sie setzte sich auf und rieb sich mit beiden Händen über das Gesicht. Rosalie rief nach ihr und sie stand auf, tapste ans Bett ihrer Tochter und hob sie aus dem Gitterbettchen... zurück in ihr eigenes Bett. Mutter und Tochter kuschelten und spielten noch eine Weile, ehe es Zeit war der Routine des Alltags nach zu gehen.


Die Frage ob sie verrückt wurde, rückte in den Hintergrund. Und bald waren die gutgemeinten Ratschläge an sich selbst vergessen.

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