"Ich sollte das nicht tun..." | Albrecht Henning

Ich sollte das nicht tun...


Albrecht sitzt alleine in jener Werkstatt, welche den Hof über die Winterzeit mit etwas Geld versorgen soll. Dunkel ist es draußen bereits und das Pfeifen des kühlen Windes dringt durch schmale Lücken in der Tür. Leichter Regen perlt gleichzeitig an die Fenster, lässt die Sicht nach draußen verschwimmen.


Der Blick des alten Mannes richtet sich langsam herab auf das, was er in der Hand hält. Schon wieder eine dieser Flaschen mit der Besinnungsraubenden Flüssigkeit namens Whisky. Er weiß, er sollte nicht, doch er tut es trotzdem. Tagtäglich und immer, wenn es die Gelegenheit erlaubt.


Mal kurz ein Schluck aus dem Flachmann kann nicht schaden.“, sagte er sich anfangs. Mittlerweile sind es mehr als nur ein Schluck. Doch behält er es für sich.


Leise, regungslos und mit einem bedrücktem Gesichtsausdruck, sitzt er auf einem alten Stuhl mitten in der Werkstatt und schaut nun einige Augenblicke auf die Flasche in seiner Hand. Wegwerfen, wäre wohl das Beste. Doch sein Körper sagt etwas anderes. Er brauch es, er will es. Ein innerer Kampf entbrennt, was ihn zu dem Punkt bringt, warum er überhaupt mit dem Trinken anfing. Ein Moment, welcher schon viele Jahre zurück liegt und welchen, er mittlerweile schon einige Male vergaß. Es war der Tod seiner Frau, welcher ihn diesen Weg einschlagen ließ. Der Tod seiner Frau, welcher ihn innerlich entzweite.


Sein Kopf gab nach und der Körper gewann erneut den Kampf um die Flasche. Langsam wird die Öffnung erneut an den Mund gehoben, zwischen den dichten und mittlerweile sogar struppigen Bart geführt. Nun brauch er nur noch kippen und würde auch am heutigen Tage der Trinkerei verfallen. Doch er kippt nicht.


Da war etwas. Etwas strich kalt über seine Wange. War es Einbildung? Verwirrt ließ er die Flasche sinken, sah sich um. Nichts. Wohl nur ein Luftzug. Den Blick nun wieder nach unten gerichtet, betrachtet er das Etikett der Flasche und wirkt angespannt. Doch dann ist da wieder diese kalte Berührung. Diesmal unter seinem Kinn. Es drückt jenes nach oben und ohne zu wissen, was ihm gerade geschieht, folgt der Blick des alten Mannes dem Kinn nach oben.


Greta..., haucht er leise, fast unhörbar zwischen den Lippen hervor, während sein Gesicht den Ausdruck der Sprachlosigkeit annimmt. Vor ihm ist blass die Gestalt seiner toten Frau erschienen. Sie lächelt, sagt nichts, sondern streicht ihm lediglich sacht über die Wange. Tränen lösen sich aus den Augenwinkeln des Alten, während er weiterhin sprachlos jenes Gestalt vor ihm ansieht. Sein ganzer Körper fühlt sich auf einmal taub an. Er zittert, während der Regen mittlerweile stärker an die Fenster prasselt.


Langsam streckt er die freie Hand der Gestalt entgegen. Ein hoffnungsvolles und doch angeschlagenes Lächeln ziert seine Lippen, während mehr und mehr Tränen sich ihren Weg hinab bahnen. Hinab an den Wangen, die gerade so berührt wurden.


Doch bevor Albrecht Sie berühren kann, ist sie auch schon wieder verschwunden und verblasst. Alleingelassen, lässt sich Albrecht vom Stuhl rutschen, landet mit den Knien auf dem Boden. Sein Blick weiterhin dahin gehalten, wo bis eben noch seine Frau schleierhaft seine Wangen berührte.


Nun sind es Tränen des inneren Schmerzes, nicht länger Tränen der Freude und der Hoffnung. Sein Blick gibt nach, sackt zu Boden. Seine freie Hand, nun zur Faust geballt, ebenso.


Was machst du hier, du alter Narr?, spricht er fast schon wütend zu sich selbst, bevor er wieder zur Flasche schaut. Man atmet tief und lange durch, dann setzt man wieder die Flaschenöffnung an den Mund, um sich jenes Gefühl zurück zu holen, was man eben verspüren konnte. Auch wenn es nicht real ist...

Kommentare 6

  • Wieder so eine garstige Flasche vor die Füße gelaufen...aufdringlich. :(

  • Schön geschrieben. Man ist sich selbst nicht sicher, ob er nun eine Erscheinung hatte, weil seine Frau sich vielleicht Sorgen um ihn macht, oder ob er einfach aufgrund des Alkohols Dinge sieht, die tatsächlich gar nicht real sind. Seine Verzweiflung ist auf alle Fälle deutlich spürbar.

  • Dabei ist Ashe immer für Albrecht da '_' armes dingelchen