Sucht




„Sicher das du noch mehr trinken willst? Dein Alkoholkonsum ist bedenklich.“
„Sag mir nicht, was ich zu tun habe.“

„...und dann wird behauptet ICH hätte ein Alkoholproblem...pfff....!
Darauf 'nen Whiskey...“


„Ihr habt ein Problem Junge, lasst Euch drauf ein und mit der Stärke Balthasars könnt Ihr Euch davon befreien.“
„Ich hab das voll unter Kontrolle!“


„Darauf sollten wir trinken!“
„Du findest auch immer 'nen Grund zum Saufen, oder?“
„Halt's Maul.“


Der letzte Schluck aus dem Flachmann, den er sich eisern bis zum Schluss aufhob, hatte schon vor eins zwei Tagen seine trockenen Lippen nur kläglich benetzt und der scharfe Geschmack von schlecht gebranntem Whiskey war schon längst aus seiner Kehle verflogen. Es war pure Angewohnheit, mit der Vaas' Finger nach dem schlichten Gefäß mit der Gravur darauf griffen, welches er in der Hosentasche mit sich herum trug. Der Flachmann und das Schwert sind die einzigen zwei Sachen, die ihm nach dem Überfall der Piraten noch wirklich geblieben sind. Seine anderen Waffen – weg oder im Meer verloren. Sein Seesack mit all den magischen und persönlichen Sachen – entweder auch auf dem Grund des Meeres, oder im Besitz dieser Bastarde. Aber das war gerade sein geringstes Problem. Er hielt das Gefäß schüttelnd mit der Öffnung nach unten, genau etwas erhoben vor sein Gesicht, während er die Lippen geteilt hatte, als könnte es sich so auf magische Weise einfach wieder füllen. Doch nichts. Nur ein kläglicher, letzter Tropfen stahl sich letztendlich aus dem Inneren heraus, rann schon beinahe schüchtern am Halse des Flachmanns entlang, nur um dann direkt am Rand erst einmal inne zu halten. Vaas' Blick hielt den Tropfen in einem manisch, gebannten Fokus, als sich die Sonne in dessen goldgelber Farbe spiegelte, wie gefangenes Licht in einem Bernstein. Er wagte es kaum zu atmen in der Befürchtung, dass er dadurch diesen einfach weg pusten könnte. Die Sekunden, in denen die Flüssigkeit brauchte, um sich den Gesetzen der Schwerkraft zu beugen und den Halt am Rande der Öffnung zu verlieren, fühlten sich an wie eine Ewigkeit. Eine Ewigkeit in der der hauchdünne Faden, der seine Geduld nur noch hielt, drohte vor Überspannung zu reißen. Sein ganzer Leib stand unter Hochspannung, nur, weil er es nicht abwarten konnte, dass dieser elendige Tropfen endlich hinab fiel. Und als er es tat, war die Enttäuschung, ob der hohen Erwartung, nur umso größer, als dieser auf seine trockenen Lippen traf und dort augenblicklich versiegte, wie ein Schluck Wasser im Wüstensand. Da war nichts mehr, was seine Kehle befeuchten konnte, da war kein brennender Geschmack von gutem Whiskey, kein befriedigendes Gefühl, was seinen Verstand wieder beruhigte.
Enttäuschung wich Wut, welche sich augenblicklich breit machte und der Nekromant im nächsten Augenblick den Flachmann mit einem zornigen Aufschrei in die nächste Ecke pfefferte, nur um im gleichen Moment, die Augen aufzureißen, realisierend und schon der Schnapsflasche mit einem 'Neinneinneinneinnein......“ nacheilend. Mit der immer größere werdenden Periode, in der er keinen Alkohol mehr hatte, verlor er immer mehr die Kontrolle über seine Emotionen, die dadurch teilweise hin und her schaukelten, wie eine Nussschale im Sturm. Begeisterung wich plötzlich Wut, die schon im nächsten Moment von Enttäuschung abgelöst wurde, oder wie gerade eben, von Reue, den doch wichtigen Gegenstand einfach weggeschmissen zu haben. Er war ein nervöses Wrack auf einer einsamen Insel, von der es alleine kein Entrinnen kam.
Die Tage seit dem er Darius, der sein eigenes Leben riskiert hatte, um ihn noch aus dem Wasser zu fischen, ermordet hatte, um Amon wieder zu beleben, waren immer mehr ermüdender geworden. Nicht nur, dass sein Körper nach Jahren des Alkoholkonsums, sehr unfein auf den Entzug reagierte, nein... so fand er auch keinen Schlaf, da die Stimmen in seinem Kopf, die er sonst mit dem Zeug ruhig halten konnte, immer lauter und aufdringlicher wurden. Als ob diese tausende an Klippenvögel mit ihrem Gekreische und Geschnatter nicht schon laut genug wären! Er hatte schon so vielen den Kopf umgedreht und dennoch trat keine Besserung ein. Am liebsten würde er die Insel den Erdboden gleich machen. Auf dem Grund des Meeres wäre es bestimmt schön ruhig.....
Oder auch nicht...
Während er den Flachmann fein säuberlich mit dem Hemd wieder von Schmutz befreite, drehte sich ihm bei dem Gedanken an den Meeresgrund der Magen um. Das Schiff war nicht soweit von der Insel gesunken und es war nicht so, dass Vaas bei ruhigem Seegang nicht schon raus geschwommen war, um nach zu sehen... Das Wasser hier was so klar und sauber und nicht all zu tief, so dass man das Wrack sogar am Grund sehen konnte. Vielleicht hundert Fuß maximal.... Er wusste genau, dass sich im Frachtraum gewiss noch ein paar Kisten mit Rum befanden. Doch egal wie oft er es versuchte, es war unerreichbar für ihn, da schon nach wenigen Fuß sein Verstand und somit sein Körper dicht machten und er wieder auftauchen musste.
Panik überkam ihm, wenn er versuchte nach unten zu kommen. Ein Gefühl, dass er nicht steuern oder unterdrücken konnte, da ihn sofort das Empfinden des Ertrinkens wieder heimsuchte.
Es war unmöglich.
Mittlerweile war es ihm auch egal, wie diese dreckigen Vögel schmeckten, Hauptsache er bekam irgendwas zwischen die Zähne. Fischen wurde zu einem immer schwierigeren Unterfangen, je nervöser er innerlich wurde. Er hatte nicht mehr die Geduld zu warten, bis die Tiere nah genug an ihn heran waren, sondern warf den gebastelten Speer teilweise schon unmittelbar, nachdem er sie erspäht hatte, ohne auch nur im Ansatz auf die Lichtbrechung zu achten. Die Folge war, dass er keinen einzigen Fisch mehr traf und diese irgendwann zu vorsichtig wurden, um auch nur annähernd auf den Köder, den er ins Wasser hielt, herein zu fallen. Auch da musste er irgendwann einsehen, dass er so nicht mehr weiter kam. Dafür waren die Möwen dumm genug, immer wieder in die selbe Falle hinein zu tappen: Eine aufgestellte Kiste, mit etwas glänzendem darunter und einem Faden an dieser. Die Tiere hielten es für einen möglichen Fisch, der in der Sonne glänzte und liefen darunter, um die eventuelle Beute zu inspizieren, bis Vaas einfach nur noch am Strick ziehen musste.
Sein Schädel dröhnte immer mehr und um nicht ganz den Verstand zu verlieren, hatte er einer größeren Kokosnuss ein Gesicht eingeritzt und am oberen Ende ein paar Stränge von den Palmenblättern hinein gesteckt, mir der er teilweise stundenlang am Stück redete, brabbelte oder einfach nur vor sich hin nuschelte, schlicht, damit die leere in seinem Schädel nicht mit anderen Dingen gefüllt werden konnten. Immerhin: Sie hörte ihm einfach zu, quatschte ihm nicht dazwischen und sah ihn einfach nur an. Gut, manchmal kippte sie um, so dass Vaas sie fürchterlich anschnauzten musste, bis er sich wieder fing. Einmal da schmiss er sie aus Zorn auch gegen einen Felsen, so dass sie in ihre Einzelteile zersprang und das Kokoswasser nur so spritzte. Er trauerte gut zwei Stunden um sie, bis er merkte, wie dämlich das war, sich so über eine dumme Kokosnuss zu ärgern. Es dauerte aber nur ein paar Stunden, bis er sich eine neue machte, nachdem er mehrmals glaubte Darius in seinem Lager gesehen zu haben und das, obwohl er die Leiche sehr weit abseits vergraben hatte, ertrug er dessen Anblick nach einer Weile nicht mehr, nachdem die toten Augen von Gespräch zu Gespräch immer vorwurfsvoller angesehen hatten.
Von Tag zu Tag wurden auch durch den Schlafentzug seine Einbildungen immer schlimmer. Da, wo er erst nur dachte Rufe zu hören, oder Schiffe am Horizont zu sehen, fühlte es sich manchmal an, als berührte ihn jemand, dass er ab und an richtig zusammen zuckte. ER nutzte die Situation schamlos aus und spielte mit ihm, machte sich über ihn lustig, spielte mit seinen Hoffnungen und lies ihn nicht zur Ruhe kommen, versuchte ihm zu erzählen, dass er so gerne die Kontrolle über seinen Verstand übernehmen würde, sobald der Piratenkapitän hier auftaucht, nur um ihn die Freude am Wiedersehen zu rauben und vielleicht noch ein bisschen mehr anzurichten... In seiner Schizophrenie ist er schon zwei Mal arg auf diese Spielchen herein gefallen, als er dachte Roscoe wäre endlich da, um ihn abzuholen. Einmal wäre er dabei fast abgesoffen, als er viel zu übermütig deswegen ins Meer hinein rannte und das zweite Mal brach es ihm fast die Nase, als sich der vermeintliche Kapitän viel zu spät als Palme heraus stellte, jedes mal begleitet von höllischen Gelächter.
Ob es half, sich das Trommelfell heraus zu schneiden, damit er endlich Ruhe hatte?
Nein. Der Gedanke wurde mit der Dolchspitze schon am Ohr noch rechtzeitig verworfen. Er wusste langsam nicht einmal mehr, wie viele Tage er hier schon festsaß, wie lange er schon nicht mehr die Augen zu gemacht hatte, für längere Zeit. Klare Gedanken fassen, war ihn teils nicht mehr möglich. Und diese Vögel! Bei Grenth, diese Vögel sollten endlich die Schnäbel halten! Er würde ihnen allen einzeln die Gurgel heraus reißen! Und diese Kokosnuss sah ihn schon wieder so abwertend an, selbst nachdem er sie mehrmals angeschrien hatte, sie solle es sein lassen. Irgendwann fand auch diese ihr Ende an einer der Felswände und somit auch die letzte Quelle an Wasser – hoffentlich würde es bald Regnen. Apropos Wasser... er müsste eh mal welches lassen. Schnaubend erhob er sich von seinem Lager und dem Feuer, welches er zumindest die ganze Zeit lang über am Brennen halten konnte.
Auf dem Weg zum Strandufer, tat er sich schon ein wenig schwer Gürtelschnalle und Hose zu öffnen. Wenn dieses scheiß Teil nicht seine Hose an Ort und Stelle halten würde, hätte er es schon längst mit Freuden verbrannt. An wenigen erleuchteten Momenten konnte er die Balthasaranhänger mehr als nur gut verstehen – Dinge einfach im Feuer zu läutern oder vernichten bescherte einem schon ein sehr befriedigendes Gefühl. Endlich geschafft sah er aufatmend wieder auf, nur um keine Sekunde später abrupt stehen zu bleiben. Denn mitten am Küstenufer stand kein geringerer als der Kapitän... als Goldzahn … höchstpersönlich und sah ihn mit einer Mischung aus Stärke, Freude und Überraschung an. Das Gold seiner Augen wirkte im Licht der untergehenden Sonne intensiver als jemals zuvor. Vaas brauchte einen Moment, in dem er nur starr dastand und der Erscheinung blinzelnd entgegen sah. Etwas an seinem linken, unteren Augenlid zuckte leicht.
Und dann brach es einfach aus ihm heraus.
Ein furchtbar hysterisches Lachen, dass seinen ganzen Leib zum Erzittern brachte, laut, kratzig und irgendwie unangenehm, da es absolut keinerlei deutbare Emotionen in sich mit trug. Keine Freude, keine Bitterkeit, kein Zorn... nichts. Er lachte einfach nur, bis er keine Luft mehr bekam, ehe sich auch schon schlagartig seine Züge verzerrten und die Mundwinkel hinab fielen.
„Nein.. neinneinneinneinneinnein!“ brüllte er mit einem Mal, doch galt dies eindeutig nicht dem Bild vor sich, sondern sich selber, denn er drehte sich im gleichen Augenblick um und begann sich die Handballen beider Hände immer und immer wieder gegen die Stirn zu hämmern. Nein! Noch einmal würde er nicht darauf hinein fallen! Noch einmal würde ihm nicht die Blöße geben!
Vaas war so sehr damit beschäftigt, den Kopf und Verstand wieder frei zu bekommen, dass er in dem Moment gar nicht bemerkte, ob das hinter ihm nur wieder eine Einbildung war, oder der Pirat da leibhaftig stand.......

Kommentare 13

  • Sucht. Ist das eigentlich der Titel des Kapitels hier oder bist du dir nur sehr im Klaren darüber, welches Gefühl du beim Leser auslöst mit deinen Texten? Du schreibst wirklich sehr dicht und stimmungsvoll. Man ist sehr nah dran an deinem Charakter, vor dessen emotionaler Nacktheit du dich nicht scheust. Das ist schon beeindruckend. Besonders bei einem Char, der auf mich den Eindruck macht, als würde er im direkten Zusammenspiel eine gewisse Arbeit einfordern, bevor er einen an sich heranlässt.


    Und trotzdem wirkt er weiterhin stark. Das ist ein ganz schmaler Grenzgang, aber du wackelst nicht einmal dabei. Einnehmend.

    • Oh, vielen Dank für das Kompliment.
      Nein eigentlich war es tatsächlich nur der Titel des Kapitels :D
      Ja, Vaas ist von Anfang an als sehr schwieriger Char gestartet und ist es immer noch, er ist sehr distanziert.


      Danke sehr :)

  • *zeigt nach unten* Was sie schreiben!
    Und zusätzlich noch dieses herrliche hyänenartige Lachen. Das assoziiere ich immer mit gewissem Wahnsinn. :D

  • Fehlt nur noch: "ICH HABE FEUER GEMACHT!" ^^ Armer Vaas.. hoffentlich holt Ros den bald mal ab ;)

    • Wenn er noch ein wenig länger dort bleibt, bastelt er sich eine Krone aus Möwenknochen und nennt sich 'König der Kackmöweninsel' !

  • Alter, was ist denn heute los? Nur tolle Geschichten! <3
    Ich finde es großartig wie du den heranreifenden Irrsinn beschreibst und freue mich so hart auf die nächste Szene mit Vaas, die hier andockt!

    • Ja, ne?
      Hatte voll die literarisch hochwertige Busfahrt.


      Ich mochte den Tropfen voll und Coco sowie Coco II. (RIP)

    • bitte was? XD

    • Na die Kokosnüsse. Die kann man doch nicht Wilson nennen.

    • Ach jetzt! Gott, ich stand gerade so auf dem Schlauch xD


      Ja, irgendwie macht Vaas alles kaputt...
      #RipDarius
      #Rip Coco I und Coco II


      (nein, echt, ich hab das mit Coco vorhin nicht gecheckt X'D *sollte ins bett....* )

  • Jung... du brauchst was zu trinken.
    Prost!


    Zum Text: Yeah!!!!!!!