Löwenstein Teil 1

Sie saßen auf den roten Blättern einer riesigen Blüte, der süße Duft der gelben Pollen dran langsam in ihre Nase. Rings um sie herum schwirrten einige Leuchtkäfer und Funkenschwärmer, tanzten im restlichen Licht der untergehenden Sonne die in einem orangefarbenem Inferno Stück für Stück hinter dem Horizont verschwand. Kaum spürbar wehte der sanfte Hauch des Windes über ihren Körper, am Rücken fühlte es sich etwas kühl an, wohl weil er noch feucht war. Doch es störte sie nicht weiter. Im Moment fühlte sie sich so gut wie lang nicht mehr, den Schmerz der Wunden blendete sie einfach aus. Und auch wenn sie nichts sah, so wusste sie doch das sie nicht alleine war, das war etwas neues....


Zu dem Blütenduft gesellte sich Salz....Salz? Der Wind war doch kaum eine Brise, wie sollte er die Meeresluft so weit tragen? Der nächste Strand war an der Mograine-Spirale und die war einige Stunden Fußmarsch entfernt....noch während sie darüber sinnierte wie so etwas möglich sei, nahm einer ihrer Sinne erneut etwas wahr, das nicht gänzlich in das Bild passte, welches sie eigentlich vor Augen hatte...sie hörte eine Möwe...klar und deutlich...und...spürte sie da Sand zwischen ihren Zehen? Irgendetwas stimmte hier doch nicht.
Blinzelnd öffnete sie ihre Augen, musste aber sogleich die Hand erheben um sie vor dem einfallendem Licht zu schützen, einen Wimpernschlag später meldeten sich sämtliche Sinne erneut zu Wort und verdrangen die Eindrücke des Traumes vollends.


Hier war weder Wald noch Blätter, keine sanfte Brise oder jemand an den man sich lehnen konnte. Auch war der Schmerz auf ihrem Rücken nur eine Einbildung. Diese Wunden waren schon lange wieder verheilt. Lauthals gähnend sog sie die salzige Luft ein, die sie bereits im Traum wahrnehmen konnte und nun wusste sie auch wieder wo sie war.


Am Strand.
In Löwenstein.


Dort, wo sie den Abend zuvor eingeschlafen war. So erklärt sich auf der Sand zwischen ihren Zehen. Blinzelnd gewöhnen sich die Augen langsam an die tief liegende Sonne, die Hand wird wieder gesenkt und dazu genutzt um den Oberkörper empor zu stützen, die Zehen graben sich genüsslich in den Sand hinein, während der Wind, der Klang der Wellen und die typische Löwenstein-Atmosphäre in ihre Ohren dringt.


Ebenso klärt sich die Sicht Stück für Stück auf, der gelb-braune Sand unter ihr ist staubtrocken, bis hierhin kommt die Flut zum Glück nicht, sonst wäre sie wohl weggespült worden. Knapp zwei Meter vor ihr rauschen die Wellen leise den Strand entlang, schlagen ein wenig Gischt empor, welche sich in weißem Schaum auf den sandigen Grund legt, nur um von der nächsten Welle wieder hinfort getragen zu werden. Links und recht ist nicht viel zu sehen, nur der Strand und ein wenig weiter Abseits das gegenüberliegende Ufer...so legt sie den Kopf etwas in den Nacken und sieht nach oben...die Blätter der Palme unter der sie liegt sind nachwievor knackig Grün, ein hübscher Kontrast zu dem massivem Fels der sich nur ein Stück hinter der Palme aufbaut und in den Himmel ragt. Der goldene Blick der Sylvari wandert ein wenig an der Palme vorbei, durch die Höhlen der Deverol-Insel hindurch zu einem Vogel der gerade sein Nest anfliegt.
Sein Zwitschern hallt leise zwischen den Wänden hin und her.


Erneut entkommt der Sylvari ein leises gähnen, sie schüttelt kurz ihren Kopf und blickt sich noch ein wenig verträumt um, ehe sich schwungvoll erhoben wird. Dabei gibt das federleichte Blattwerk nur ein kaum hörbares Rascheln von sich. Obwohl es noch recht kühl ist, hier in Löwenstein trägt sie nachwievor das sehr dünne und recht knappe Blattwerk...sie ist nichts anderes gewohnt und will es auch gar nicht anders. Und es ist ja nun wirklich nicht so, als ob hier Meterhoher Schnee liegen würde.....



Schnee.
Das erinnert sie daran wie sie in Gedanken vertieft durch das Portal nach Hoelbrak schritt, obwohl es eigentlich in den Hain gehen sollte....die Erinnerung an die beißende Kälte die sie sofort empfing lässt ihr einen Schauer durch den Körper jagen.


„Brrrrrrr....das war ganz schön kalt....“


Schnell die Gedanken daran abschütteln.
Genüsslich streckt sich die goldene Sylvari durch, so wie ihr Geist Stück für Stück erwacht, tut es auch ihr Körper...ein erneutes Gähnen kann sie sich trotzdem nicht verkneifen.
Während die Zehen sich nachwievor ein wenig durch den Sand wühlen, richtet die Sylvari ihr Kopfblattwerk ein wenig. Die voluminösen Blätter werden hin und her geschoben, konzentriert schielt sie dabei nach oben...seufzt dann resigniert und lässt die Arme wieder fallen.
Da ist soviel Sand drin, da macht es nicht wirklich Sinn irgendetwas in Position zu schieben.


Noch ehe die Gedanken an ein Bad ihren Verstand durchdringen, wandert der goldene Blick hinaus auf die Bucht, die Sonne spiegelt sich auf der welligen Wasseroberfläche, ihr Bild wird verschoben, gebrochen und wieder zusammengesetzt. Die Reflektion der kreisrunden Sonne wird von dem Wellengang in ein verschobenes Kunstwerk aus Licht und Form verwandelt.
Einer stummen Aufforderung gehorchend beginnen die Beine zu arbeiten, Schritt für Schritt bewegt sich die Sylvari auf das Wasser und sein Lichtspiel mit der Sonne zu.


Das kühle Nass benetzt zuerst die Zehen, dann den Fuß...zwei Schritte später ist sie knöcheltief im Meer und hält inne, einen tiefen Luftzug der salzigen, sauberen Meeresluft nehmend.
Die Mundwinkel heben sich beträchtlich und das strahlende Lächeln der Sylvari wird sichtbar, ehe sie sich mit einem Ruck lustvoll in Bewegung setzt, in die Fluten hinein rennt und sich schließlich jauchzend in das Meer hineinstürzt.


Kaum durch die Oberfläche hindurchgebrochen, beginnt sie kräftige Züge mit den Armen zu schlagen, taucht hinab als nach wenigen Metern der Grund steil nach unten hin abfällt.
Sand und Schmutz wird von ihrem Körper und Blattwerk hinfortgespühlt, die Wassermassen umhüllen Sie und ihren Verstand....


Die Stille des Meeres setzt ein.



Während sie in der lautlosen Schwerelosigkeit hinab taucht, ändern sich die Eindrücke vollends, nichts hier unten ist mit Leben der Oberfläche zu vergleichen.
Tiefes Blau umhüllt sie, verdunkelt sich langsam bis zum Grund hinab, nur um hier und dort von einem Lichtstrahl wieder erhellt zu werden, damit die Schönheit des Wassers nicht durch die zuweilen bedrohliche Dunkelheit verschluckt wird.
Der Druck auf ihren Ohren verschwindet rasch, ein Matrose hat ihr einmal den Trick gezeigt, mit der Zunge gegen die Gaumenseite zu drücken, um die Luft aus den Gehörgängen den neuen Gegebenheiten der Tiefe anzupassen. So kommt es auch zu keinem unangenehmen Fiepen..das einzige was sie hier unten hört sind ihre Bewegungen...und die beständige Ruhe der Tiefe.


Ein Hauch von Salzgeschmack legt sich in ihren Mund, ebenso kann sie ein wenig des Salzwassers in ihrer Nase spüren, doch stört es sie nicht im Geringsten.


Im Gegenteil.



Den Salzgeschmack genießend, lauscht ihr Verstand dem, was ihre Sinne an Dingen übermitteln, die das Meer mit ihr zu teilen vermag.
Wie kaum spürbare Federn, die ohne den geringsten Druck über die Haut gleiten, schmiegt sich die Strömung um den Körper der Sylvari, bewegt ihre Blätter sanft auf und ab, hin und her während ihre Arme und Beine mit regelmäßigen Zügen für Bewegung sorgen.


So dringt sie tiefer hinab, die Umgebung wird ein wenig dunkler, während der goldene Blick der Sylvari sich nach oben richtet. Gut Fünfzehn Meter tief wird sie nun sein, weit über ihr erkennt sie die Wellenbewegungen und Verwirbelungen im Wasser...und auch die verschwommene Sonne, deren Lichtstrahlen alles andere als geordnet durch die -scheinbar- unruhige See dringen.
Einige Momente verharrt sie auf dieser Tiefe, regelmäßig bewegen sich Arme und Beine um schwebend an dieser Stelle zu bleiben.


Langsam schließen sich die Augenlider, verbergen den gold-schimmernden Blick, während die Sylvari den Augenblick genießt und solange auszukosten vermag wie es ihr möglich sein wird.




Plötzlich meldet sich einer ihrer Sinne zu Wort.
Sie hört etwas........hier unten? Was sollte das sein?


Die Iriden werden wieder sichtbar, als die Augen geöffnet werden und sich zu der vermeintlichen Geräuschquelle richten..empor. Gerade eben noch schienen ihre Ohren ein dumpfes Grollen und ein tiefes Rauschen vernommen zu haben, als dieser Eindruck von dem übertroffen wird, welcher ihr nun von ihren Augen übermittelt wird.


Einige Meter Abseits von ihr sinkt etwas riesiges in die Tiefe hinab, es scheint so etwas wie...eine Konstruktion aus Stein zu sein? Es ist keine natürliche Form, das sieht sie auf den ersten Blick, eine Unzahl von Wasserblasen werden von dem Steingebilde mit in die Tiefe gerissen, ehe sie sich aus dem Sog befreien können und wieder emporsteigen. Sie spürt die Verwirbelungen im Wasser die bis zu ihr vordringen....was war das?


Forschend bleibt der Blick nach oben gehoben, hin zu der unruhigen Wasseroberfläche die hin und her tobt...so erkennt sie nicht was darüber vorgeht......


Wieder grollt es dumpf und bedrohlich, mehrere helle Lichtblitze...oder Kugeln...irgendetwas helles kann sie oben ausmachen, ehe die Wasserfront über ihr aufgerissen wird und chaotisch hin und her wirbelt, während Steine, Felsbrocken und noch mehr der riesigen gehauenen Steine -teilweise zerfetzt- hinab regnen und beginnen in die Tiefe zu jagen.


Sie folgt einem größerem Brocken und sieht dort etwas hin und her rudern...ist das....ein Asura?
Noch während die Augen sich weiten und sie los schwimmen will, dem herabziehendem zu Hilfe eilend, grollt es -dieses mal weitaus näher-. Der Blick richtet sich ruckartig nach oben....nur um sehen zu können wie erneut die Stille des Blaues zerfetzt wird, riesige Gesteinsformationen preschen von oben hinab, viel zu schnell und bereits viel zu nah um noch reagieren zu können.


Als ein steinerner Pfeiler knapp an ihr vorbei in die Tiefe jagt, spürt sie nur einen Wimpernschlag später einen dumpfen Schlag am Kopf und der Schulter. Kurz realisiert ihr Bewusstsein noch, das sie etwas getroffen hat und mit in die Tiefe zerrt...dann jagt der Schmerz durch ihren Kopf....


Und es wird Schwarz.

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