Friedhofsbesuch - Albrecht Henning || Charaktergeschichte

Still ist es am frühen Morgen über den Dächern von Shaemoor. Dichter Nebel liegt auf den Feldern und zwischen den Häusern auf den Straßen. Eine junge Frau öffnet gerade das Fenster und schlägt die Fensterläden nach außen auf. Die kalte Luft dringt ins Innere und sie zieht ihren Morgenmantel etwas enger zusammen. Ihr Atem formt sich zu einem kristallinen Nebel vor ihrem Mund, als sie eine Gestalt auf den Straßen wandern sieht. Im dichten Nebel ist lediglich die Silhouette erkennbar, doch gehören die schweren Schritte definitiv zu einem Mann. Ihre Augen folgen der Gestalt, während sie sogar die Luft etwas anhält.



Als jene Gestalt aus ihrem Sichtfeld gerät, beugt sich die junge Frau nach außen, aus dem Fenster und verfolgt die Gestalt noch kurz mit ihrem Blick, ehe diese auch schon zu weit weg ist, um durch den Nebel gesehen zu werden. Noch etwas schaut die Dame in jene Richtung, wo die Silhouette eben verblasste. Sie schüttelt ihren Kopf und streicht die morgendlichen Strähnen nach hinten, ehe sie ein Fenster wieder etwas schließt. Es scheint wohl doch deutlich frischer zu sein, als sie es erwartet hatte.



Die Schritte schallen weiterhin durch die ruhigen Straßen. Kies knirscht unter den dicken Sohlen und der Mantel flattert leicht im Winde. Die Hand des alten Henning schließt sich um den mit Fell bestückten Rand des Mantels, zieht jenen enger zusammen um der Kälte und dem Wind zu trotzen. Auch sein Atem stößt in kristalliner Form aus seinem Mund, haftet sich in feinen Eisklumpen an den dichten, grauen Bart. Es schneit, mal wieder. Auch die feinen weißen Flöckchen machen es dem Alten nicht leicht, der Kälte zu widerstehen. Allmählich setzen sie sich zusätzlich in seinen Bart ab, lassen das Grau langsam in ein feines Weiß übergehen. Auch die Schultern des Alten sind bereits vom Schnee bedeckt und machen es ihm nicht gerade leicht, den aufrechten Gang zu bewahren. Einen Gang, der an einen ganz bestimmten Ort führen soll...



Der Weg führt weiter durch die Straßen von Shaemoor. Eine Hand unter dem dicken Mantel, die Andere zieht jenen enger zusammen. Sein Blick bleibt starr auf dem Boden, während man dem Wege folgt. Leicht duftet es schon nach frischem Brot und einigen anderen Sachen. In einigen Häusern brennt das Licht und der alte Henning konnte bereits die ersten Familien zum Frühstück sitzen sehen, als er an jenen Fenstern vorbei ging. Doch senkte er den Blick recht schnell wieder nach vorne und herab. Seine Wollmütze zog er sich tiefer, zurück über die Ohren um diese zu schützen. Dann geht die Hand auch direkt wieder an den Mantel, um diesen wieder enger zu ziehen.



Wenig später erreicht der alte Mann den Friedhof. Der Nebel scheint hier sogar noch dichter zu werden und verbirgt alles, was weiter als sechs Meter von einem entfernt ist. Langsam setzt Albrecht den Weg fort. Vorbei an einigen der dortigen Gräbern und deren Grabsteinen. Das einzige Geräusch ist jenes, was seine Stiefel auf dem steinernen und beschneiten Boden verursacht. Gelegentlich begleitet von einem leichten Windstoß. Ansonsten herrscht regelrecht Totenstille.



Sein Weg führt ihn an einen Grabstein, etwas abgelegen und weiter im Inneren des Friedhofes. Gepflegt wurde er gewiss, doch ist jener samt des Grabes nun mit Schnee befallen. Hier und dort sticht noch einiges, altes Schmuckzeug aus der Schneeschicht hervor. Vor diesem Grabe bleibt der Alte stehen, starrt hinab, verweilt wortlos und regungslos, als würde er innerlich etwas überlegen. Erst nach einer gefühlten Minute löst Albrecht die Hand vom Mantel und wischt über den Grabstein, nachdem er sich etwas herab hockt. Der Name der Person, welche dort unter der Erde liegt, wird somit offenbart und von dem weißen Pulver befreit: „Greta Henning.“. Geburtsdatum und der Tag ihres Todes bleiben verdeckt. Der Name alleine reicht dem Alten wohl und so richtet sich jener wieder auf. Leicht zieht der recht Mundwinkel etwas nach oben und Albrecht stellt sich erneut vor das Grab. Die nun freie Hand wandert in eine Manteltasche, während die Andere vorsichtig aus dem Inneren des Mantels hervor kommt. In jener wird ein Blumenstrauß gehalten. Auch wenn dieser nicht lange bei der Kälte überleben wird, ist es Albrecht wohl egal. Vorsichtig kniet er sich mit seiner alten Hose in den kalten Schnee, beugt sich etwas hervor und platziert den Blumenstrauß vorsichtig auf dem weißen Grabe. Die Farben strahlen hell und kräftig, bieten einen schönen Kontrast zu dem weißen Untergrund. Er verweilt auf den Knien, scheint die Kälte in dieser Situation wohl wenig Interesse in dem alten Herrn zu wecken. Aus der Tasche, wo seine Hand im Inneren ruht, holt er nun zwei große Kerzen in feinen Gläsern und einer vergoldeten Haube hervor. Die Erste stellt er erst einmal zur Seite, schraubt von der Zweiten die Haube ab und zieht die Kerze etwas heraus. Sogleich findet sich ein Feuerzeug aus der Innentasche an, womit die Kerze entzündet wird. Während Albrecht dies tut, verweilt er im Stillen und scheint wohl innerlich zu denken. Sobald die Kerze brennt, wird die Haube wieder herauf getan und das Gefäß auf dem Grabe platziert. Dabei drückt man dieses leicht in den Schnee hinein, um einen festen Stand zu ermöglichen. Das Selbige vollzieht man auch mit dem zweiten Gefäß und der Kerze im Inneren.



Als beide Kerzen sanft im Nebel flackern, fixiert Albrecht sich kurz auf eine der Beiden, ehe sein Blick über den Blumenstrauß hinauf zu dem Grabstein seiner Frau. Sein Blick festigt sich auf ihrem Namen und kurz darauf schließt der Alte seine Augen. Noch immer im Schnee kniend, hält er inne, um seiner Frau zu gedenken. Dass der Schnee seine Hose bereits durchnässt hat und seine Beine und Knie nun der Kälte direkt ausgeliefert sind, stört ihn weiterhin nicht. Er verweilt regungslos, die Hände auf seinen Oberschenkeln zu Fäusten geformt und auf jenen stützend. Sein Oberkörper nach vorne gebeugt und sein Blick hinabgesenkt. Nichts scheint ihn gerade zu stören und aus seinem Gedenken zu bringen.. Bis...


Albi.... Es war leise und könnte nur der Wind gewesen sein, doch Albrecht konnte dort deutlich einen Namen hören, den er sehr lange nicht mehr hörte. Es war jener, den ihm einst seine Frau als Spitznamen gab. Nur sie nannte ihn so. Es war kein Zufall, dass er diesen Namen hörte...an ihrem Grabe. So hebt sich sein Blick und die Augen öffnen leicht. Er blickt sich vorsichtig um. War das gerade real? Als er dies beiseite schob und wieder in jenes Gedenken übergehen wollte, kam es schon wieder.


Albi...Hier.. Erneut sehr leise und undeutlich. Doch erneut richtet sich Albrecht's Blick auf und geht herum. Niemand ist dort, aber es war definitiv nicht der Wind, oder doch? Albrecht wurde unsicher und steht auf. Seine Beine und Knie hinterließen einen Abdruck in der weißen Matte auf dem Boden. Die Hose ist an den entsprechenden Stellen nass und dunkler gefärbt.


Albi. Ich bin hier. Albrecht schüttelt den Kopf. Alles Einbildung und Humbug! Man streicht sich mit Daumen und Zeigefinger über die beiden Augen und anschließend über das Nasenbein. Das kann nicht wahr sein. Ich trinke doch kaum noch. Wieso? Man nimmt die Finger vom Nasenbein, während die linke Hand bereits in der linken Manteltasche steckt. Die Rechte will gerade auch in die andere Tasche wandern, als er etwas an seiner Brust spürt. Genauer gesagt, in der Innentasche über seiner linken Brusthälfte. Man stockt kurz, doch greift dann mit der rechten Hand hinein. Kurz muss man wühlen und fühlen, ehe man eine kleine, silberne Taschenuhr hervor holt. Sein Blick legt sich nachdenklich auf jene. 'War sie schon immer...natürlich war sie schon immer da drin. Es ist schließlich ein Geschenk von meiner Mu...Frau. Meiner Frau.' Der Daumen geht an ein kleines Rädchen, seitlich an der Taschenuhr. Kurz darauf springt diese auf und zeigt ein Bild im Inneren. Es ist Greta, Albrechts Frau. Sie lächelt. 'Hat sie schon immer darauf gelächelt? Muss. Oder?' Noch immer ist der Blick nachdenklich auf das Bild gerichtet, während sich in den Augen des alten Mannes die ersten Tränen sammeln. Man stößt die Luft schwer aus, was einen dichten, kristallinen Nebel verursacht. So weit ist es also schon., stellt Albrecht unbeholfen über sich und sein alterndes Gedächtnis fest. Direkt wird die Taschenuhr zugeklappt und wieder verstaut. Ein letzter, schmerzender Blick auf das zugeschneite Grab, ehe er sich wieder umwendet. Schwere Schritte schleppen den Alten wieder zum Ausgang des Friedhofes. Als er sich dort ein letztes, kurzes Mal umblickt, hätte er schwören können, dass am Grabe seiner Frau jemand stand. Eine Silhouette mit weiblichen Formen. Doch verblasste sie zugleich...

Kommentare 5

  • Ich lese gern von Albrecht. Ich finde es schön, dass die Trauer um seine Frau so ein essenzieller Teil dieses Charakters ist, ohne, dass du sie anderen im direkten Zusammenspiel aufdrängst. Im Alltagsspiel mit ihm ist sie jedenfalls meiner bisherigen Erfahrung nach nicht beherrschend. Aber sie nimmt natürlich Einfluss, z. B. in Form des Trinkens.
    Dass der Charakter aber auch nicht nur in der Vergangenheit lebt, sondern darüber hinaus eine Entwicklung durchmacht, gerade auch durch das Zusammenleben mit Ashera, gefällt mir gut.

  • Albi-Wahn Hennobi...Diesen Namen habe ich seit Ewigkeiten...nicht mehr gehört... o-o


    Voll süß die Taschenuhr!

    • "Albi-Wahn Hennobi...was stimmt mit dir nicht? xD


      Aber ja...Taschenuhren haben schon was ~