Winzig kleiner riesengroßer Rabe

Winzig klein war er in einer Welt der stumpfen Riesen, die nicht sahen, die nicht hörten, die nur stampften noch und nöcher über blutbefleckte Erde. Blut der jenen, die sie hatten doch zu schützen, so wie einst die Göttermutter es in Auftrag ihnen gab. In einer Welt so voll an Unrat, voll an Schrott, der unaufhörlich sich hoch türmte bis hin zum Firmament, in dessen Arm sich Sonn und Mond nicht wusste noch zu retten.

Winzig klein war er in einer Welt der stumpfen Riesen, die so blass und die so träge nicht mehr wussten weit nach vorne oder lieber doch zurück. Die sich aalten in den Weisen, die von schlauen Geistern einst erdacht. Die sich suhlten in Geschichten, die von ihrer Ahnen Hand einst in müßigem Bekennen auf staubiges Papier gebracht. Pergament, das war geduldigt und es schwieg wenn doch eigentlich Protest gesprochen werden musste, denn es war nur Träger und nicht Richter. Denn es war nur Bote nicht Tyrann, der mit harter, harscher, ungebändigt forscher Hand hieb und stach und schlug und hackte, auf dass alles längst verdorben Leben hin zu einem Ende fand.

Winzig klein war er in einer Welt aus blinden Augen, die ihm starr und hohl entgegen gafften. Dumm und blöde im Bestreben alles zu erfassen. Alles wohl zu sehen und dabei den Wald vor lauter Bäumen, das Feld vor Lauter Ähren nicht zu haschen mit den Sinnen, die doch eigentlich gespannt, hier und heute nur verkümmert kleine Würmer in des Hirnes letzter Ecke darbend in den Dreck gebannt. Gezwungen in die bitterste der Fäulnis, in das Vergessen einstger Schönheit. In das Vergessen edler Werte. Werte, die so hoch besungen damals und heute nicht mehr waren als der Unrat an den Sohlen ihrer Füße, geschnitten aus den Leibern derer, die sie hatten doch zu schützen. Blutbefleckt der Erdengrund. Immerzu.

Winzig klein war er, der schwarz trug ob all der Trauer und der Tränen, die ihm in seinem Siegesflug über die Felder und Wälder, die Städte und Haine, die Flüsse und Berge und Schluchten und Löchern entgegen zogen. Schwer wie Teer und dicke Schlacke sich an seine Reinheit hingen, sie zu beißen und zu reißen und auf immerdar zu stehlen. Furcht machte sie schlagend nach ihm. Ließ sie schießen und greifen, wann immer er kreuzte ihren Weg. Wann immer er sich niederließ auf einem Pfahl, auf einer Zarge, wann immer jemand seiner gewahr, ein Stein flog, ein Pfeil, eine Kugel aus Stahl und Blei, denn Wahrheit brachte er in die Heime der Riesen und keiner wollte sie sehen.

Winzig klein war er in ihrer Welt und selbst ein Riese in der seinen. Ein Riese, der zu tragen hatte all das Wissen und die Mask...


Das Papier verschwand in der Schublade, aus der er es zuerst gezogen hatte. Er bettete es auf seinen ungebschriebenen Genossen und ließ es dort zurück. Alleine und unbeachtet unter einer schweren Mappe aus Listen und Rechnungen, die er schon vor Tagen bearbeitet hatte.


Dann griff er sich eine der Wintertagskarten, die fein ordentlich in einem kleinen Kistchen aus Pappe am Rande seines Schreibtisches standen. Routiniert benetzte er die Kuppe seines Daumes mit etwas Spucke, um das Seidenpapier, das dazu diente die Motive zu schützen, von selbigem zu heben. Ein schmales Lächeln verformte seine Lippen dabei. Nur ein Mensch konnte glauben, dass eine so zarte Hülle im Stande war etwas noch zerbrechlicheres vor den Irrungen und Wirrungen des Lebens zu behüten. Letztendlich aber war es wahr, denn der Schein reichte aus sie in ihrem Glauben zu bestärken und unbedacht vorsichtig zu sein mit dem ach so wertvollen Gut, das eigens einer Rüstung bedurfte. Das gefiel ihm.


Der angespitzte Kiel der Rabenfeder tauchte in die tiefschwarze Tinte. Mit keiner anderen würde er die Worte schreiben und am Ende doch der einzige bleiben, der darum wusste. Gewissenhaft strich er die überschüssige Farbe am gläsernen Rand des Fässchens ab, bevor er die nächsten Zeilen schrieb, die sich nur wenige Stunden später tatsächlich in der Zustellung befanden. Es musste reichen.

Kommentare 10

  • Ist mir eindeutig zu interlektüriell der Kursive. *whatsappaffewosichdieaugenzuhält*

  • Dieses Lächeln habe ich quasi im Kopf :D
    Ich mag es immer sehr, zu lesen, wie etwas entstanden ist. Und wenn es nur eine Grußkarte ist. ;D

  • Schön. Der Kursivtext ist herausfordernd zu lesen in seiner bewusst gestelzten Gestaltung, Worte ebenso wie Formulierung und Sinnbild(er). Man hat vor Augen, wie er (natürlich habe ich einen bestimmten Er im Kopf, und frage mich gleichzeitig, ob es der richtige ist, oder ob du mich nur aufs Eis geführt hast) da sitzt in seiner qualitativ hochwertigen Aufmachung, in eher dunklem Licht, umgeben von eher dunklem Holz, und in diesem Moment sehr zufrieden ist mit der Welt und sich selbst. Gefiel mir.

    • Du hast vermutlich den richtigen Er im Kopf :)

    • Er passt für mich auch besser in die Szene als der andere.

    • Ja, der andere hätte es sehr wahrscheinlich ziemlich seltsam gefunden sich in dieser Szene wiederzufinden. Schätze ich. Thehe

    • Danach wird er gar nicht gefragt. 8)
      Zumindest frage ich meine Chars nie nach so was, und das Ende vom Lied ist, dass sie machen, was sie wollen.

    • Ja. Das tun meine eh. Die würden mir den Vogel zeigen, würde ich sie nach irgendwelchen Dingen fragen und zumindest ein gewisser Onkel würde mich schrecklich auslachen. Als würde der sich irgend etwas sagen lassen! Es hat schon Gründe, wieso ich manchmal fassungslos vor meinem Rechner sitze und schimpfe wie ein Rohrspatz, während sie tun und lassen was sie wollen! :D