Arik

Martha ging unruhig in der Küche auf und ab. Mehrmals setzte sie an, etwas zu sagen, doch verwarf sie die Worte wieder, bevor sie sie ausgesprochen hatte.
Das ging nun schon eine ganze Weile so, und Hannah beobachtete die Köchin und Vertraute Erics ruhig von ihrem Posten am Küchentisch aus, lauschte den hochhackigen Schritten und den kurzen, erstickten Lauten, die der schmalen Kehle der Mittfünfzigerin entkamen.
Nach einem langen Seufzer hielt diese inne und hob schließlich doch noch einmal an:
„Ich verstehe das wirklich nicht. Hannah, liebes. Denk noch einmal darüber nach. Ich meine... Es sieht nicht so aus, als hättest du ihn je als möglichen Ehepartner in Betracht gezogen, und nach dem, was die Informanten uns zugetragen haben, scheint auch er keine romantischen Gefühle für dich zu hegen.“


„Mh.“ Hannah nickte langsam, andächtig fast. „Das ist richtig.“


„Na also.“ Martha atmete leise auf, als habe sie auf diese Aussage gehofft, und nickte sich selbst bekräftigend zu.
„Und du musst doch verstehen, dass das abschreckend wirkt: Eine Frau, die seit Jahren mit einem Mann zusammen lebt, ohne verheiratet zu sein. Dazu kommt, das du nun schon 23 Jahre alt bist... Das ist ein Alter, in dem es langsam knapp wird mit den potentiellen Ehepartnern - Zumindest, wenn du einen ordentlichen Mann von genehmer Abstammung abbekommen möchtest. Wieso lässt du diesen Nichtsnutz nicht endlich ziehen?“


Hannah schaute der Köchin entgegen, und unverständig runzelte sich die dunkle Stirn ob dieser Worte.
„Weil er mein Lehrling ist. Und weil es völlig normal ist, das ein Lehrling bei seinem Meister wohnt, um Arbeit und Leben zu teilen. Nur so kann er umfassend und ganzheitlich lernen.“ erklärte sie, dabei einen überspitzt langmütigem Tonfall wählend.


„Ach, ich bitte dich.“ Martha schnaubte, ihre Gereiztheit nicht verbergend. „Er ist doch kein Lehrling. Das erzählst du dir selbst, weil du es gern so haben möchtest. Der Mann ist ein Söldner, ein Auftragsschläger oder so etwas, ein Tunichtgut, ein Säufer, der sich bei dir für ihn nützliches Wissen um die Kräuterkunde aneignet und es sich gut gehen lässt. Einwanzen nennt man das. Ausnutzen. Du denkst doch nicht, das er dir weiterhin helfen wird, wenn er keinen Nutzen mehr ziehen kann? Sobald du ihm nichts interessantes mehr beibringen kannst wird er verschwinden wie er kam.“


„... Weil er dann ausgelernt hat.“ entgegnete die junge Frau ruhig. „Das ist auch völlig normal.“


„Hannah!“ Martha warf ihrem Schützling einen bitterbösen Blick zu, bevor abermals ziellose Schritte durch die Küche hallten.


„Ich meine... einmal ganz davon ab, das er deiner Zukunft als Ehefrau und Mutter im Wege steht – und du weißt selbst, das du in dieser Beziehung auch ohne ihn ein kleiner Problemfall bist – ist er einfach nicht gut! Er hat keinerlei Benehmen, ist gierig und immer auf seinen Vorteil bedacht. Mit Regeln und Gesetzen hat er es auch nicht so, mh?! Wie oft hat er dich in unschöne Situationen gebracht oder dir Probleme bereitet?“
Die Köchin schüttelte den Kopf, als wolle sie eine lästige Fliege vertreiben. „Mir sträuben sich regelmäßig die Haare zu Berge, wenn ich daran denke, was die Informanten über ihn berichten. Versteh doch, Mädchen. Er ist nicht gut!


Hannah blinzelte konfus ob des Nachdrucks in Marthas Stimme und ließ die gesprochenen Worte einen Moment lang auf sich wirken, nahm sich zudem die Freiheit, die letzten Jahre mit ihrem Lehrling im Schnelldurchgang Revue passieren zu lassen: Mit all den Streitgesprächen und etlichen Diskussionen, den vielen Enttäuschungen, den vereinzelten Lichtblicken und seltenen Momenten des Glücks.
Eine seltsame Art von Ruhe, vielleicht gar Frieden erfasste sie dabei.


„Mh.“ stimmte sie zu und wirkte plötzlich ganz beschwingt. „Er ist perfekt. Für mich ist er perfekt.“

Kommentare 6

  • Schöne Stimmung. Ich mag die Ruhe, die Hannah ausstrahlt. Man möchte meinen, sie würde durch diese beinahe schon "langsame" Art vielleicht manchmal ein wenig einfältig wirken, aber das tut sie gar nicht. Sie scheint einfach alles immer erst für sich durchdenken zu müssen und steht dann auch zu ihren eigenen Ansichten und Empfindungen. Das finde ich gut. Ich mag den Charakter, und ich mochte den Text.

  • "Kein Stress, aber die Zeit läuft dir davon!"Die Martha weiß Bescheid.

  • Ha! Erster! Toll geschrieben und tatsächlich hab ich meine gedanken ein wenig zurückwandern lassn. Es ist einfach schön zu sehn wie sich alles entwickelt hat. Und alle ehre an die stasimartha, wie sie einfach bescheid weiss xD

    • Ja, manchmal kommts ganz anders, als man vermutet. :D
      Und... manchmal ist das eben einfach gut. <3
      (btw.: Martha ftw!)