Ich packe meinen Koffer und nehme mit...

Der laute Knall erschütterte das gesamte Gemäuer des kleinen Hauses und fegte sogar zwei Schindeln vom Dach, die klirrend auf dem Gehweg zersprangen und einer Passantin fast das Leben kosteten, als das alte Weib vor Schreck zusammen fuhr.


Im Epizentrum des Schreckens indess, hustete sich die Hausherrin die verdorrte Seele aus dem Leib und zog lautstark die Nase hoch, bevor sie die Brille aus dem Haar pflückte und sich wieder aufsetzte.
Sie sah nichts.


Das Brillenglas war genauso verrußt wie der Rest der Priesterin und trug die letzten, bunten Funken zur Schau, wo die magische Entladung sich optisch verlor. Beinahe hätte es schön ausgesehen, wäre all dem nicht so ein bestialisch lauter Knall voraus gegangen, der noch immer in ihren Ohren klingelte und die gesamte, nahe Nachbarschaft geweckt hatte.
War es so geplant gewesen?
Gewiss nicht.
Hatte sie deswegen ein schlechtes Gewissen?
Natürlich nicht.


Schwerfällg bückte sich Leza nach den Überresten des bis vor kurzem noch intakten Sigills, dessen Erstehung sie ein halbes Vermögen gekostet hatte und nun nur noch Schutt und Asche war.
Sie zog die Augenbrauen zusammen, die in ihrer Anspannung bereits kritisch zuckten.
Mittlerweile gab auch ihr Assistent wieder ein röchelnes Lebenszeichen von sich und würgte hustend den Staub aus seinen Lungen, bevor er er wieder tiefenentspannt nach der zerbeulten Dose am Boden griff, den Ruß am Hosenbein abwischte und sich einen Glimmstängel daraus klaute, den er anzündete.
"So rein aus Interesse....war das geplant?"
Johns Stimme kratzte nur weit entfernt durchs penetrante piepen im Ohr der Priesterin, die vorerst nicht mehr als ein "häh?!" krächzte, ehe sie näher schlurfte und ihm das Rauchwerk von den Lippen pflückte.
Einen tiefen Zug davon genommen und die Husterei danach überlebt, rümpfte Leza die Nase und befummelte den kläglichen Rest ihrer teuren Beute zwischen den Fingern.


"Ich glaube das Sigill war schlecht." Murrte sie.
"Ein Sigill wird nicht einfach schlecht du dumme Nuss." Antwortete der Nekromant prompt und reckte zeitgleich mit ihr den Kopf etwas vor, wie ein altersschwacher Köter beim Schnupperversuch.
"Vielleicht ist es ja abgelaufen?" Philosophierte sie weiter.
"Nur weil du dich gegen dein Verfallsdatum wehrst, muss die kluge Welt nicht mit ziehen. Nein, ich glaube in der Formel liegt der Fehler." Die Worte des Mannes ernteten einem giftigen Blick ihrerseits.
"Meine Formel war korrekt!" Murrte Leza hoch und hob die zerbrochene Sigillhälfte an die blassen Lippen, um prüfend drüber zu lecken.
"Schmeckt verwest." Sie klang so nüchtern dabei, dass es ihrem Bruder einen kalten Schauer über den Rücken jagte.
"Du hast...oh Grenth steh mir bei." John klaute sich den Glimmstengel zurück und zog das gute Stück fast zur Hälfte weg, mit nur einem einzigen, verzweifelten zug davon.
Hiernach hustete er wieder gequält auf.


"Ich glaub', wir haben doch alles richtig gemacht. Geb mir mal das Lösungsmittel." Fordernd winkte sie wirsch in die grobe Richtung und John machte sich auf den Weg, die gewiesene Schale mit dem flüssigen Inhalt näher zu schleppen.
"Wenn uns das nun wieder um die Ohren fliegt, erklärst du den Seraphen, warum Götterfels einen neuen Einsturz bekommen hat."
"Vorausgesetzt, wir überleben das."
"Ja, dass auch. Warum machen wir das noch mal?" Hakte er skeptisch nach, während Leza die zweite Sigillhälfte vom Boden auflas, beide Hälften sorgsam reinigte und hernach an seine Seite, zur Schale trat.
"Hab ich dir nie gesagt und werde ich auch nicht." Kaum ausgesprochen, ließ Leza die Sigillreste in die Schale fallen und wartete mit angezogenen Schultern auf eine Reaktion.


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Etwas später saßen die Zwillinge nebeneinander vor dem Haus auf dem Gehweg und rauchten schweigend vor sich hin. Der Versuch war geglückt, wie die vier neuen Sigill auf ihrem Schoß bewiesen, lief allerdings auch wie erwartet. Es gab noch eine Reaktion, die den zuvor gekosteten Verwesungsgeschmack, zu einer ausgereiften Gaswolke im Haus anschwellen ließ, die ihr Ende an einer Kerze in oberen Küchenraum fand. Die zweite Explosion hatte alle Fenster des Erdgeschosses zum bersten gebracht und ihre Küche zerwüstet- mal ganz davon abgesehen, dass Haus wie auch Inhaber stanken, als wären sie frisch einem Bad mit toten, noch vor sich hin furzenden Stinktieren entstiegen.
"Leza?" John durchbrach nach einiger Zeit das Schweigen und betrachtete seine Schwester aus den Augenwinkeln.
"Ja?" Auch Lezas dunkler Blick kroch in die Augenwinkel, um ihn betrachten zu können.
"Standen oben nicht noch deine Koffer, die ich mitnehmen sollte?"
".....verdammt."
".....verdammt."

Kommentare 7

  • Das war wohl kein überlegenes Sigil, bestimmt so grüner Müll. Sie braucht so eine magische Dschinnschmiede.

  • Sehr unterhaltsam und passend. Man erkennt meine Lieblingslyssapriesterin sofort wieder. :D

  • Und Mie ist sich sicher, dass sie Leza mit auf ihr Schiff lassen will? Im Zweifel kotzt sie alles voll und hat dann nicht mal was zum Wechseln dabei, wenn's ganz blöd läuft jagt sie uns alle in die Luft :D

  • Ich lach mich kaputt! Herrlich geschrieben. Ich liebe deine Formulierungen :D Und das Ende..zu gut! xD

  • Also ich bin abgebrochen vor lachen, schön geschrieben, ein paar wenige Flüchtigkeitsschreibfehler, aber die Geschichte ist toll. <3

    • Uh ja! Auch schon ein paar entdeckt. Das kommt davon wenn man nach der Tippselei vom Handy aus zu faul wird. :D