So ist es, so war es, so wird es sein.

Die ersten Schritte aus dem Raum waren noch die gediegene, ruhige Flucht, keine Hast nach außen hin, welche sich mit dem Schließen der Tür durch die Dienerin hinter ihr änderte. Hastiger wurden sie, rascher klapperten die Absätze über den Boden, wurden nur gedämpft von den weichen Läufern darauf, wenn sie jene erreichten. Mehr noch war der Schiefstand in raschen Schritten zu bemerken und der Rock, nicht bodenlang empfing dennoch die Hände hier und da, wenn sie kein Geländer halten mussten für das Überschreiten der Stufen. Alsbald war sie an ihrem Gemach angekommen, schlug die Tür hinter sich zu und lehnte den Rücken ans Holz. Schwere Atemzüge durch die ungewohnte Hatz durchs Haus, bittere Tränen, welche die spärlich künstliche Farbe unter den Augen verlaufen ließen. Wie sie diese Frau hasste, sie hasste sie aus tiefstem Herzen und mochte ihr die Augen ausstechen, mit denen sie ihn ansah, die Zunge abschneiden, mit der sie ihn immer als den ihren betitelte und die so wortgewandt aus ihr einen Dummkopf machte, im eigenen Empfinden. Keine der Frauen hasste sie so sehr wie Evangeline und keine stach ihr so sehr ins Herz wie eben jene. Ihre Hände umfingen den schmalen Bauch, hüten ihn und undamenhaft sank sie am Holz entlang zum Boden. Erst auf die Füße, dann sogar auf den Hintern, die Knie angezogen mit den Armen umfangen weinte sie, weinte sie bitter und durch das Holz der Türe sicher hörbar. Sie konnte nicht aufhören, ihr drehten sich die Gedanken. Faye hasste diese Frau, aber mehr noch bemitleidete sie sich selbst in diesem Augenblick und auch wenn sie es erkannte, ließ sie es zu. Kein Licht war im Gemach entzündet worden, weil sie dort unerwartet schneller erschien als jede noch so fleißige Dienstmagd es vermochte alles zu richten.


Überhaupt, sie wollte niemanden sehen jetzt, auch wenn man sicherlich Naoko Bescheid geben würde nach ihr zu sehen, nach ihr die so unvermittelt gegangen war, weil sie nichts von weiteren Plänen hören wollte. Von Reisen oder Weinen, von Besuchen in der Stadt und Bekanntschaften die ihm wichtig waren und die -sie- unbedingt kennenlernen wollte. Was war mit ihr? Immer die zweite an der Hand, will sie gar nicht erst diese Hand halten und kannte doch den Groll, wenn er einmal aus der Rolle fiel und ihr verdeutlichte, was sie für Fehler machte. Es würde wieder so sein, es würde immer so sein und die Baroness war nicht einmal das gerade. Ein Gedanke verlor sich an den Vater, den sie nicht mehr lieben sollte, weil er zum Monster geworden war von dem man kleinen Kindern erzählte, weil er sich gegen die guten Götter gestellt hatte und Blut an seinen Händen klebte. Aber er war ihr Vater, er hatte sie bilden lassen, sie aufziehen und auch vorm Blutbad bewahrte er Faye. Allein dafür, weil sie dies nicht mit ansehen musste, blieb der Funken an Liebe und verging nicht. Was würde er sagen, wenn er noch auf dem rechten Weg gewesen wäre? Wäre sie dann hier, wäre sie dort? Wäre sie jemals gereist? Wohl nicht. Ihre Flucht hatte ihr einen mit Dornen gespickten Traum einer Heimat gebracht. Sie hatte so viel, doch hatte sie auch nichts. Vor der Stadt und der Welt würde sie nicht klagen, niemals würde sie es tun. Aber jetzt gerade konnte sie nicht anders, sie weinte und sie weinte von Herzen schwer, der ganze Leib zitterte in der Bitterkeit um das Leben und das erlebte.


Minuten, Stunden konnten es nicht sein, da rührte sich nur kurz der Türgriff, bemerkte den Widerstand des Leibes und eine zierliche Hand in dunklem Handschuh mit silbernen Ringen daran klopfte leise wider dem Holz, bat wörtlich um Einlass und auch wenn sie nicht will, so konnte sie hier nicht weiter sitzen, vielleicht würde man es ihm nachher noch sagen? Langsam drückte sie sich an der Tür in den Stand. Die Füße von der Haltung taub, es kribbelte als liefen Ameisen durch die Beine und es fühlte sich an, als könne sie keinen Schritt machen und hätte die Füße irgendwo zwischen hierher eilen und hinknien verloren. Doch sie stand auf diesen, tritt etwas zurück und die Dienerin durfte eintreten.
Mitleid gehörte sich nicht als erste Hausdienerin, gehörte sich nicht vor einer der oberen Damen, aber Faye tat ihr leid und so war es beinahe eine mütterliche Geste der Gleichaltrigen, die einen Arm um die schmalen Schulter legte und sie zum Stuhl vor dem Spiegel brachte. Ein Taschentuch gereicht, dann widmete sie sich den Tränenschaden auf der Haut, sie zu richten, öffnete hernach die Spangen im Haar und kämmte es durch. Faye wollte heute nicht mehr aus diesem Zimmer gehen, sie sprach darüber sich müde zu fühlen und nur die Veränderungen wären schuldig an Tränen, die sie sonst nicht vergießen würde. Naoko fragte nicht nach, nickte hier und da, ließ dann wieder Stille sein währen sie sich dem Bett zu wand. Kurz schüttelte sie Decken, Überdecken und gefühlte tausend Kissen auf, nur um die Baroness hernach dorthin zu geleiten. Auf Wunsch gab es nur ein Öllicht in einer der Ecken und den Kamin; beides durfte brennen. Ein Licht um den Weg nicht zur Stolperfalle zu machen, wenn sie doch aufstand. Der Kamin damit sie nicht fror und dem Kind ein Schaden geschehen würde. Naoko zog sich zurück, es gab ein Seilchen nah des Bettes, ein Zug daran ließ ein Glöckchen in den Dienerbereichen klingen und sie wäre nur wenige Schritte entfernt. Aber Faye dachte nicht daran zu ziehen, drehte sich in den Decken und sah durch das Fenster in den wolkenverhangenen Himmel, während Tränen wiederkehrten, die in Naokos Anwesenheit versiegten. Nur noch ein wenig sich selbst bedauern, sich selbst für Entscheidungen rügen, nur noch ein wenig für sich sein und Tränen fließen lassen, die an anderer Stelle nicht gezeigt werden dürfen. Sie hasste sie, aber sie würde sie nicht los werden.


So ist es, so war es, so wird es sein.

Kommentare 3

  • So wird es sein....aber nicht für immer.
    (Vielleicht werden alle ja zu Kristallzombies, oder zu Mumienzombies!)


    Aber praktisch so eine professionelle Dienerin, dank ihr kann Frau Baroness ungestört in Selbstmitleid zerfließen ohne zu verwahrlosen. :p

  • Schön fließend, aus einem Guß mit dem Spiel und wie immer sehr intensiv emotional formuliert. <3


    Und ja, ich weiß...


    https://tinyurl.com/seineSchuld

  • Hachja, sie tut mir wirklich leid. Sehr einfühlsam und nachvollziehbar beschrieben. :)