Tausend und eine Nacht

Tausend und eine Nacht. Schon als Kind hatte er Geschichten gehört über Elona – den fernen Orient. Ein Land in dem Träume wahr werden könnten. Ein Ort, an dem nichts unmöglich wäre. Mythen über fliegende Teppiche. Legenden von Geistern, die in anmutig geschwungenen und verarbeiteten Öllampen gefangen waren und einem bis zu drei Wünsche gewähren, würde man sie frei lassen. Auch auf dem Weg mit dem Handelsschiff Richtung Elona schnappte der Nekromant Gerüchte auf, die ihn stark an die Märchen aus Kindheitstagen erinnerten.
Doch das Einzige, was Vaas hier vorfand war Chaos, verursacht von Balthasar und seinen Schergen, Dreck und eine Schneise zwischen Wohlstand und Elend, bei der man über jene in Götterfels nur lachen konnte. Während mitten in Amnoon die Menschen am regen Handel mit Kryta profitierten, das Kasino gut besucht war, ebenso wie der Basar, ist vor den Toren eine Masse an Zelten und Menschen, die ihr Heim verloren hatten.
Der Nekromant interessierte sich jedoch nicht für ihre Schicksale, wenn er Tag ein Tag aus durch die schmalen Gänge der Zelte wanderte, die dicht an dicht gedrängt jeden Platz ausnutzen, den es hier gab. Er interessierte sich nur für die Informationen, die sie ihm bei seiner Suche nach einer ganz bestimmten Person geben konnten. Es war bei der Anzahl nicht einfach, er hatte das Gefühl wirklich jeden einzelnen abklappern zu müssen, um Puzzlestück für Puzzlestück zusammenzusetzen, bis er endlich ein Bild hatte, dass ihm seinen Pfad zeigte. Schwer war es allerdings nicht die Menschen hier zum Reden zu bringen. Sauberes Wasser und Essen war alles, was der Silberschopf zum 'Bestechen' brauchte, vor allem bei jenen, die krank waren und sich nicht selber versorgen konnten.
Ein herzhafter Biss in einer dieser süßen, saftigen Früchte, so dass der goldene Saft des Fruchtfleisches verheißungsvoll über Lippe und Kinn rann.
Ein beherzter, absichtlich verschwenderischer Schluck kalten Wassers, bei dem die Tropfen ebenso an seinen Konturen entlang liefen und auf den staubigen Boden fielen, der so ausgetrocknet war, dass die Flüssigkeit nicht einmal einen nassen Fleck hinterlies.
Vaas war ein Sadist und wird es auch immer bleiben. Hatte man keine Informationen für ihn kippte er Wasser schon mal vor den Personen aus oder ging Frucht essend seines Weges.
Es dauerte. Viel zu lange, bis er wusste, wohin ihn sein Weg führen würde. Gewiss wäre es alles wesentlich einfacher gewesen, wenn er hier nicht wiedermal auf sich alleine gestellt wäre, oder wenn er schon Wochen vorher am amnooner Hafen eingetroffen wäre. Doch der Mann war niemand, der so schnell aufgab, geschweige denn sich von seinem Vorhaben abbringen liese.
Er hatte sein Ziel..... blieb nur noch ein Problem zu lösen....


Mit mehr als argwöhnischem und misstrauischen Blick stand er an den Stallungen der Raptoren und blickte hinauf in diesen dämlichen, naiv-freundlichen Ausdruck des Tieres, dass er dem Mann abgekauft hatte, da die Strecke, die er zurück legen musste zu Fuß kaum in einer ordentlichen Zeit machbar wäre. Doch die Zeit lief ihm davon, wenn es nicht eh schon zu spät war und ihm blieb nichts anderes übrig.
„Wie heißt das Vieh?“ Vaas' Begeisterung war ihm förmlich anzuhören, als er sich ein Stück vor den Nüstern, die ihm eindeutig zu nahe kamen, um an ihm zu riechen, davonneigte. Abneigung sprühte dem Tier entgegen und doch hielt es dieses nicht davon ab, ihm mit einer ekelerregenden Freundlichkeit zu begegnen. 'Wie ein Köter...' dachte er sich. Und was hasste er diese Tölen für ihre aufopfernde Loyalität für sein Herrchen direkt in die Kugel zu springen.
„Ar'rók.“ antwortete der Stallmeister in einer elonischen Betonung, bei der sich Vaas wahrscheinlich die Zunge verknotet hätte, wenn er versuchen würde es genauso auszusprechen. Er schüttelte den Schädel.
„Ich nenn' es einfach 'Arrr', dann ist er mir wenigstens ein bisschen sympathischer.“ brummt der Kerl vor sich hin, was den Elonier zum Lachen brachte. Der dachte, dass der Nekromant schlichtweg nur scherzen würde. „Er ist eine sie. Viel Spaß mit ihr.“ Ein innerliches Seufzen. „Na klasse...“ Irgendwie hatte er nicht so ein Händchen in letzter Zeit, wenn es darum ging, sich einen Begleiter auszusuchen, aber was soll's.
Münzen wechselten den Besitzer und der Stallmeister zäumte das Tier für eine kleine Extrabezahlung sogar komplett auf. Vaas meinte, es ginge schneller wenn er es tat. In Wirklichkeit hatte er einfach keine Ahnung, wie man einen verdammten Raptor aufzäumte, wenn er schon nicht einmal wusste, wie es bei einem Dolyak ging. Aber er beobachtete ihn, merkte sich, welchen Riemen er wo festzog und in welcher Reihenfolge. Somit würde er es schon zur Not irgendwie hinbekommen. Nach einem kurzen Moment wurden ihm dann die Zügel in die Hand gedrückt und es war nun endgültig, dass er den nächsten Weg seiner Reise mit diesem.... Ding... beschreiten würde. Ein Blick auf die Riemen, einen auf den Raptor, welcher ihn erwartungsvoll freudig ansah und dabei die Zunge ein klein wenig zur linken Maulseite hinaus hängen lies. Behindert war das Vieh wohl auch noch... super.
Der Bleiche verdrehte die Augen und stapfte erst einmal weg von den Ställen, um nicht wie ein Idiot da zu stehen, weil er eigentlich nicht einmal wusste, wie man so ein Tier ritt. Wird schon klappen, hoffte er. Bis zu den Stadttoren hin suchte er sich Wege, auf denen nicht soviel los war, damit man nicht sah, wie verkrampft seine schmalen Finger die Zügel hielten, dass sein Gang ein klein wenig versteifter war, nicht mehr so locker. Es war keine Angst, die ihm in den Gliedern steckte, er konnte einfach nicht mit Tieren – ausgenommen Amon vielleicht – er hatte keine Ahnung wann und wie oft er dieses Vieh füttern musste. Eine völlig hirnrissige Idee basierend auf Zeitdruck und seinem Stolz und Ego jemandem einzugestehen, dass er Hilfe brauchte. Und nun hatte er den Salat. Naja, eigentlich den Raptor.
Sie liefen eine ganze Weile nur im Schritttempo, ohne dass Vaas sich auf den Sattel schwang, nachdem sie die Stadttore Amnoons verlassen hatten. Solange, bis er sich sicher war, dass sie wirklich absolut niemand mehr sehen konnte. 'Arrr' lief dabei brav wie eine Töle neben ihm her und gab ab und an Laute von sich, die Vaas nicht zuzuordnen wusste. Aber immerhin schien es kein Zorn zu sein, denn das Viech versuchte ihm noch nicht den Kopf abzubeißen. Und nun standen sie mitten in der Wüste, rundherum nur Sand und gähnende leere. Amnoon war weit in die Ferne gerückt und als kleiner Punkt am Horizont noch auszumachen. Aus seinem Rucksack fischte er eine Karte und einen Kompass, um seine Route nochmals nachzurechnen, während der Raptor hinter ihm stand und still, aber interessiert über dessen Schulter blickte. Natürlich verstand sie nichts von dem, was Vaas da tat, aber es schadete nie einmal zu gucken, vielleicht gab es ja was zu futtern. Erst als die Nüstern so dicht an seinem Schädel waren, dass er den Atemzug 'Arrr' 's spüren konnte zuckte er zusammen und machte einen Satz nach vorn.
„Verdammt nochmal...!“ zischte er dabei, mehr verärgert über sich selber, als über diese riesige Echse. Mit einem Schnauben stopfte er die Karte nun wieder in den Rucksack zurück und nur den Kompass behielt er sich, damit er die Richtung beibehalten konnte. Dann sah er zu dem Tier, weiterhin mit einem gewissen Argwohn und Misstrauen.
„Gut... dann wollen wir mal..... du Viech.“ seufzte er aus, worauf hin das Reptil den Kopf nur schrägte, was seine Zunge noch mehr aus dem Maul heraus hingen lies. Vaas zückte einen Keks aus der Tasche, welchen er von dem Stallmeister mitbekommen hatte. Ein 'Raptor-Keks' nannte er ihn, damit das Tier mehr Bindung zu ihm aufbaute. Dolyakscheiße. Klar, als würde so ein dämliches Stück Keks....
Während der Nekromant noch über die Sinnlosigkeit dieses Leckerchen nachdachte, bemerkte er, wie sich der Blick des Tieres beinahe schon hypnotisiert auf dieses legte. „Hrm....“ Probehalber bewegt er die Hand nach rechts – Blick und Kopf des Raptors schwenken mit. Dann das ganze nach links – selbes spiel. Oben, unten, rechts, links, unten, rechts, oben. Die giftgrünen Seelenspiegel klebten weiterhin an dem Keks, egal wohin Vaas die Hand bewegte. „Wehe du beißt mir die Hand ab – ich beiß zurück.“ brummte er in einem warnenden Ton und reichte 'Arrr' letztendlich die Leckerei. Mit einer Begeisterung nahm sie sich, wenn auch vorsichtig, den Keks und kaute darauf herum, als gäbe es nichts besseres auf dieser Welt. Nun gut... Während das Tier sich noch über den Keks freut, findet Vaas sich innerlich nun damit ab, dass er endlich auf den Sattel aufsteigen musste. Bedacht tritt er um das Weibchen herum, nur um eine Hand auf den Knauf des Sattels zu legen und einen Fuß in die Steigbügel zu führen. Dabei lag sein Fokus beim Kopfe des Tieres. Er traute dem Raptor immer noch zu, dass er ihn einfach fressen könnte. Mit Schwung hievte er sich schließlich auf den Rücken des Tieres und saß erstaunlicherweise auf Anhieb perfekt im Sattel drin.
„Hah...!“ Er konnte es selber gar nicht fassen, dass es so leicht war. „Das ging einfacher als....“ begann er selbstsicher zu sich selbst zu sprechen und bemerkte dabei nicht, dass er Bewegung in Steigbügel und die Zügel brachte, die schon soviel Signal für das Schuppentier war, dass es mit einem Satz nach vorn los stürmte, dass der Sand unter ihnen nur so aufwirbelte.. „...gedaaaaaacheiligescheiße!“ kam der Rest des Satzes nur noch holpernd über seine Lippen, während er sich aus Reflex in den Sattel hinein presste, die Zügel mit einer Hand umklammerte und die andere versuchte den Dreispitz nicht vom Schädel fliegen zu lassen.
Da er keinen Schimmer hatte, wie man dieses Ding wieder anhielt, blieb ihm erst einmal nichts anders übrig, als an den Lederriemen in seiner Hand zu rucken, und den Raptor irgendwie in die richtige Laufrichtung zu bekommen. Dieser gab grunzende und scharrende Laute von sich, da der Kerl auf dem Rücken keine klaren Anweisungen gab. Sie blieben zwar einigermaßen auf dem richtigen Kurs, aber es sah eher aus, als wäre Reiter oder Raptor betrunken... oder beide.
Na das konnte heiter werden....
Tausend und eine Nacht am Arsch! Er würde sich hierbei noch den Hals brechen.

Kommentare 8

  • „...gedaaaaaacheiligescheiße!“


    Wunderschön! xD <3

  • Na wer solche Touristen hat, braucht keine Feinde mehr. :p Mir fehlt aber ein Satz, wo er Sonnenbrand bekommt.

  • Na das ist doch mal eine erfrischende Abwechslung in Ton und Gefühl zu den doch sehr herzzerreißenden Geschichten davor. *weint immernoch um Darius*
    Dagegen dann jetzt so ein herrlicher Unfug tut irgendwie gut! Schade nur, dass er sich nie die Blöße zu solchen Trotteligkeiten gibt, wenn jemand in Sichtweite ist!

    • Diese Trotteligkeit hat er zu 90% auch nur im Umgang mit Tieren x'D


      Hört doch mal auf von Darius zu reden QAQ
      #neverforget

  • Arrrrrr wie fantastisch!
    Ein “behinderter“ Raptor, ein völlig abgenervter Vaas und ein Keks - super gut.
    Ich habs mit viel Freude gelesen und finds einfach wirklich klasse keinen übernatürlich guten Raptorreiter in Vaas zu sehen.
    Für das was Vaas ist wirkt er so echt menschlich und etwas niedlich^^


    Bitte nun tausend und eine Geschichte von Arrrrbenteuern der Zwei.
    Danke.

    • Danke, dass es gefällt :) Dass bereitet mir immer am meisten Freude beim Schreiben, wenn es anderen auch Emotionen hervorlockt, wie Freude bis hin zu Gänsehaut ^^


      Und ja, Vaas konnte noch nie gut mit Tieren, ich hätte es nicht logisch gefunden, wenn er dann tiptop auf einmal auf einem Raptor reiten könnte ^^
      Eins, zwei Geschichten dazu werden gewiss noch kommen :)