Chaostheorie~

Leben, oder Leben lassen?


Ein logisch denkender Geist, hätte das Leben gewählt, hätte es bejaht, befürwortet.
Doch sie hätte sich anders entschieden, ohne großes zögern. Ein Leben konnte grausam sein. Ein Leben konnte Gefangenschaft und Ketten bedeuten, doch das Leben, leben zu lassen, bedeutete soviel mehr, nahm man sich die Zeit, darüber zu sinnieren.
Es ratschte leise, als das kühle Metall seine Arbeit tat und ein Teil von ihr zu Boden fiel.


Geld oder Gesundheit?


Sie hätte das Geld gewählt, sehr lange Zeit. Nicht aus Raffgier, nicht weil sie es schätzte; Aber das eigene Wohl, besaß noch weniger Wert. Ihre Herrin wusste warum und obwohl sie glaubte, Lyssa würde es nicht gut heißen, redete sie sich ein, dass sie es doch verstand und vielleicht, nur vielleicht auch Nachsicht zeigte.
Geld war einfach gestrickt. Geld war nützlich. Geld betrog dich nicht, Geld wollte nicht gepflegt werden und Geld tat nicht weh, wenn es langsam schwand.
Geld, war der einfachere Weg.


Vergänglichkeit, oder Ewigkeit?


Die Aussicht auf Ewigkeit, schürte einen Kloß in ihrem Hals. Ein einfacherer, ein genügsamerer Verstand, hätte sofort die Ewigkeit gewählt, doch was bot sie schon? Zeit, zum Preis des Verlustes. Kein Ende, nur Rastlosigkeit, denn irgendwann wäre der Punkt erreicht, wo man alles gesehen, alles verstanden hatte- nur nicht, warum man kein Ende fand. Grausamkeit in Raten, verpackt in einem viel zu lockenden Angebot.
Neuerlich nahm ihr das kalte Eisen ein Stück ihrer selbst und sie betrachtete das fallende Gut, mit nüchterner Gleichgültigkeit.
Erleichterung machte sich breit, als ein kleines Quäntchen Schönheit fiel.


Liebe, oder Einsamkeit?


Das Herz wollte- natürlich- die Liebe, doch der Verstand war stärker. Sie wählte die Einsamkeit, denn die Einsamkeit beschützte. Sie legte einen vertrauten, wohlwollenden Mantel um das Wesen und empfing es dankbar, denn auch die Einsamkeit, war insgeheim einsam. Die Einsamkeit war ungeliebt, man fürchtete sie- doch mit welchem Recht, entbot man ihr die Liebe?
Irgendjemand sollte sie lieben, irgendjemand sollte sie umarmen und ihr sagen, dass es in Ordnung war. Das man verstand. Das man sich dazu setzte und blieb, nicht fort ging, wie alle anderen.
Sie wollte dieser jemand sein. Sie hatte zu viel Liebe zu geben und die Einsamkeit empfing stets zu wenig, warum also nicht ihr, all diese Liebe zukommen lassen? Ein Gewinn für beide Seiten. Es war nur recht, wenn sie ihr etwas davon abnahm, damit sie die Dinge wieder nüchterner und klarer sehen konnte, distanzierter.


Vertrauen, oder Verrat?


Die Logik gebot Vertrauen, doch wie konnte man seinen Wert erkennen, kannte man nicht den Verrat? Wie sollte man um Vertrauen kämpfen können, es geben, wenn Verrat nicht mahnend neben dir stand und ab und an, in seltenen Momenten, deine Hand führte?
Sie wollte den Verrat wählen, aber sie konnte es nicht, denn obwohl sie es nicht gerne zugab, fürchtete sie ihn, fürchtete die Vertrautheit des Feindes, der mittlerweile zum getreuen Gefährten geworden war.
Man hatte sie oft verraten, man würde es noch häufiger tun. Sie kannte seine Facetten, seine tausend Gesichter. Die Schönen, die Schmerzhaften, die Leisen, die Subtilen. Verrat war eine angenehme Konstante in ihrem Leben, dessen Schmerz zum fernen stechen abgestumpft war. Lag es daran, dass sie dazu übergegangen war, den Verrat an ihrer Person zu befürworten? Die Leute hier hin zu manipulieren?


Opfer, oder Gabe?


Eine Wahl, die ihr durchaus schwer fiel. Opfer waren gewichtig, konnten aber auch sinnlos dargebracht und verschwendet werden. Gaben dagegen, gewannen nur selten den Wert, den sie besaßen. Wurden unterschätzt, blieben unbeachtet, in der Selbstverständlichkeit der Wahrnehmung.
Sie wägte einige Zeit ab und entschied, sich nicht zu entscheiden.
Stattdessen fiel die nächste Locke, ehe sie die Schere langsam nieder legte und dem Spiegel mit dem Gesicht näher kam.
Müde Zufriedenheit kroch in den braunen Blick, der wieder von dunklen, geschwollenen Augenringen gekrönt wurde. Zeugen einer schlaflosen und vielleicht auch verweinten Nacht, die im routinierten Rausch an fragwürdigen Substanzen endete.
Als sie später erwachte, wusste sie nicht wo sie war.
Auch das, war allzu vertraut.
Es blieb einzig die Erinnerung an die voraus gegangene Nacht, die getroffenen Entscheidungen und die Konsequenzen, die sie daraus zog.


Der Blick wanderte zur kleinen Figur des weißen Bauern, dessen materielles Ebenbild und Original, sie zurück gelassen hatte, nachdem man ihn ihr achtlos zuwarf.
Leza trat an das magische Konstrukt heran, schnippte es vom Tisch und sah zu, wie sich das Bildnis in den müden Schlieren ihrer Magie auflöste und an Kraft verlor, bevor der Bauer fort war.


Sie redete sich ein, ihre Entscheidung gefällt zu haben;
warum Schach spielen, wenn man das Spiel auch umschmeißen konnte?

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