Aus "Der siebte Tag"

Aus "Der siebte Tag" von Everardus Reynfrey
Kapitel 5, 8. Absatz


Verlesen zur Gedenkfeier der Brücke 1330n.E.
und zum Philosophieunterricht "Liebe und Tod" von Priester Samuel Blestem


Brice sah fahl im Angesicht zu Boden und sprach mit leiser, gebeutelter Stimme, kratzend im Hals und über leerem Magen, "Die Fahnen sind wie Geister, Schatten dieser Tage. Die Triebe wachsen ohne alle Erntehände des letzten Herbstes erwarten zu dürfen. Das Kinderlachen meines Herzens ist verstummt und ich lese nie mehr Spreu vom Weizen, denn jene, die mit mir das Brot teilten sind nicht mehr hier." Er kauerte, bedeckt von Schmutz und Asche und in den Schlieren stummer Tränen, deren Rinnsale die Haut rein waschen wollten. Da reichte Aubrey ihm die zarte Hand und bat ihn sich zu erheben. Die Schwaden letzter Brände zogen dunkle Striemen über ihrem krausen Haar durch die blaue Himmelskuppel und der schwere Geruch von verfallenen Träumen lag in der Luft. Aubrey gestattete ihm sich aufzugeben, wenn er ihr den letzten Marsch durch das Trümmelfeld als Geleit gewährte und so geschah es, dass Brice sich erhob und Seit an Seit durch tiefe Pfützen der letzten Regentage watete.



"Dort hissen sie die Fahnen um den letzten Feindesscharen zu beweisen, dass Balthasars Feuer triumphierte. Ist dir Sicherheit denn nicht genug? Dort wo Mauern brachen, schläft nun jedes Kindelein still und ohne Sorge, dass die Schwerter neuerlich erklingen," erklärte Aubrey. Und dort, wo die Flaggen wehten, fingen sie sein Augenlicht in Nachdenklichkeit. Menschen flehten, Menschen fielen und für was? Dies war ihm nicht gewiss, denn er hatte verloren, was den Glauben nährte. Aber eines konnte er nicht leugnen. Die Stille jeder Grillenzirpen erfüllten Abendstunde.



"Sieh nur," sprach Aubrey ihm zu, "siehst du dort die Köpfe junger Triebe durch die Asche steigen? Sagtest du nicht, der Götter Wille ist im Kriege umgekommen? Warum lässt Melandrus Wille dann den Weizen keimen?" Brice betrachtete abschätzig, was dort wuchs und konnte sich der Sprache nicht ermächtigen. Verstummt war er, weil die Donnerschläge der Kanonen lauter waren als ein Gott. Und doch nährte die Asche ausgebracht von Feuern, die Heime verzehrten die Ernte des kommenden Herbstes, denn die Asche selbst wusste nicht von Leid und war nicht mehr als das.



"Wie arglos und achtlos ein Kind zur Welt zu bringen," moserte Brice als in den Ruinen des alten Schreins ein erstes Japsen und das Wehklagen der Geburt ertönte und Audrey sagte nur, "Es war der Dwayna Wille und die mutige Frau gebar nicht nur ein Kind, sie gebar die Hoffnung der großen Mutter mit ihrem ausgemergeltem Leib. Unsere Zukunft für die so viele fallen mussten." Und Brice hielt inne um das Lächeln einer Frau zu betrachten, die noch vor Tagen glaubte ungeborenen Abschied zu erleben, die Tränen schon vor dem wahren Verlust weinte und diese nun in Freude vergoss.



Am alten Speicher lasen die Dorfvetteln Nüsse und Samen aus dem Grund, fleißig wie eh und je bemüht die Steine von den Früchten zu trennen, sie gerecht zu teilen und selbst in diesem Symbol des Überlebenswillens sah Aubrey, "Ein Zeichen des Urteils in friedlichen Stunden, nachdem das der Kormir gerechte Urteil oft die Göttertreuen von den Gottlosen trennte. Zu wissen, was getan werden muss, ihrem Vorbild treu den nächsten Schritt zu gehen auch wenn es schmerzt, doch letztlich der Bestimmung Lohn erntet. Rückgrat. Erhabenheit über allem Übel." Und Brice nickte.



Dort wo Bardensang und Tanz im letzten Jahr durch Fenster schallte stand ein junges Paar das sich Brot teilte und der Bursche beugte sich um der mitleidig geschundenen Herzensdame einen Kuss auf die Stirn zu legen, auch wenn es eigentlich lange nicht genug für einen war, was er in Händen hielt. "Sieh, Brice," flüsterte Aubrey, "Güte, Hilfsbereitschaft und Liebe aus Herzenswärme der Zweigesichtigen geformt. Die wahre Schönheit des Seins und sage mir bitte ob du es noch immer nicht erkennen kannst und kühl vermutest, der Weltenlauf Ende in den Ruinen deines Hofes jeher."



Aubrey legte ihre Arme um den Mann und die Umarmung wärmte Brice. Er erkannte in ihr jene, die er verloren hatte. Die Mutter seiner Kinder, die sonst niemand sah, denn Aubrey war eine Erinnerung, die niemand kannte, wie Brice selbst. Die einzige, mit der er Sprach und deren Antwort er nur wusste und was ihn bei der Hand nahm war die Hoffnung, die sie im Leben spendete und das Wissen, dass sie nach dem Tode noch irgendwo auf ihn wartete. Und darin sah er Grenths Macht endlich, denn der Prinz der Finsternis gab uns sein Wort darauf, das jede Seele die der Götter Erbe hütete geborgen in den Nebeln weilt und dies spendete Brice neuen Mut. Sie war nicht verloren. Sie war als Erinnerung bei ihm und zeigte ihm darin die Welt, die sie so erbaulich mit ihm teilte. Die Welt, die überlebt, auch wenn das Unheil einen Lidschlag in aller Zeit mit uns um diese Welt ringt. Nur weil niemand Aubrey an der Hand ihres geliebten Mannes sah, war sie noch lange nicht fort. Aubrey hatte recht, wie sie in Güte immer Recht behielt, weil sie den Göttern folgte. Brice sprach nur drei Worte in denen Wut zur Erkenntnis wurde, Trauer zur Erinnerung und der Wille zu sterben der Wille weiter zu leben. "Danke, meine Liebste."

Kommentare 2

  • War das noch zum Mantelangriff oder schon das Jahr darauf?
    Find ich schön wie alle Sechs da irgendwie ihren Platz drin haben, ohne dass es aufgesetzt wirkt.


    Beim Grillenzirpen krieg ich Lust auf Sommer. \o/

    • Das war darauf, wenn ich mich nicht ganz täusche. Dankeschön. :3