Nacht der Flammen

Ein spitzer, schmerzvoller Schrei lies ihn hochschrecken.
Es war warm in seinem Zimmer. Ungewöhnlich warm.
Zitternd stand Naveen ruckartig auf, der Atem keuchend, die Hände sofort schweißnass. Erneut erklang ein Schrei, dann ein heftiges Rumpeln, das die Wände seines kleinen Zimmers erzittern lies.
So schnell wie in dieser Nacht hatte er sich wahrscheinlich noch nie seine Hose und ein einfaches Leinenhemd übergeworfen, während er zur Tür rannte. Als er sie öffnete, schlug ihm eine Hitzewelle entgegen. Dicker Rauch vernebelte seine Sicht und kroch sofort in seine Lunge, was einen Hustenreiz auslöste. Unterhalb der Treppe sah er das unverkennbare Farbenspiel von einem nahen Feuer an der Wand. Hätte nicht eine erneute Erschütterung ihn aus seinen Gedanken gerissen, wäre der junge Elonier wohl starr vor Angst noch viel länger hustend so in seinem Türrahmen stehen geblieben.
Er sagte kein Wort. Schrie nicht. Rief niemanden. Und doch durchzuckte nur ein panischer Gedanke seinen Verstand. Kasha.
Er lief den schmalen Flur im ersten Stock entlang zum Fenster, riss es auf und erblickte vor sich auf dem Hof gerüstete Gestalten die zu schweben schienen. Dunkle metallische Gebilde, von einem heißen Gottesfeuer aus dem Inneren genährt. Das halbe Wohngebäude, in dem Naveen sich befand, brannte lichterloh während die Feuer immer weiter von Feuerkugeln genährt wurden, die die Gerüsteten mühelos mit ihrer Magie wirkten und auf das Gebäude zu schleuderten.
Flammenschein erhellte Naveens erschrockenes, schweißnasses Gesicht und der warme Wind der Wüstennacht lies die Flammen alsbald zu ihm hochschlagen. Reflexartig duckte er sich etwas und hielt einen Arm schützend vor sich.
Da ertönten wilde Rufe und Schreie, als er beobachtete, wie sich die Mitarbeiter des Hofes, darunter höchstwahrscheinlich seine Zieheltern, mit Mistgabeln, Stöcken und Stäben bewaffnet auf die Angreifer stürzten.
Doch gegen Geschmiedete hatten sie keine Chance. Die körperlosen Hüllen fegten einen Menschen nach dem Anderen mit Armhieben weg oder schleuderten ihnen Feuerbälle entgegen. Die Schreie wurden unerträglich. Das herzlose Knistern der Flammenwand wurde lauter und Naveen blieb keine andere Wahl, als sich zusammen zu reißen und aus dem Fenster im ersten Stock zu springen, bevor das Feuer ihn von außen und von innen gänzlich einschloss. Dumpf kam er im Wüstensand auf, seine tote Familie nur wenige Meter von ihm entfernt. Die Geschmiedeten widmeten sich derweil mechanisch dem nächsten Gebäude zu. Den Stallungen.
Naveen hustete, als ihm der Rauch der Feuer das Atmen schwer machte und rappelte sich hoch. Er presste den Kragen seines Hemdes gegen Mund und Nase, aber das konnte den Geruch nach verbranntem Fleisch, angesengtem Holz und Lehm nur minimal unterdrücken. Er musste fliehen.
Aber nicht ohne Kasha.
Wie von Sinnen und mit dem Mut der Verzweiflung rannte er gegenüber zu den Stallungen, an den Geschmiedeten vorbei, die den jungen Mann wohl erst bemerkten, als dieser schon an ihnen vorbeigeflitzt war.
Die meisten Raptoren waren vor den Feuern bereits geflüchtet. Andere brüllten und trampelten laut, ob der kommenden Gefahr, doch blieben sie in dem offenen Stall. Auf ihre Menschen wartend, die sie retten würden, oder nur auf etwas lauernd, was sie angreifen könnten.
Keuchend öffnete Naveen das kleine Tor zum offenen überdachten Stall, als ihn auch schon ein schwarzer Raptor wild über den Haufen lief und sich geradewegs mit einem herrischen, wütenden Brüllen den Geschmiedeten entgegen stellte. Es war nur eine Minute, doch Naveen kam es eine Ewigkeit vor, die er auf dem Stroh lag. Vom Raptor gegen die Seite gestoßen. Es fühlte sich an, als wäre mindestens eine Rippe gebrochen, doch er zwang sich aufzustehen. Noch zwei Raptoren waren im Gehege und diese liefen wild durcheinander, scharrten im Stroh und brummten unsicher, ob sie fliehen, angreifen oder abwarten sollten und schienen völlig überfordert von der angespannten Situation. Naveen rannte auf das größere der Weibchen zu, zerrte sie am Kopfgeschirr etwas zu sich und versuchte seine Stimme ruhig klingen zu lassen. Obwohl es ihm kaum gelang, beruhigte das gestreifte Dreihorn sich und die grünen Iridien suchten instinktiv die goldbraunen des Eloniers, als begreife sie, dass dieser wusste, was zu tun ist. Dass sie in Sicherheit ist.
Naveen hatte Mühe den riesigen Schädel seines Raptors am Kopfgeschirr unter Kontrolle zu halten und es gelang ihm gerade so, dem zweiten Weibchen einen Befehl zum schnellen Lauf zuzurufen und ihr einen Klaps gegen die Seite zu geben. Dann klammerte er sich an den Hals seines Raptors, befahl seinen Beinen einen hohen Sprung und zog sich auf den geschuppten Rücken. Sein Brustkorb heulte auf vor Schmerz, doch er klammerte sich weiter in Bauchlage an dem kräftigen Hals des Reptils fest.
„Lauf, Kasha.“ Keuchte der junge Elonier und sein Raptor lief dem anderen Weibchen hinterher.
Der schwarze Artgenosse lag tot und blutend im Sand und doch hatte er durch seinen Mut die Schergen Balthasars gerade so lange aufgehalten, dass Naveen, Kasha und das andere Raptorweibchen in die andere Richtung fliehen konnten.
Kasha lief durch die Flammen. Ihr hektisches Trompeten schallte durch die Nacht.

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