Abend Dunkel






Wieder einmal sah er nach draußen aus dem Salonfenster. Er stand neben den Schemel am Flügel. Er war noch warm, an den Stellen, an welchen sie gesessen hatten. Ihr Duft lag schwer und drückend im Raum und unterstrich seine Gedanken. Sie drehten sich um die Vergangenen Stunden. Gingen hin zu jener die ihm das Versprechen gegeben hatte, und die nun fern von ihm in Elona weilte. Er sinnierte darüber was geschehen war. Diesen Ausgang des Abends hatte er wohl nicht erwartet. Aber was hatte er eigentlich erwartet?



Als der Brief der Komtess zu Garrenhof ihn erreichte, war er mehr als nur überrascht gewesen. Dass sie sich nun meldete, wo Minna fern von ihm war, ließ ihn im ersten Moment stutzig werden. Stutzig, über die eigenen Gedanken, die er jenem Treffen entgegen bringen sollte, um das die Komtess ihn bat. Sicher, er freute sich darauf sie wiederzusehen. Besonders, wenn er darüber nachdachte, wie sie beim letzten Male auseinander gingen. Ihr verschwinden als er ihr berichtet hatte, eine Anstandsdame eingestellt zu haben, die verhindern sollte, dass er etwas tat, was sich nicht gehörte. Er hatte sich nicht etwa von ihr abgewandt. Sie war gegangen. Aber freute er sich zu sehr darauf?



Genau jene Gedanken kamen ihm nun wieder in den Sinn, als er für sich das Ganze von hinten aufrollte. Er hob den Blick zum Bild der Komtess welches dort an der Wand hing. „Du weißt dass ich mir bis heute nicht sicher war. Ich habe dir davon berichtet. Nicht sicher wie ein Treffen ausginge“ sprach er zum Bild.



Wider aller Vernunft hatte er ihr geschrieben. Hatte sie mit den Rosen im Vorgarten verglichen. Ein Gedanke der ihm immer wieder in den Sinn kam. Fast hatte er geglaubt, dass es eine Weile dauern würde, bis sie wieder schreiben würde, doch als er vor Stunden in den Salon trat, saß sie da auf einmal.



Er blickte wieder hinab auf das Klavierbänkchen. Nach einem Atemzug wand er sich davon ab und ging hinüber zu dem Teewagen neben der Couch. Er nahm den gläsernen Verschluss von einer Flasche Cognac und schenkte sich einen Schluck Des selben in ein Glas, hob es an die Lippen und trank.



Sie hatte ihm davon berichtet, dass sie in Baron von Harmon den Mann gefunden hatte, der in ihr Herz getreten war. Fast hatte er vermutet, dass wenn Marlene das Gerede der Leute über sie und den Baron bestätigte, sich eine Eifersucht in sein Herz schleichen wollte, doch sie blieb aus. Stattdessen breitete sich eine Freude in ihm aus. Er freute sich für Marlene, denn egal war sie ihm nicht, gleich was geschehen war.
Marlene berichtete ihm davon, das Isaiah in Tonteich bei seiner Mutter war, und das sie ja für eine Weile in sein Gästezimmer ziehen könnte. Er wurde hellhörig. Schon einmal hatte sie das angekündigt. Damals hatte er noch gehofft, Marlene könnte ihren Stand hinter sich lassen, und zu ihm finden. Auch heute schlich sich eine leise Angst in seine Gedanken. Würde es wieder so werden?



Es war inzwischen kühl geworden, und der Abend drang mit seiner Kälte durch die großen Scheiben in den Salon herein. Ein Umstand den er trotz dem Cognac deutlich wahrnehmen konnte. Er ging zum Kamin und legte einen Scheit Holz nach.



Die Komtess warnte ihn, das sie sein Haus noch einmal umgestalten würde. Zu seiner eigenen Überraschung merkte er, dass ihm dieser Gedanke nichts ausmachte. Vor seinem inneren Auge, ertappte er sich bereits dabei, wie er sich sein gemeinsames Haus mit Minna vorstellte, während er der Komtess zu entlocken suchte, welche Änderungen sie in ihrem Kopf bedachte. Diese hatte ihn jedoch vertröstet, nur in Aussicht gestellt dass es ihm bestimmt gefiele.



Langsam schritt der Fischer hinüber zur Chaiselongue und ließ sich sinken, sich dabei einen zweiten Cognac eingießend, den er sich in kleinen Schlucken genehmigte. Ein Blick huschte zu den Büchern mit welchen er den Salon betreten hatte. Ein Roman und ein Gedichtband. Er hatte darin geblättert um Marlene ebenso ein Gedicht mitzuschicken, wie sie ihm eines mit ihrem Schreiben zukommen ließ. Jedoch hatte er keines gefunden. Nun lagen die Bücher dort auf dem Tisch.



Das Gespräch der beiden kam auf die Zukunft zu sprechen. Seine Pläne mit Minna ein kleines Haus zu kaufen. Eines das etwas privater und gemütlicher war als Turpin House. Ein Ort für eine Familie, wenigstens dann und wann an den Wochenenden. Ganz langsam, kam die Sprache auf Kinder und er merkte wie sehr Marlene dieses Thema zuzusetzen schien. Letztlich, soweit bis sie ihn von jetzt auf gleich verließ. Er blickte ihr noch eine Weile nach, bevor er sich an den Flügel setzte den sie ihm geschenkt hatte, und zu spielen begann.



Nun, eine Stunde später, saß er hier. Er hatte ein schlechtes Gewissen Marlene gegenüber. Zwar hatte sie ihm versichert, dass alles in Ordnung sei, aber er kannte sie inzwischen besser. Hatte er dieser Frau doch einst einen Antrag gemacht, den sie nicht wie erhofft annahm. Als sie in die Nacht hinaus trat, waren seine Gedanken schwer. Er hatte Marlene verletzt, jedoch den zärtlichen Gedanken widerstanden, welchen er fürchtete in ihrer Gegenwart zu verfallen. Mehr jedoch, bemerkte er nun mit aller Härte, wie sehr Minna ihm fehlte. Alle Ablenkung, alle Zerstreuung im Klavierspiel, der Arbeit oder dem Einrichten des Kinderzimmers konnten nicht darüber hinwegtäuschen, wie sehr sie ihm fehlte. Warum Elona? Warum konnten es nicht die Gendarranfelder sein, oder irgendein anderer Ort, den man innerhalb von Stunden erreichen könnte?


Graham trat an den Sekretär im Salon, nahm Feder und Papier zur Hand und begann zu schreiben. „Liebste Minna…“



Als er eine halbe Stunde später wieder aufstand um an den Flügel zu treten und neuerlich zu spielen begann, verfluchte er die Entfernung. Fräulein Lilienthal würde heute Nacht unter seinem steten Spiel zu leiden haben. Noch jemand den er an diesem Tag wahrscheinlich nicht glücklich gemacht hatte. Was für ein Abend…




Die zweite Seite der Medaille - Freundschaft - Mia

Kommentare 18

  • Klaviermelancholie! :D


    Aber sollte er nicht auch selbst in Elona sein, Schweberochenfliegen lernen und seinen Perlentauchhandel damit optimieren? Die Konkurrenz wird ihn überrollen! :o

    • Vielleicht wird er irgendwann in den Perlenhandel einsteigen und sich durch ein Komplott einkaufen, aber gegenwärtig wurde ihm Götterfelshauarrest verhängt. Die Dame des Hauses... der alte Pantoffelheld.

  • Etwas verspätet, aber ich finde es toll.
    Sehr schön geschrieben :3

  • *seufzel*
    (Ja, ich musste wirklich seufzen. :D)

  • Oh, das ist schön. Schön melancholisch. Und dann auch noch Albinoni im Hintergrund. Herrlich.

    • Danke schön für das Lob. Eigentlich sollte es ein Andres Stück sein, aber das war zu viel. *g*

    • Welches denn?

  • Einen Mann verzweifeln lassen, können nur die Frauen. 8)
    Schöne Stimmung, die du da aufbaust. Du sprichst damit bestimmte Gefühlsregungen beim Lesen an, ohne, dass du sie einem aufzwingst, im Gegenteil, du lässt bei der Atmosphäre, die du erzeugst, sogar noch Spielraum für eigenes. Das empfand ich als sehr angenehm. Diese kleinen Randgesten, wie Holz nachzulegen und Einstreuungen, wie dass er die Kälte trotz des Cognacs bemerkt, machen Szene und Charakter sehr lebendig.
    Gefiel mir gut.

  • Ich muss gestehen dass ich deine Geschichten wirklich gerne mag. Schön geschrieben. :)

  • Ist ne' andere. "Her Dragoness" :D *Fräulein Rottenmeier inc.*

  • 8| Lilienthal? ich bin dezent verwirrt

  • Dieser Mann.. *seufzt leise* Danke für die tollen Stunden. Heute, damals und überhaupt! <3

    • "... Und ein Dichter vermag alle Wörter in allen Sprachen zu sprechen, allein, es wird kein Wort erklingen, wenn niemand da ist, dem sie gelten könnten, oder der ihn durch seine bloße Anwesenheit inspiriert..." Um es mit Grahams Worten zu sagen. So muss ich dir danken, für die vielen wundervollen emotionsgeladenen Stunden.