Damit macht man keine Scherze

Auf einer Moaranch im Königintal


„Sieh dich um, Milli.“, sprach Marik.
Der Kopf des prächtigen, pinken Moa ruckte zu seinem Züchter, ein Schnattern folgte, dann erkundete das Tier das Innere der Scheune, die es jeden Tag gesehen, aber nie betreten hatte.
Sie war nun also wirklich weg. Die Scheune hatte Jaroyesh leer und sauber hinterlassen, das Geld des Klerus für ihre geplünderten Schätze eingeheimst.
Kein Boxsack mehr, keine Rüstungsständer, keine Waffen, kein Besteck mehr in Einmachgläsern. Alles in ihr neues Iorgahaus verfrachtet. Für den 'Schutz', den sie ihnen durch ihre Anwesenheit gegeben hatte, hatten sie sie durchgefüttert. Und sie aß nicht wenig.
Das war nun vorbei.
Jetzt war sie sogar wieder nach Orr gegangen. Dort passte sie viel eher hin als auf die Ranch.
Orr, Orr, Orr...er hatte es nicht mehr hören können, ständig wollte Thomi ihre Geschichten erzählt bekommen. Es waren keine schönen Geschichten, keine Geschichten für Kinder, besonders nicht für so ein simples Kind wie Thomi.
Übrig blieb nur der Krempel, der irgendwie mit Zentauren zu tun hatte. Weil Thomi so fasziniert war von ihnen. Thomi trat über das zertrampelte Zentaurenbanner der Taminirotte, Roys ehemaligem Fußabtreter, in die Scheune.
„Papa!“
Mit seinen kurzen Fingern trug er den widerlichen Zentaurenschädel, den er unbedingt von ihr geschenkt haben wollte herein, legte ihn sofort ab und sah seinen Papa aufgeregt an.
Dann waren da noch ihre 'Zentaurenstopper', aus dem alten Holz gebaut, mit dem die Scheune vor Roys Erscheinen vollgestellt war. Es waren Holzplatten, aus denen schräg angespitzte Pfähle ragten. Alte Heugabeln und Besenstiele. Manche waren noch abgerundet, damit Thomi sich beim Spielen nicht weh tat. Jeder Stopper war etwa so groß wie ein Stuhl und konnte durch die Gegend getragen werden. Sie sollten Zentauren stoppen, wie Thomi nicht müde wurde zu erwähnen. Zumindest hatte Roy die Scheune gut entrümpelt, ihre Zentaurenstopper wären gutes Feuerholz. Die Zeit der Zentauren ging ohnehin zu Ende, Jahre lang hatten sie sich nicht mehr hier hergewagt.
„Papa, du musst draußen gucken!“ Thomis schräge Mandelaugen waren geweitet, sahen ihn ernst an.
„Gleich, Thomi.“ Marik wuchtete einen der Zentaurenstopper an zweien der fünf Pfähle hoch. Schwer, verkantet, verleimt, vernagelt. Stabil.
Er musste die Pfähle wohl doch absägen, wenn er sie im Öfchen verfeuern wollte.
„Papaa!!“, rief Thomi und zupfte ihm am Ärmel. Milli krähte aufgeregt.
„Warte kurz, ich will noch-“
„Papa da sin' lauter Untote draußen!“, sprach er so hektisch, dass ihm ein Speichelfaden über die zu große Zunge aus dem Mund lief.
Marik seufzte. „Thomi, ich habe jetzt keine Zeit zum Spielen...“
„Nicht spielen, da sind echte!“ Der Moa begann aufgeregt zu Flattern.
Thomi griff sich seinen kleinen Holzschild, den sie ihm aus Hoelbrak mitgebracht hatte, zückte sein Schnitzmesser.
„Aha! Na. Dann vermöbel sie doch alle mit deinem 'Schwert', das schaffst du sonst doch auch allein.“
„Nein, wirklich echte! Ich kann nich' allein. Wir müssen Roy holen!“
„Meine Güte. Roy ist in Orr, Thomi! Bei den echten Untoten!“ Die Flausen, die Roy ihm in den Kopf gesetzt hatte, waren ihr verfluchtes Erbe...
„Ich lüg' doch nicht guck selbst ich schwöre auf Mamas Grab!!“
„Mit sowas macht man keine Scherze, Thomi.“, sprach er streng.
Tränen schossen in Thomis Äuglein hoch, die Mundwinkel in seinem runden Gesicht verzogen sich. Damit bekam er seinen Papa immer. Marik seufzte.
„Also gut...dann...zeig' mir mal die Untoten.“
„Du brauchst eine Waffe...“ , sprach der Bub und rannte durch das Scheunentor. Keine hundert Meter von der Hofstelle entfernt, am Fuße der Hügels, wichen drei Seraphen vor mehreren Angreifern zurück. Sie waren...solche wie die hatte Marik noch nie gesehen. Sie erinnerten tatsächlich an Roys Horrorgeschichten, auch wenn manche bunte Kleidung und Goldschmuck trugen. Aber ihre Gesichter waren tot, ihre Haut grau...und sie wandelten. Marik zwickte sich in den Handrücken und starrte nur, als die Seraphen sich etwas zuriefen, auf seine Hofstelle zeigten und Anstalten machten sich dort hin zurück zu ziehen. Die fremden Angreifer schienen mit dem Gedanken zu spielen, sie zu verfolgen...Zum ersten Mal in seinem Leben vermisste er Roy.


Er vermisste sie und verfluchte sie zu gleich. Sie brachte wirklich Pech. Sie war nach Orr gegangen um Untote zu jagen und Blümchen zu pflanzen, dabei kamen die Toten von selbst zur Haustür? Genau dann war sie fort?
Marik sah sich nach seine anderen Kindern um. Neben seinem Erstgeborenen Thomi war da noch der schlaue Josef, elf. Er war gerade dabei gewesen, eine neue Schleuder zu bauen. Die fünfjährige Elena hingen beerdigte eine tote Maus - ihr kleiner Bruder Henrik, der erst drei war, schaute fasziniert zu.
Marik rief sie alle zusammen, versuchte die Situation zu erklären.
Elena kam barfuß angerannt, Henrik an der Hand. „Die untoten bösen Menschen kommen nicht hier hoch oder Papa?“
„Doch...“
„Wer komm' doch hoch?“, fragte Henrik unschuldig.
Während Mariks Hände schwitzten und zu zittern begannen, blieb sein elfjähriger Zweitgeborener rational.
Josef deutete auf das offene Scheunentor, wo vielleicht ein Dutzend Zentaurenstopper standen. „Gegen Zentauren halfen die, wenn sie im Gebüsch getarnt waren und die Zentauren hineinrannten! Aber Untote laufen in alles rein, ohne Rücksicht auf die eigene Haut!“, erinnerte sich Josef an Roys Geschichten. „An der Fluchküste, mit Sam, da haben sie mit Pfählen einen Hordenansturm aufgehalten, da waren sie nur zu fünft auf einem Hügel! “
„Der 'Schlachthof'.“, erinnerte auch Marik sich an die Geschichte, die ein gemeinsames Frühstück versaut hatte.
Josef nickte eifrig, deutete den matschigen Pfad herunter, den die Seraphen nun hoch rannten. „Genau! Und sie haben die hinteren Reihen mit ihrem Schnaps und Öl und Zauber angezündet, die vorderen haben sie im Nadelöhr erschossen und erschlagen!“
Auch Thomi schöpfte Hoffnung. „Wir könn' eine ganz spitze Wand bauen!!“
Mariks Angst wich dem Stolz auf seine klugen Kinder und dem Willen, seine Familie zu beschützen.
„Elena! Bring' Henrik ins Haus! Hilf' Oma die Flinten herzutragen, den Schnaps, Lampenöl, alles hochprozentige! Und die Einmachgläser, Tücher, die Streichhölzer! All unsere Muntion! Thomi, wir nehmen die Zentaurenstopper und bringen sie auf den Pfad - spitz' die stumpfen an! Josef, beruhig' die Moas, hilf' Oma Granaten zu machen und die Gewehre zu laden!“ Die Kinder nickten eifrig und machten sich an die Arbeit.


Korporal Stern kam mit seinem Kameraden den Hügel der Ranch hinaufgespurtet. Als er die hastig errichtete Befestigungsanlage erblickte, atmete er auf und packte mit an.
In einer langen Schlange hinter ihnen mühten Jokos Mumien sich durch den matschigen Pfad nach oben, wo sie krytanische Gastfreundschaft erwartete.
Roy hätte es zu Recht einen 'Schlachthof' genannt.

Kommentare 13

  • Ich mag es sehr, wie du Thomi beschreibst. Seine Besonderheit hervorhebst, ohne mit dem Hammer daraufhin zu weisen. Ich ziehe meinen Hut vor dir Ovy. Deine beschriebenen Charaktere haben immer Tiefe. Mal weiter Bilder in meinem Kopf. Danke schön. <3

  • Vielleicht.. vielleicht wollen sie nur freundlich anklopfen? *hegt die Hoffnung* Wehe den kleinen passiert etwas! *wedelt mit dem Nudelholz* Tolle Geschichte. Wie immer. :)

    • Danke. <3
      Ich würde ja jetzt sagen, Nudelhölzer sind Waffen für Omas, aber die Oma hier weiss sich mit der Flinte zu wehren.

  • ... Und so rettete der Nachlass der legendären Untotenschlächterin die arme Moabauernfamilie, bis weitere tapfere Seraphenkämpfer zur Unterstützung kamen und die grausigen Gegner besiegten!
    Ende.


    -- total toll, Ovy! <3

    • Schreibe halt jeder das Ende das ihm gefällt. xD


      Danke <3

  • Ich mags! :D Wie immer!

  • Oh Gott, Ovy. Warum machst du sowas. Warum? WARUM!?


    (Weil's verdammt großartig ist, darum. Mach weiter.)

  • Genau! Warum Untote jagen, wenn man hier Erweckte haben kann?! Roy sollte sich mal was schämen hier. D:

    • #antimainstream
      Jokos Ego kriegt ja schon genug Aufmerksamkeit ab, der hat sogar sein eigenes meme. :p


      Und der Trip war geplant bevor man wusste dass Joko einen auf Lich macht, man ist halt kondesuent. xD

    • xD
      Solange es mehr solcher Geschichten bringt: Jag' sie hin, wo sie schlachten kann! \o/