Freiheit ~I~

Tage zuvor:


"...sobald wir die Wächtersteine deaktiviert haben, sperren wir den Dschinn ins neue Gefäß. Alles andere wäre zu gefährlich."
Wut erwachte in ihr, Unverständnis über die Selbstverständlichkeit, über Freiheit und Gefangenschaft anderer zu bestimmen.
Wer gab ihnen das Recht hierzu, ausser die Angst?
Und sollte Angst wirklich ein ausreichender Grund sein dürfen, um einem Wesen die Freiheit zu nehmen, die man selbst sehnte?
Sah denn niemand diesen Widerspruch, dass Gefangenschaft nichts verbesserte?
Und ein kleiner Teil von ihr flüsterte im grauen der Gewissheit, dass sie alle einmal Gefangenschaft kennenlernen sollten, um der Freiheit den Wert zusprechen zu können, die sie verdiente- und gleichsam wusste sie, dass nur die Wenigsten, aus dieser Lektion das richtige lernen würden.


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Leza hatte sich mittlerweile wieder beruhigt, soweit es die Umstände denn zuließen.
Das Land war nicht gnädig gewesen und die letzten Tage hatten viel Energie gekostet und alles daran gesetzt, die Gruppenmoral zu zersetzen.
Die tägliche Sorge, ob das Essen noch zum nächsten Morgen reichen würde, oder ob die Ruinen noch einen Salamander her gaben, den man übers Feuer hängen konnte, war nur ein Grund von vielen, warum das Lachen der selbst frohen Gemüter, ganz langsam erstarb.
Sie sah es, denn sie beobachtete es. Sie suchte die feinen Nuancen und Schwingungen der einzelnen Verhaltensweisen und verfolgte, wie sie sich Stunde um Stunde änderten und zum Irrsinn wuchsen.
Jenen, wo gestandene Krieger auf Essen verzichteten, um ihre Schützlinge wohl genährt zu wissen und vergaßen, dass ein geschwächter Kämpfer, sie nicht schützen konnte.
Oder wo die kühlsten Köpfe des Nächtens in die Dunkelheit hinaus schrien, weil sie nicht mehr Herr ihrer Gefühle werden konnten.
Die Moral war soweit gesunken, dass Jene, die alle versorgte, sich selbst nicht mehr versorgen konnte, denn ihr fehlte der Grund hierfür.
Und Leza? Sie hatte ihnen all das, Tage vor dem Tiefpunkt bereits vorgelebt, denn auch sie hatte ihre Grenzen erfahren müssen, um nun, kurz vor dem Höhepunkt des Ungewissen, auch wieder die Kehrseite zu leben.


Zerfetzte Lumpen wurden von der Zierrobe ersetzt, die den tristen Ruinen, dunkle Eleganz entgegen setzte. Die Locken wurden sorgsam nachgezogen und mit Öl zum glänzen gebracht und selbst die dunklen Knopfaugen gewannen ungewohnten Ausdruck, betont durch den dezenten Einsatz von Kohle auf den Lidern.
Die wenigsten verstanden, warum sie nun, nach Wochen der Zerlumptheit, ausgerechnet am befürchteten Todestag die guten Kleider wählte, doch das war in Ordnung.
Die Priesterin war sich sicher: irgendwann, da würden manche es verstehen und die Zeit der Verwirrung, mit Erkenntnis vertreiben, während sie mit einem seltenen, friedlichen Lächeln hindurch schritt.


Jeder kannte seine Aufgabe und die Gruppe löste sich langsam auf, denn der Zeitplan war streng angezogen. Eine halbe Stunde würde sie haben um zu tun, was andere fürchteten.
Kurzzeitig erwischte sie sich dabei, wie der Zweifel stärker wurde.
War es nicht Verrat? Und wenn ja- wer war sie, einen Plan verraten zu dürfen und durch ihren eigenen, weit weniger sicheren zu ersetzen?
Wer gab ihr das Recht hierzu?
Der leise Zweifel ließ zu, dass sie ihre Idee mit Mejohra teilte und obgleich sie nicht begeistert hiervon war, brachte man ihr das Vertrauen entgegen, dass auch sie aufbringen müsste.
Es schmerzte, die Sylvari alleine los ziehen zu sehen, während man Leza selbst, den Schutz Andras beiseite stellte, mit der sie sich dem Wächterstein näherte.


Ein weiteres mal empfand sie Schmerz, weil sie Andra erst jetzt darüber informierte, was sie wirklich tun würde.
Obwohl im Besitz des neuen Gefäßes, würde sie den Dschinn nicht gleich hinein zwingen.
Natürlich gefiel der Roten die Idee überhaupt nicht, doch auch hier akzeptierte man und gab ihr das Vertrauen, obwohl sie seit je her die unbeständigste Variable der Reisegruppe bot.
Obwohl sie gerade auch Andras Leben, vollkommen bewusst mit aufs Spiel setzte für eine Idee und Überzeugung, deren Erfolg nicht garantiert war.
Leza seufzte und stimmte sich auf den Kristall ein, dessen Dienst beendet werden sollte.
Tage der Vorbereitung ließen zu, dass sie die Verbindung recht schnell hierzu fand und die Energie spürte, die er ausstrahlte.
Eine Urgewalt- nicht anders ließ es sich beschreiben für jemanden wie sie, der um die Macht des Steines wusste und seine möglichen Erschaffer.
Nicht weniger gewaltig, zeigte sich die erste Regung des Gefangenen in ihm, der ihrer Bitte folgte und trotz seiner Wut, seine berechtigten Zornes, das Gespräch mit ihr zuließ. Das Grollen mit dem er antwortete, blieb unverständlich und erschütterte Mark und Bein, die wahre Antwort jedoch, die war es, die sie erschütterte.
Die Leichtigkeit mit der er nach ihrem Geist gegriffen hatte und das Band geflochten, ohne ihr eine Möglichkeit zum Schutz zu lassen, zerstörte jeden Hochmut den sie vielleicht mal besessen hatte und dennoch wusste er sie mit ihrer Idee zu bestärken, als er seine Macht nicht dazu nutzte, ihre jämmerliche Sterblichkeit in die ewigen Jagdgründe zu schicken, sondern sie anzuhören.
Sie trug ihre Bitte vor, die Umstände- und obgleich sie an Details sparte, wich sie nie von der Wahrheit ab.
Zurecht zweifelte der Dschinn an ihrem Antrieb und fürchtete die Falle, die an ihrer Schärpe baumelte und nur darauf wartete, ihm ein neues Gefängnis für die nächsten Jahrhunderte zu sein.
Gleichsam blieb Leza jedoch ihrer Idee, ihrem Plan treu und drehte der Angst, die zur Gefangenschaft des Wesens lockte, den Rücken zu und wählte seine Freiheit.
Zu spät realisierte Andra, die stets nur Lezas Worte des Gespräches vernommen hatte, was der Dschinn als Versicherung für das Angebot der Priesterin verlangte und noch ehe sie reagieren konnte , gellte Lezas Schmerzensschrei durch die Ruinen und die Kriegerin musste mit ansehen , wie die Klauen des Unwesens mit Leichtigkeit den Brustkorb der Priesterin fanden und aufrissen.


Fortsetzung folgt~

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