Verrate mich nicht!

Der junge Mann lag im opiumschweren Dämmerzustand, ein Bein angewinkelt, als sei er ‚Der Gehängte’ unter den Wahrsagerkarten und lediglich mit einer sommerlichen Decke verhüllt auf dem luxuriösen Bett eines Zimmer im Haupthaus der Varathor’s. Im Grunde gehörte er in das Dienstbotenhaus, welches hinter dem Anwesen lag, doch über Devin wurde anders entschieden. Er durfte hier sein. Man hatte ihm etwas eingeflößt, in den Zustand zwischen Traum und Realität verfrachtet. Die schlanken Glieder fühlten sich butterweich an, wollten nicht von ihm beherrscht werden. So hielt man ihn außer Stande sich zu wehren. Als die Matratze von einem Knie des hohen Herrn belastet wurde und man ihm einen groben Griff an die Kehle legte, erschrak er, allerdings durchlief kein Zucken die betäubte Gestalt. „Verratet mich nicht!“, verlangte sein Peiniger, bevor dieser sich erhob und das Zimmer durchschritt. Es war ein eindringlicher, mahnender Befehl, dem er sich nicht entziehen konnte. Schlafen, mehr wollte er nicht, während der Alkohol und die Droge durch seine Venen gepumpt wurden. Ausgeliefert lag der Butler einfach nur teilnahmslos da. Es hätte keinen Unterschied gemacht, ob er im Schlaf oder wach erduldete, was man mit ihm zu tun gedachte. Nach einer Weile konnte er leise Stimmen vernehmen, der Sinn dahinter blieb im Rauschzustand fern. Das belastende Knie kehrte nicht auf sein Lager zurück. Auch die unerbittliche Hand legte sich nicht noch einmal um die wehrlos dargebotene Kehle. Eine ferne Männerstimme versprach mit drohendem Unterton, dass man sich um ihn kümmern würde. Sie versprach auch, dass man ein Medikament auf dem erlesenen Nachtschränkchen hinterlassen hatte. Die Worte kamen von jenem Mann, der vor einem kurzen Augenblick noch ausgesprochen grob mit ihm verfuhr. Was hatte es zu bedeuten? „Danke Herr.“, sollte alles sein, was Devin zu entgegnen aufbrachte. Man ließ ihn zurück – vorerst.



Ein schweres Seufzen entrang sich seiner Lippen, während die in schwarz befiederte Schreibfeder über das Papier kratzte. Der Stummel einer fast gänzlich abgebrannten Kerze warf düstere Schemen an die Wände. Sie wogen sich immer wieder hin und her, tanzten gemächlich vor sich hin. Nur schleppend nahmen seine, bereits ermüdeten Gedanken Gestalt an, wurden in dünnem Blau auf Weiß materialisiert. Hier und da entstand ein schmieriger Klecks, das Schreibutensil hatte seine beste Zeit längst hinter sich gelassen.


Verratet mich nicht!


Er brummte etwas vor sich hin und trommelte mit seinen schlanken Fingern gegen die Tischplatte. Sein Kopf hatte sich gerade auf den Unterarm gesenkt, um etwas zu ruhen, als die Tür aufging und der Andere herein schritt. Schwere Stiefel, die von einem dumpfen Laut der sich wieder schließenden Tür übertönt wurden. „Devin!“, war das einzige Wort, welches die Stille durchschnitt. Eine kräftige Hand bettete sich nach weiteren Schritten auf die schmale Schulter. Unweigerlich durchlief ein Zucken den fast schon als androgynen zu bezeichnenden Männerkörper. Der Angesprochene rührte sich nicht, gab vor zu schlafen. Bei den Göttern, er gab einen durch und durch schlechten Schauspieler ab. Ein Grund, warum der Besucher hartnäckig blieb. Unerbittlich festigte sich der Griff, brachte seichten Schmerz mit sich. Träge hob Devin den zuvor schwer hinab gesunkenen Kopf. „Stets zu Diensten, Herr.“, erst jetzt wagte er sich halb auf dem Stuhl umzuwenden, gewillt den Herrn hinter sich zu erblicken. Der Griff an seiner Schulter existierte nicht länger. Der Platz hinter seinem Stuhl verwaist, musste es ein Traum gewesen sein. Devin befand sich alleine in seinem Zimmer. Daumen und Zeigefinger rieben den Schlaf aus den Augeninnenwinkeln. Die Kerze erlosch und verpestete die Luft mit in der Nase beißendem Qualm, welcher ihm ein erneutes Brummen entlockte - Zeit ins Bett zu gehen.

Kommentare 5

  • Das wurde dann doch schnell irgendwie düsterlich, die hilflose, aber auch teilnahmslose Beobachterrolle war schön unheimlich eingefangen, auch dass sich das wie ein Traum anfühlt.


    Und er sollte echt nachdenken, der Butlergewerkschaft beizutreten.

  • Ich mag deine Art, die Dinge so klar >anzudeuten<, dass man eine recht genaue Vorstellung davon bekommt, was geschehen sein könnte, ohne, dass du dafür ins Detail gehst. Auch die Art, wie dein Charakter mit den Vorgängen umgeht, lässt zumindest eine gewisse Regelmäßigkeit des Geschehens vermuten, aber auch hier: für den Text an sich und das Heranziehen des Lesers sind keine Zeit- und "Mengen"angaben nötig. Fand ich gut.

    • Danke, für die Blumen. Auch wenn der Satz abgedroschen klingt, es freut mich, dass du die Geschichte so aufnimmst, wie ich es beabsichtigt habe :)

  • Liest sich angenehm, finde ich. :)