Morgenappel II ~ Prinzessin der Wachsamen

Es war fast romantisch, wie die Sonnenstrahlen langsam über den hohen Bergkamm hinter der Feste krochen, deren tristes Gestein von weichen Nebelschlieren eingefangen war, ähnlich einer schüchternen Maid, die ihre Blöße bedecken wollte.
Der Wind trug das zwitschern der wachen Morgenvögel mit sich und das erste, bunte Laub von den Bäumen, als Vorbote des greifbaren Herbstes.
Ja, es lag Romantik in der Luft...


"NOCH ZWEI RUNDEN IORGA!" Gellte Barions Ruf über den Übungsplatz und brachte Veruca fast ins stolpern. Mittlerweile hatten die müden Augenlider sich höher gekämpft, nachdem Drair sie völlig verpennt zum ersten Morgenappell geschliffen hatte, nach einer viel zu kurzen Nacht.
Der erste Tag als 'richtige' Wachsame hatte begonnen und schon jetzt hatte sie das Bedürfnis, irgendjemanden den Steinmeißel in die Eingeweide zu rammen.
Vorzugsweise Adwindele, die in ihrer hoheitlichen Überheblichkeit da stand, verpackt in der Rüstung der Recken und aufs Schild gestützt, während sie ihre Leute laufen ließ, ohne selbst den kleinsten Schritt zu machen.
Vera passierte die große Holzsäge, wischte sich mit dem Ärmel Schweiß von der Stirn und lächelte das solide Eisen des Sägeblattes verträumt an.
Nur einmal kurz anmachen, während die Wächterin davor stand und man ihr mit einem kleinen Windstoß hinein half....


"BRAUCHT IHRE HOHEIT EINE SÄNFTE?! NOCH LANGSAMER UND DIE PRINZESSIN DARF NE EHRENRUNDE DREHEN!"


Frustriert wurden die Zähne zusammen gebissen und wieder das Lauftempo angezogen, genährt von der gesunden Wut im Bauch, die die blonde Reckin allzu gut zu schüren wusste. Im Wissen das diese Wut ein prächtiger Energielieferant war und den Charakter befeuerte, scherte Dele sich nicht einmal darum, ob jemand sie mochte.
Das machte es alles noch so vielfach ärgerlicher.
Als sie dann Drair überholte, gar überrundete und dazu süffisant schmunzelte, hatte ihre Laune den absoluten Tiefpunkt erreicht.
Warum auch immer sie es für eine gute Idee befunden hatte, sich dem nächsten Einsatz aktiv anzuschließen und nicht nur den Papierkram zu bewältigen, sie wünschte sich den Schreibtisch zurück...


Drei Stunden später, hatte sie endlich ein zweites Frühstück im Bauch, hatte Drair gekniffen und Dele ein dutzend Todesblicke geschenkt. Der pelzige Kriegsmeister war gleich zwei dutzend mal gestorben, glaubte man ihren Blicken und hinter Noko hatte sie sich unnützerweise drei mal versteckt, als die Pioniere mit Mörserübungen den Platz räumten und sie sich bei den Einschlägen erschrak.
Nun stand wieder Training an und die iorgische Logistikerin besah sich skeptisch die beiden Wächter auf dem Platz, die sich prügelten.
Genau genommen sah man nur andauernd irgendwo ein neues, grelles Licht aufblitzen, oder blaue Flammen auflodern, wann immer die schwer gerüsteten Kolosse aufeinander prallten.
Die Aussicht gegen einen von ihnen antreten zu müssen, ließ sie unweigerlich etwas bleicher werden. Selbst als Drair ihr kameradschaftlich den Arm um die Schulter legte und weit leiser und versöhnlicher Worte der Zuneigung zuflüsterte, wollte das flaue Gefühl nicht so recht weichen.
Es war kein Geheimnis das sie keine Kämpferin, keine Kriegerin war. Jeder hier wusste es.
Und dennoch wurde jetzt erwartet, dass sie wenigstens zum Teil einer wurde.


Die aktuelle Trainingskampfrunde endete, als einer der beiden Wächter schwungvoll und im hohen Bogen gegen den nächsten Stapel Holzstämme flog, den obersten mit seiner Wucht noch mit runter riss und dahinter regungslos liegen blieb.
Zwei Recken machten sich daran ihn vom Platz zu kratzen und dem Heiler zu übergeben, derweil der Kriegsmeister sich seine übrigen Leute beschaute und an ihr hängen blieb.
Die letzte Farbe wich aus ihrem Gesicht, als die grollende Charrstimme sich laut erhob, um ihren Namen zu nennen. Irgendwann musste es kommen, immerhin wollte die Truppe sehen, wer sie mit raus begleitete. Sie wollten wissen, auf was sie sich verlassen konnten und Vera seufzte leise. Offene Kämpfe waren noch nie ihres gewesen, andererseits...musste sie offen kämpfen? Musste sie wirklich so umdenken, wie sie befürchtete?
Ihr Blick ging noch mal über das Trainingsgelände und seine Beschaffenheit, die sie mittlerweile wie ihr eigenes Heim kannte. Wenige Meter tief, kannte sie jeden Kiesel des Grundes, bis hinauf zur Feste und endlich lächelte sie wieder auf.
Das war längst ihr Gelände geworden, ihr Spielplatz und es wurde Zeit, es zu zeigen.


"Iorga, du bist dran!" Und Vera trat vom Rand des Platzes auf den weichen Grund, hin zur Mitte, wo sie lächelnd auf ihren Kontrahenten wartete...~




~Fortsetzung folgt

Kommentare 13

  • Jawohl, no pain no gain, Iorga. Körper und Geist und so!


    Das inspiriert mich an einer Ausbildungsgeschichte weiterzuschreiben.

  • Ich kenne keinen der genannten Charaktere. Dennoch liest er sich flüssig und eine gewisse Spannung baut sich auf... ABER -> Ich will den Kampf! Einfach so an der Stelle aufhören! Pff.

  • Und alles nur, weil die Frage nach ihrer Funktion im Feld aufkam und Drair sie schön in die Position gedrängt hat. Nun darf sie auch mal etwas Schlamm schlucken und einen Vorgeschmack auf Ende des Monats bekommen :D

    • Schön das du einsiehst wer Schuld ist!
      Dafür wird er büßen!

    • *holt sich ne Pfeife, den guten Blut-Whiskey und was zum Knabbern* Das wird ein Spaß...

  • Vera wird eine echte Wachsame... I like <3 Und es wäre ja mal interessant, sie gegen Yuniko kämpfen zu lassen. Oder gegen Eira.. oder doch gegen Noko? Hmm... warum haben wir so wenig Magier in der Kompanie....

    • Vera schafft sie alle, HAH! *reckt die Faust in die Luft und guckt bedrohlich* ò.ó

    • Was Noko wohl dazu sagt...

    • *klickt bei Geschichten üblicherweise auf "markier einfach alles als gelesen" und schließt den Tab wieder*
      liegt vielleicht daran, dass es 10 Uhr morgens ist aber... wer ist Barion nochmal?
      *tritt Vera gegens Schienbein und lässt sie liegen...* ;)

    • Q.Q *benutzt den kleinen Gollum als Fahnenwimpel* Frechheit!

    • *Notizbuch zück* muss mal den Latrinendienst neu einteilen.