Willkommen Zuhause, Setzling

[Keine Disclaimer]


Mit lautem Knacken rastete die neue Systemsteuerung in den Hinterkopf des Verteidigungsgolems ein. Die Asuradame landete kurz darauf mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden und begutachtete ihr Werk.


„P-R-O-T-E-C-T Mark I – Systembericht!“ ertönte die erstaunlich kräftige Stimme – gemessen am kleinen Klangkörper. Während der Golem seine Grundeinstellungen in mechanisch-metallener Stimme herunterbetete flirrte und summte das Portalgerät hinter ihr auf.
„Fleißig, fleißig“ kommentierte die blasse Sylvari, die gehüllt in einen dunklen Ledermantel durch das Portal trat. „Hast du die Ident-Nummern der Portalgeräte schon eingelesen? Ich möchte meine Gäste ungerne pulverisiert sehen.“


Enya schnaubte. „Sehe ich aus wie ein Erstsemester? Hat meine Sicherheitsanlage Euch je im Stich gelassen?“ Skandalös,diese Baumleute.


Mit watschelnden Schritten folgte sie der Sylvari durch die sandsteinigen Ruinen ins Innere der „Grotte“. Für die Asura war es eine Grotte. Zuviel grünes Zeug überall, Wasser rannte hinab. Diese hohe Luftfeuchtigkeit. Widerlich. Auch dem Golem setzte es zu und er musste öfter gewartet werden als ihr lieb war. Meterhoch ragten einige Bücherregale in die Höhe, vollgestopft mit Büchern, Schriftrollen und allerlei Tand in Schraubgläsern.


Sie wanderten bis zur Mitte der Höhle wo ein Feuerkreis und eine gemütliche Sitzecke eingerichtet waren. Unterlagen waren auf dem Tisch ausgebreitet. Daneben eine Kanne Tee die vor sich hindampfte.
„Und ER!...“ Enya deutete nach oben auf eins der Regale, wo sich ein zerrupftes Eulenvieh sein Nest gebaut hatte….“…er kackt mir ständig auf den Kopf! Das ist doch Absicht! Und es ist GIFT für die Technik von P-R-O-T-E-C-T Mark I. Wenn er Euch eines Tages explodiert…“ Sie wedelte nur wild mit den Armen. Dann würde sie schon sehen! Doch ihre Aufregung prallte an der Sylvari scheinbar ab, denn sie ging nur weiter hinein, schob die Kapuze ins Genick woraufhin sich das zuvor eng an den Kopf gelegte Blattwerk etwas aufplusterte und strich die Papiere auf dem Tisch auseinander.


„Das restliche Sicherheitssystem ist auch aktiv? Wie sieht es mit der Abdämmung im oberen Bereich aus? Nach außen sollten keine Geräusche mehr zu hören sein.“
Enya schnaubte…doch ihre Wut verflog so schnell wie sie gekommen war.


„Ich bin sehr gut in meinem Job, Frau Phlonia. Euer Mißtrauen beleidigt mich. Seit ich für Euch arbeite habe ich alles zur Zufriedenheit erledigt – die Abdämmung sollte in einer Woche aktiv sein.Solltet ihr hier also Experimente an Menschen durchführen, die dabei laut schreien…“


Da hob sich doch kurz der missbilligende Blick der Sylvari und Enya bemerkte zum ersten Mal, dass sie auf dem rechten Auge eine Augenklappe trug. Sie stutzte und deutete grob darauf. Nur ein Blinzeln später war die Klappe verschwunden – nur ein Hauch kürzer und sie hätte das Flirren der Illusion gesehen, dass die Wahrheit unter dem Schleier des Zaubers verdeckte.
„Für Neugier bezahle ich Euch nicht – aber gut zu hören, dass alles nach Plan verläuft. Ich werde später nochmal weg müssen“. Damit wanderte sie dann auch zu einem der Regale, in dem einige schmale, flache und runde Gegenstände lagen. Sie hob einen davon an. „Sind die hier alle schon mit dem Golem synchronisiert?“Auf das knappe Nicken der Asura hin steckte sie diese in ihre Manteltasche bevor sie sich über einige Treppenstufen hinauf in ihren Bereich zurückzog.


Seufzend ließ sie ihren Rucksack auf das Bett fallen und schob einen Paravent zur Seite, der den Blick auf den Hauptraum der Grotte zuließ. Die Asura werkelte dort unten weiter und die helle Sylvari setzte sich.


Seit Jahren arbeitete sie an diesem Ort. Ihrer Zuflucht zum Sammeln des Wissens der Vergangenheit und der Heimat ihrer Zukunft.
Es hatte sich merkwürdig angefühlt zurück zu kommen. Es fühlte sich wie ein halbes Leben an seit sie Allem den Rücken gekehrt und das Königintal am Hochpunkt einer Krise verlassen hatte. Bei einigen derjenigen, die sie dort im Stich gelassen hatte, konnte sie sich schon entschuldigen. Sie hatten Verständnis gezeigt. Zu viel Verständnis für ihren Geschmack. Ihr Versprechen zu helfen so zu vernachlässigen, nur weil man ihr das Herz brach? Diese Schwäche beschämte sie noch immer. Nie zuvor hatte sie diese Gefühle erleben müssen. Das Gefühl zu ertrinken, obwohl man an Land ist. Als wäre alle Freude aus der Welt verschwunden, als fühle sie nicht mehr wie der Wald um sie herum atmet und lebt. Als wäre sie eine Fremde in einer Welt voller Glück und Leben. Es war beängstigend gewesen – und ihre Reaktion war die Flucht. Flucht wie ein räudiger Feigling.


„Was hast du erwartet? Dass sie dich so aburteilen wie du es selbst tust?“


Blasse, wimpernlose Lider schlossen sich als fast lautlos sich ein zweiter Sylvari neben sie setzte. Es knarzte leise als die borkige Rüstung sich dabei bewegte. Die vertraute Empathie umhüllte sie wie damals, als sie noch ein Setzling war. Als die Zeiten noch einfacher waren und ihre Bestimmung so klar wie das Wasser. Eine junge Rasse ohne die Last ihrer Herkunft, wie es heute war.


„Und so sitzen wir nun hier, 14 Jahre später. Wir altes, knorriges Gewächs…“


Sie teilten ein kurzes Lachen, ein Stupsen an die Schulter welches sie zur Seite wippen ließ. „Ich danke dir für deine Zeit, Dagofar. Es bedeutet mir viel, dass du hier bist.“
Die Jahre hatten ihrem alten Mentor gut getan. Sein Blattwerk war noch kräftiger und imposanter gewachsen. Seine Kopfwurzeln waren noch stärker und höher und verliehen ihm eine gewisse imposante Erscheinung. Sie jedoch…nun. Vielleicht bildete sie sich auch ein, dass sie verblasst war – mehr als sie je zuvor war. Etwas war anders doch es war auch schwer es im Detail zu benennen. Selbst der Iorga hatte in den wenigen Momenten die sie miteinander sprachen bemerkt, dass etwas mit ihr nicht stimmte. Es hatte sie nachdenklich gemacht. War ihr einst üppiges und auslandendes Blattkleid dünn geworden? Man sagte, das Gefühl im Inneren würde das Äußere beeinflussen. Vermutlich lag darin eine gewisse Wahrheit.


Dann erhob er wieder seine angenehme, kräftige Stimme. „Es schmerzt mich, dich so zu sehen. Es schmerzte mich davon zu hören wie dein Leben verlief. Aber es war dein Weg und nur du konntest ihn gehen. Zweifle nicht daran. Dieser Schmerz hat dich geformt und dich wachsen lassen.“


Die Stille senkte sich über sie beide für einige Momente. „Und doch zweifele ich wie damals, als ich ein Setzling war. Was habe ich in all der Zeit gelernt, Dagofar? Dass es kein Schwarz und Weiß gibt. Dass manche Lüge aus Liebe gesprochen wird. Dass meine Motivation in der Liebe und Anerkennung von jemandem lag, der niemals wie ich sein konnte…und ich nie wie er. Würdest du das nicht als Fehlschlag bezeichnen?“ Er lächelte nur und lenkte seinen dunklen Blick auf die Asura, die nach wie vor eifrig im Innenhof der Ruine werkelte. Dann wandte sich die dunkle Gestalt ihr zu und griff durch die Illusion hindurch nach der Augenklappe und zog sie vorsichtig zur Seite. Da, wo zuvor ihr Auge war, klaffte eine leere Höhle. Fasern zogen sich bereits hindurch als ihre Heilkräfte versuchten, die Verletzung zu beheben. Es würde noch eine ganze Weile dauern.


„Wenn ich in all meinenJahren etwas gelernt habe, dann das Liebe die größte Herausforderung unseres Seins ist. Sie kann uns Flügel verleihen und uns bis in den Tod treiben. Und doch ist es das, was uns antreibt. Die Liebe zu unserem Volk, zu unserer Mutter, zu unseren Freunden und selbst die Liebe, die du jetzt verloren hast. Sie fließt und ist nicht zu bremsen oder zu fassen. Du wirst stärker werden, du wirst weiter lieben können.
Und zweifle an einem niemals…ich bin unfassbar stolz auf dich...“



Mit diesen letzten Worten zog er sie zu sich her und küsst sie auf die Stirn. So eine simple Geste, so unverfänglich und rein. Die Wärme seiner Empathie hüllte sie ein wie eine warme Decke, die in klirrend kalter Nacht um einen gewickelt wird.


„Willkommen zu Hause, Setzling.“

Kommentare 4