Mitspielen

Sie standen im Kreis und die hellen Stimmen schnatterten aufgeregt durcheinander. Zwischen ihren Beinen lag ein Sammelsurium an Stöcken: Lange, kurze, dicke Äste und dünne Ästchen. Welche, an denen noch ein paar Blätter hingen und welche, von denen schon ein Teil der Rinde abgepopelt war.
Ein Junge mit schwarzen struppigen Haaren und Dreck im Gesicht verschränkte die Arme. „Die darf mitspiel‘n!“ Ein Anderer, der raspelkurzes blondes Haar hatte, schüttelte vehement den Kopf. „Ne!“, herrschte er den Dunkelhaarigen an. „Die is‘ zu klein! Un‘ zu langsam. Un‘ außerdem haben wir nich so viele Schwerter!“ Er deutete auf den Haufen von Stöcken.
„Sóla kann meins hab‘n!“, erwiederte Jonne rasch und der Blonde der auf den Namen Jannis hörte schnaubte. Er schaute zwischen den Beiden Geschwistern hin und her, schüttelte wieder den Kopf. „DIE IS‘ ZU LANGSAM!“, schrie er und stampfte mit dem Fuß auf. Er schrie trotzig, wie er es immer machte wenn etwas nicht nach seinem Willen lief. Die anderen Kinder kannten das schon.
Jannis‘ Trotzanfälle brachten sie schon lange nicht mehr aus der Fassung.
Nur Sóla, das Mädchen mit der abgegriffenen Holzpuppe in der Hand, sah den schreienden Jungen mit großen Augen an. Sie schaute durch die Runde und setzte sich nach einem Moment in Bewegung. Neben Jannis blieb sie stehen. Ihr Bruder konnte auch so schreien. Dann, wenn der Pa schimpfte. Oder wenn er nicht nochmal schwimmen gehen durfte…
Sie hob die freie Hand und tätschelte dem brüllenden Blonden den Arm.
Dieser wirbelte so schnell herum, dass er dabei dem tröstenden Mädchen mit der Faust gegen die Schulter schlug. Eigentlich wollte er sie nur wegschubsen. „Geh weg, Milchnuckler!“ Vom Schwung des Schlages fiel das gänzlich unvorbereitete Mädchen rücklings in den Schnee.
„DU HAST MEINE SCHWESTA GESCHLAGEN!“ Jonne stürmte aus der kurzen Entfernung auf Jannis zu und rannte gegen ihn an. Der Blonde stieg sofort darauf ein, denn immerhin war Jonne daran Schuld, dass diese Milchtrinkende Mini-Welpe ihnen das Spiel verdarb. Die Jungen rauften und fielen dabei in den Schnee. Es wurde geboxt und einmal sogar gebissen! Die verbliebenen Kinder der Gruppe standen im Kreis um sie herum und jubelten lautstark.
„Ooh...“, teilte das geschubste Mädchen mit und sammelte ihre Holzpuppe ein, die ihr aus der Hand geflogen war. Danach stellte sie sich zurück zu den Anderen und tätschelte sich selbst die geschubste Schulter, während sie den Raufenden zusah. Fäuste wurden geschwungen und jeder bekam mindestens eine blutige Lippe. Jonne hatte sogar schon einen verdächtigen roten Fleck neben dem Auge. Das zahlte er Jannis mit einem Schwinger auf die Nase heim.



Die anderen Kinder verstummten nach und nach mit ihrem Jubel, je länger der brutale Kampf dauerte. Oder eher das wilde Gerangel. Es wurde langweilig, denn keiner der beiden Prügelnden konnte den Sieg für sich entscheiden. Da machten sie sich einfach daran, die Stöcke zu verteilen. Einer der besonders langen Stöcke wurde kurzerhand in Zwei zerbrochen.
„Spielt ihr jetzt mit?!“, schrie ein weiterer Junge und hielt, nachdem er Sóla ein Schwert in die Hand gedrückt hatte, noch drei fest.
Die Blicke richteten sich erneut auf Jannis und Jonne, die im Schnee lagen und sich gegenseitig einseiften. „Häh?!“, tönte es zeitgleich von ihnen hoch. „Ob ihr mitspielt! Trollpo‘s!“ Er streckte ihnen die Stockschwerter entgegen. Sie glotzten dämlich in die Runde aus bewaffneten Kindern.
Das dauerte dem Jungen wohl doch zu lange, denn er warf die zwei Schwerter zu den Prüglern und reckte seins in die Luft. „Auf geht‘s!“, brüllte er und rannte schon los. Die anderen Kinder folgten und Jonne blieb mit Jannis im Schnee liegend zurück. Sie sahen der Gruppe nach, dann zueinander und zuletzt auf das rotlockige Mädchen mit der Holzpuppe in der Einen und dem Schwert in der anderen Hand.
„Ihr habt verloren,“ verkündete sie und lächelte. „Müsst jetzt die Svanir sein.“ Sie kicherte und rannte den Anderen nach.
„Och neee!“
„Schon wieder?!“
Schnaubend rappelten die Jungen sich auf. Sie griffen ihre Schwerter und nahmen mit lautem Gebrüll, schmutziger Kleidung und einigen Schrammen die Verfolgung auf.

„The Norn will not change simply because the Dwarves do not understand our ways.
I'd rather be hated for who I am than loved for who I am not.“

Jora

Kommentare 10

  • Sehr schön geschrieben. Man ist richtig drinnen in der Stimmung. Erinnerte mich irgendwie an gewisse Begebenheiten von früher. :thumbup: Obwohl wir natürlich niiie gleich losgeschlägert haben.

    • Danke, dass Du Dir die Zeit zum Lesen genommen hast. :)
      Früher haben wir natürlich nicht geschlägert. Nur... an den Haaren gezogen. Und mit Bauklötzen geworfen. Munkelt man.

    • Das sind diese Gerüchte, die sich hartnäckig halten, obwohl man weiß, dass sie Quatsch sind.

  • *wirft Rosalie dazu* sehr sehr süß.

  • <3 ganz entzückend