Noblesse Obligé - Was wirklich zählt

Das Herbstwetter hatte Einzug gehalten in Götterfels, die hohen Gebäude der Stadt ragten über den diesigen Nebel empor der sich in den unteren Ebenen durch die feuchte Luft und den kalten Boden gebildet hatte, der durch die warmen Strahlen der Herbstsonne nun aufgewärmt wurde. Es vermittelte jenen, die in der oberen Ebene wohnten, den Eindruck man lebe über den Wolken.
"Einer der Gründe dass diese Stadt so heißt wie sie heißt", dachte Miss Rosa leise vor sich hin, während sie die Fenster des LaBlanche-Hauses putzte. Während Eileen unterwegs war ein paar Besorgungen zu machen und die Hausherrin mit Papierkram beschäftigt war, hatte die leicht korpulente Haushälterin endlich Gelegenheit für einen gründlichen Hausputz. Leise summend polierte sie gerade die Fensterscheibe des Küchenfensters, als ein unverhofftes Geräusch sie erschrocken zusammenfahren lies.


Es war ein Lachen.
Laut, glockenhell und... irgendwie unwirklich. Und es kam aus dem Arbeitszimmer von Herrin LaBlanche. Verstört linste Rosa um die Ecke, hinter der Küchenzeile zur Treppe empor. Das Lachen setzte sich fort. Sie schluckte trocken und trat vorsichtig die Treppe hinauf. Das Lachen verstummte kurz, Rosa wollte schon wieder umkehren, als es erneut ansetzte. Sie nahm ihren Mut zusammen, erklomm den Rest der Treppe und öffnete die Tür zum Arbeitszimmer.


Dort sah sie die junge Dame LaBlanche, wie sie im Zimmer auf und ab ging. Dabei auf einen Brief schaute, ein paar Zeilen laß.. und dann wieder in ein hysterisches Lachen verfiel.


"AHAHAHAHAHAHAHAHAHA! Das ist so lächerlich!"


"Ähm.. v.. Verzeihung, Milady?" stammelte Rosa, die Hand hebend um die Aufmerksamkeit ihrer Herrin auf sich zu ziehen. Diese fixierte ihre Haushälterin mit dem Blick und, ohne eine Antwort zu geben, schoss auf sie zu, ihr den Brief unter die Nase haltend. "Hier. Lies das."


"Ähm..." Rosa sah Emilie ein wenig verwirrt an. Dann begann sie zu lesen, während Emilie weiter im Zimmer auf und abging. Was immer darin stand, es schien die Herrin furchtbar aufzuregen. Sie war am Rande eines hysterischen Anfalls.



Rosa blickte auf, als sie fertig gelesen hatte. Emilie sah sie erwartungsvoll an, und so wusste sie nicht recht, was die Edle von ihr hören wollte.
"Nun... das... das klingt doch nett.. sie.. sie nehmen Euch wieder auf..." begann sie vorsichtig. Doch Emilie warf die Arme in die Luft. Ihre Stimme wurde streckenweise so laut, dass sie sich überschlug und sogar auf der Straße zu hören war.


"NETT?! WIEDER AUFNEHMEN?!" Emilie riss Rosa den Brief aus den Händen, die Haushälterin zuckte erschrocken zusammen.
"Gwennis und ich haben diese Runde damals GEGRÜNDET! Cyraine weiß das GANZ GENAU, sie stellte mich in der Halle ihren Bekannten sogar als Gründerin vor! Und jetzt soll ich mich als Gast einladen und von der Runde, die ich GEGRÜNDET habe, erneut aufnehmen lassen, WEIL SIE MEINEN NAMEN AUF KEINER LISTE MEHR FINDET?!"


"Naja..." Rosa hob beschwichtigend die Hände, in einem verzweifelten Versuch ihre Herrin irgendwie zu beruhigen. "Ihr wart ein paar Jahre fort..."


"SCHWACHSINN!" feuerte Emilie ihr da entgegen. "Mein Name steht auf der BESCHISSENEN GRÜNDUNGSURKUNDE die Gwennis und ich damals bei Florean UNTERZEICHNET HABEN! Wir gaben jedem Mitglied sogar einen beschissenen Anhänger als Identifikation, der sie als lebenslanges Mitglied ausweisen sollte! Das ist nicht die Rurikhalle, mit Mitgliederlisten und Beiträgen die man regelmäßig zahlen muss, das war als exklusiver Club für uns Damen angedacht, als Verbindung, als Vereinigung. Keine Plattform für politische Diskussionen sondern eine beschissene Runde um sich unter FREUNDINNEN auszutauschen! WELCHE BEKNACKTE FREUNDIN VERGISST FREUNDINNEN WEIL SIE NICHT MEHR AUF LISTEN STEHEN?!?"


Aufgebracht stand die Edle vor Rosa und starrte sie aus wutentbrannten, eisblauen Augen an, als hätte die einfache Dienerin irgendwie eine Antwort auf diese Frage. Sie war sogar ins Meckern und Schimpfen verfallen und hatte ihre gute Erziehung vergessen. Ein Zeichen dass sie nicht nur entrüstet, sondern stinksauer war.


"Naja, Fräulein von Weißenstein scheint ja auch nicht mehr zugegen, vielleicht war Milady Averon Ducard einfach nicht über das Prozedere .. in.. for... miert.."
Rosa versuchte mit schnellen Worten irgendwie eine Erklärung zu finden, wurde gen Ende jedoch langsamer, denn sie konnte an Emilies Gesicht sehen, dass jedes weitere Wort sie nur noch mehr aufregte.


"Oh, tut mir leid, Majestät Königin Jennah, Ihr dürft den Thronsaal nicht betreten!" äffte Emilie in übertrieben hoher, stilisierter Stimme herum. "Ihr wart mit Eurer Königsgarde 3 Wochen unterwegs, Ihr steht leider nicht mehr auf der Gästeliste! SO EIN PECH!" Emilie zeterte einfach nur noch.


Rosa begann sich langsam rückwärts aus dem Zimmer zu bewegen. "Ich muss.. noch die Fenster... fertig...." begann sie, aber ihre Herrin schimpfte einfach weiter.


"Das ist nicht mehr der Rurik-Palas den Gwennis und ich damals gegründet haben!" motzte die Blondine. "Cyraine hat daraus eine schlimmere Bürokratie gemacht als das Ministerium! Ich meine HALLO?! Gründungsmitglied steht nicht mehr auf der Liste?! WESSEN VERDAMMTE AUFGABE WAR ES DENN DIESE LISTE ZU PFLEGEN?!"


"Wenn ich nicht gleich weitermache, trocknet das Putzmittel und dann muss ich das Fenster nochmal..." murmelte Rosa weiter, doch Emilie hörte sie einfach nicht, sie war zu sehr in Rage.


"Und für diese Inkompetenz soll ICH jetzt gradestehen?! Wenn sie bei einer einfachen, kleinen Runde von vielleicht 20 Damen schon so versagen, wie wollen sie dann ein Land regieren? Wenn das Ministerium so geführt wird, na dann gute Nacht, Kryta!"


".. und es ist schon fast Zeit für den Fünf-Uhr-Tee..."
Rosa führte ein gänzlich anderes Gespräch als Emilie. Das schien diese aber nicht zu stören.


"Weißt du was? Scheiß auf die." Emilie blickte mit zornig-entschlossenem Blick zum Fenster hinaus. "Wer braucht die? Vermutlich kenne ich die Hälfte der Mitglieder nicht mal. Ich hab schon einmal einen Club gegründet. Und ich kann es wieder tun. Aber diesmal mit Leuten, die mir wirklich etwas bedeuten. Das ist es, was wirklich zählt. Die nicht nur so tun als würden sie einander mögen, nur um zusammen teuren Wein zu trinken. Und einen dann vergessen weil man auf irgendeiner beknackten Liste nicht mehr auftaucht."


Einen Augenblick standen beide da.


"Ja..." Emilie nickte ihre eigene Idee ab. "Weg von diesem elitären Denken. Kein Club für ausgesuchte die sich für Bürokratie zum Affen machen. Mehr eine ... Interessengruppe. So wie Kath's Buchclub. Nur... halt nicht mit Büchern. Sondern mit.. ... mit... weißt nicht. Aber mir fällt schon was ein. Wird Zeit dass sich etwas ändert."


Rosa blickte ihre Herrin eine Weile stumm an. Sie war einfach nur froh dass der Tobsuchtsanfall scheinbar vorbei war.


Emilie deutete zu dem Fenster aus dem sie die ganze Zeit hinausstarrte. Sie war wohl endlich wieder im Jetzt angekommen.
"Das Fenster ist dreckig." kritisierte sie, ehe sie an Rosa vorbei aus dem Zimmer ging. "Ist der Fünf-Uhr-Tee schon fertig?"


Rosa senkte die Augen auf Halbmast.
"Manchmal... aber nur manchmal... habe ich das Gefühl nicht ausreichend bezahlt zu werden..."


The one who puts the "laughter" in "slaughter"
And the "fun" in "funeral"!


Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Nationalismus keine Alternative, sondern eine Katastrophe ist.

Kommentare 8

  • Yeah die ultimative Wutbürgerin. xD Aber Bernd Lucke würde ja auch aus der AfD gemobbt.


    Fehlt noch dass sie sich mit Göttern vergleicht die nicht mehr in ihren Tempel dürfen...


    /Salute @Rosa

  • Hallo!
    Rosa ist genial.
    Das Gespräch zwischen den beiden ist vom Stil wirklich schön gelungen und deine Art zu schreiben sehr angenehm zu lesen.
    Liebe Grüße

    • Danke für das Lob, ich bemüh mich immer den Lesefluss angenehm zu gestalten!
      Und ja, ich hab das Gefühl, immer wenn ich eine Emilie-Story schreibe zeichnet die Gute sich mehr durch ihre Bediensteten aus die es mit ihr aushalten xD

    • Gerne. Und das ist dir wirklich gut gelungen.
      Ich finde es super, auch wenn ich Emilie nicht kenne! Allerdings muss ich auch sagen, gerade Rosa finde ich als Charakter besonders schön hervorgearbeitet.
      Sie ist vermutlich kein Hauptcharakter, aber du zeichnest sie auf eine Weise, dass sie trotzdem lebendig wirkt.

    • Sie ist nicht nur kein Hauptcharakter, sie existiert sogar nur im off. Sie ist die, die für Emilie die Wäsche macht, Essen kocht und das Haus putzt. Eine Rolle die ich nicht unbedingt mit einem Spieler besetzen würde xD Auch wenn oder vielleicht gerade weil sie sicher viel zu erzählen hätte :P

    • Nur verständlich xD nach ihrem Ausrasterchen.

  • Ei ei ei *duckt sich* gut geschrieben.