Vergissmeinnicht

Übertragen von den gemeinsamen Geschichtenthread aus Im stillen Glanz und entsprechend dort noch mal zu finden.


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"...Ihr MÜSST sie finden! SIE haben sie! SIE HABEN SIE!" - "Fixiert sie endlich!" Hysterie und hektische Anweisungen dröhnten ihr in den Ohren, während sie zusah, wie die junge Frau im Nachthemd, deren Unterarme Blut überströmt waren, von zwei Pflegern aufs Bett gedrückt wurde, während die alte Dwayna Priesterin mit schmerzlicher Miene, die gepolsterten Lederfesseln anbrachte und die Verletzte fixierte. Es tat ihrer Kollegin unter Dwayna leid so vorgehen zu müssen, doch es half nichts; wenn ihr Schützling bereit war sich selbst zu verletzen und zu verstümmeln, mussten Maßnahmen getroffen werden.
Leza seufzte und steuerte die Tür an, um hinaus zu gehen.


"Irgendwo muss es doch sein...."


"Du bist ein Taugenichts, genauso wie dein verlauster Vagabund von Bruder! Was habe ich nur getan, um mit _euch_ bestraft worden zu sein?!" Die Worte endeten in einem theatralischen Seufzen, dass bühnenreif war. Zugegeben- eine Hinterhofbühne irgendeines drittklassigen Theaters, dessen Schauspieler allesamt perspektivlose Dramatiker waren, aber nichts desto trotz, war es bühnenreif.
"Schau dich doch nur an! _Einmal_ bitte ich dich, dich zu benehmen, doch du?! Nein....nein DU musst mich natürlich blamieren!" - "Mama, so war das doch ga-" - "Das will ich garnicht hören!"
Lezas seufzen klang zweistimmig, doch nur die Ältere schlenderte durch die alte Wohnküche und beschaute sich das alte Kochbuch auf der Arbeitsplatte, während ihre jüngere Version die schmalen Schultern anzog und trotzig, wie auch forsch, das spitze Kinn vorreckte. "Tharon hat mich abe-" -"was hat Tharon, WAS?! Willst du jetzt etwa sagen, dass der hübsche, wohlerzogene Bub' des guten Schneiders WAS getan hat?!"


"Ach Mutter...Manchmal. ja manchmal...wo ist es denn nur..."


Die dunklen Augen wurden etwas verengt, als sie das Kochbuch durchblätterte. Die meisten Seiten waren verblasst, ähnlich vereinzelter Dinge im Raum. Dinge, wie die Farbe der Vorhänge, oder das, was hinter dem Glas der Küchenscheibe als Aussicht da sein sollte, jedoch im milchigen Nebel der Erinnerung verschwommen und schemenhaft blieb.
Nur das Streitgespräch dröhnte kräftig und voll an ihre Ohren.
In welchem Haus der vielen fand es damals statt?
Die Lippen wurden mehr aufeinander gepresst und das Buch zugeklappt, zeitgleich mit dem dem Klang einer schallenden Ohrfeige die den Raum erfüllte.
Leza kümmerte sich nicht weiter drum, noch sah sie danach, denn sie wusste was passiert war und öffnete die Küchentür nach draußen...


"Das ist doch idiotisch. Irgendwo muss es doch sein. Hast dich ja schön rein geritten, altes Mädchen. Warum bietest du es auch an..."


Der Duft von nasser, aufgewühlter Erde kitzelte an ihrer Nase, dich gefolgt von der morgendlichen Taufrische eines frühen Morgens im Frühling, der die letzten Reste der Winterzeit abschüttelte. Es war kalt, doch die Kälte berührte sie nicht, während sie dem alten Mann der sich auf einen Krückstock stützte, gemächlich hinterher trottete. Nur ein flüchtiger Blick ging zu seiner jüngeren Begleiterin in der dunklen Anwärterrobe des Grenth Ordens, die ihm den Einkaufskorb trug und aufmerksam seinen Worten lauschte.
Leza mochte ihren Flechtzopf; wann hatte sie aufgehört, ihn so zu flechten?
"Das Geheimnis ist die Sahne Mädchen, hörst du? Es ist immer die Sahne- und eine kleine Prise Zimt und Vanille."


"Zimt! Natürlich war's Zimt!"


Die Erinnerung verblasste allmählich, nun wo sie hatte was sie wollte und Leza spürte bereits wieder die wachsende Wärme der Realität, die die Kälte eines Morgenspaziergangs verdrängen wollte. Während der alte Feldweg verblasste und Eldvin in der Ferne an Konturen verlor, lächelte sie berührt auf, als sie den Alten noch mal sprechen hörte.
"Er hat dich also endlich gefragt ob du seine Frau werden möchtest? Wurde auch endlich Zeit! Der dumme Junge hat sich viel zu viel Zeit damit gelassen!"


"Leider nicht mit allem alter Mann, leider nicht mit allem..."


Träge blinzelte sie den Dämmerzustand aus dem Blick, der das hier und jetzt nur sehr langsam wieder schärfte- und auch nur die Dinge, in unmittelbarer Nähe waren. Die hohen Bücherregale die sie umgaben, das Kopfende des Bettes, ihr kleiner Werktisch. Alles danach, war kaum mehr als die verschwommene Ursuppe, die auch Teile der Erinnerungen geprägt hatten.
Während der Geist sich wieder um die Realität bemühte, löste sich langsam der eiserne Griff ums Amulett, dass sie wieder sorgsam unter die Robe schob, bevor sich erhoben wurde und sie ihren Aufgabenzettel für den Tag vom Kissen klaubte.
Der Punkt mit den Elementarsteinen, war bereits abgehakt. Die hatte sie den Norn in der Früh bereits gebracht, damit sie ihr Lager etwas mehr genießen konnten.
Fokus platziern war durchgestrichen. Ob Siina sich wundern würde, wenn sie nach ihren Kristallen sah und daneben ihren Stab finden würde, der die Zauberschleife aufrecht erhielt?
Meditation und Mantren vorbereiten, hatte sie auch erledigt, womit die Morgenroutine erfüllt war und sie sich daran machen könnte, die kleine, süße Zusage zu bereiten, die sie Evan und Nolaraki versprochen hatte und vielleicht würde auch Avariss dem etwas abgewinnen können.


Warum aber blieb mal wieder das Gefühl zurück, irgendwas wichtiges vergessen zu haben?

Kommentare 2

  • Diese 'suppige' Erinnerungssache finde ich gut, vor allem als das erste mal von verblassten Gegenständen und der verschwommenen Aussicht die Rede ist.

    • Das ist lieb.
      Ja der Punkt war mir wichtig, weil man sich bei bestimmten Sachen einfach nicht an alles erinnert und selbst das, woran man sich erinnern will, nicht immer bleibt.