Geheimnisse des Schreckens

"Mama! Los! Snell!" Rosalie stand an der Tür, trug nur ein Stiefelchen und trippelte von einem Fuß auf den anderen. "Mamaaa! Looos!" immer quengliger wurde das kleine Kitz und Arlassia hatte alle Mühe dem Zappelschrecken den zweiten Stiefel anzuziehen. "Röschen. Wenn du nicht still hältst, kann ich dich nicht anziehen." lachte sie, jedoch wurde ihr Einwand vom Töchterlein ignoriert. "Was habt ihr denn vor, Tante Dia und du, hm? Habt ihr Pläne?" das Reh schnaufte leise, als sie sich aufrichtete und nach dem gelben Regencape ihrer Tochter griff.


Das Kind wirbelte herum, so dass die dunklen Locken flogen und die Haselnussaugen sahen die Mutter ernst an. "Ja! Pläne!" Welche das waren, hielt das sonst so mitteilungsfreudige Kind zurück. Arlassia schob die Brauen in die Höhe und zog die Nase kraus. "Verrätst du mir auch, welche Pläne ihr habt?" Schweigen. Stille. Nur ein Kopfschütteln und ein ernster Blick des Kindes. Wie sie da stand in ihren dunkelblauen Latzhosen und dem roten Hemdchen, der ernste Blick und die dunklen Locken... Arlassia wurde warm ums Herz und sie lächelte.


"Habt ihr ein Geheimnis, Dia und du?" Rosalie sah zur Mama auf und nickte. Oh ja, Geheimnisse hatten sie. Große Geheimnisse und sie durfte der Mama nichts verraten. Das hatte sie versprochen. Arlassia strich dem Mädchen über die Locken und nickte sachte. "In Ordnung. Hast du deine Püppi?" Rosalies Augen weiteten sich und schon stürmte das Kitz an der Mutter vorbei. "Röschen! Vorsicht an der Treppe!" Arla nutzte die Gelegenheit und kontrollierte den Inhalt des Quagganrucksacks. Ein Pyjama, Strümpfe und Unterwäsche, die Zahnbürste und Rosalies Kamm. Es fehlte nur das selbst genähte Flicken-Püppchen, mit dem die mittlerweile Dreijährige schon als Säugling gekuschelt hatte.
Arlassia lächelte sachte als Erinnerungen in ihr aufflackerten. Wie sie das kleine Mädchen das erste Mal im Arm hielt, ganz knautschig und rosa und sie erinnerte sich deutlich an das Glücksgefühl, welches sie damals empfand nach der nicht ganz so einfachen Geburt. Die Aufregung von Diarmai, als die Wehen eingesetzt hatten und die Stunden die es noch dauerte bis sie endlich Rosalies ersten Schrei hörte waren in diesem Moment sehr present und unwillkürlich strich die Liese kurz über den eigenen Bauch.


Rosalie holte sie ins Hier und Jetzt zurück, als das Kitz laut krähend mit ihrer Puppe die Treppen hinab hopste und auf sie zu rannte. Arla ging in die Hocke und schloss die Arme um ihre Tochter. "Mama liebt dich, kleiner Schrecken." flüsterte sie dem Kind zu und fast trieb es ihr die Tränen in die Augen, als Rosalie die Händchen an ihre Wangen legte und der Mutter einen feuchten Kinderkuss schenkte.


"Komm kleiner Schrecken! Tante Dia wartet auf ihren Übernachtungsgast!" Arlassia richtete sich auf und bot dem Kind das Regencape an, in das die Kleine schlüpfte. Gemeinsam traten Mutter und Kind aus der Türe in den Regen und begannen ihren Weg ins Ossaviertel.

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