Aufstieg und Fall des "Geflügelten Schwertes" - Kapitel 1

Die Herrschaft der Winde



Curo blickte sich um. Er sah dutzende verschiedene Arten von Pflanzen, nur nicht das Fahlkraut, nach dem er suchte. Er war schon fast zwei Tage lang außerhalb der Mauer auf der Suche nach dem wertvollen Reagenz für Meister Kar. Dies war seine letzte Prüfung bevor er ein vollwertiger Heilkundiger wäre.
Eigentlich war es jungen Tengu verboten vor Vollendung ihres 20. Lebenszyklus das Herrschaftsgebiet der Winde zu verlassen und das wussten sowohl er, als auch sein Meister, doch genau das war Teil seiner Prüfung.
"Du wirst schon einen Weg finden", hatte Kar ihm lachend geantwortet, als er ihn auf das Verbot hingewiesen hatte. Und natürlich fand Curo einen Weg, er war schließlich nicht umsonst Meister Kars bester Schüler. Die Tore waren gut bewacht, doch ein paar Runden Feuerwasser später waren die meisten Wachen bereit, gegen eine kleine Spende, ein oder zwei Augen zu zu drücken. Curo hatte dem Tengu mit der auffälligen Narbe unter dem linken Auge genug gegeben, dass er ihm zusicherte auch drei Tage später noch einmal am Tor zu warten und ihn wieder einzulassen.
Zwei dieser drei Tage waren bereits vorbei, er musste sich beeilen. Sollte er es nicht rechtzeitig zum Tor zurück schaffen, könnte er erst mit Vollendung der Volljährigkeit zurückkehren.
Curo riss sich von seinen Gedanken los. Der Caledon-Wald war ein gefährlicher Ort und er hatte eine Aufgabe zu erledigen.
Eine weitere Stunde verging, in der seine Suche erfolglos blieb und er wollte schon aufgeben, als er eine kleine Lichtung betrat und ihn endlich die weißen Blüten des Fahlkrauts anlächelten. Er nahm das kurze, gebogene Messer, sowie den Sonnenstein vom Gürtel, schnitt die Pflanze dicht über dem Boden ab, legte sie auf einen flachen Stein und schlug den Sonnenstein ein paar mal sanft auf selbigen. Der glänzende, schwarze Stein schlug sofort Funken, die den kurzen Zweig, den Curo aufgehoben hatte, zum glimmen brachten. Mit sicheren Handgriffen, vorher schon tausendfach durchgeführt, schmorte er die Schnittstelle des Fahlkrautes etwas an, sodass nichts von dem kostbaren Saft verloren gehen würde. Dann packte er alles in seinen Beutel und verstaute Messer und Stein wieder an seinem Gürtel.
Froh, es noch rechtzeitig geschafft zu haben, wollte er gerade in Richtung Tor aufbrechen, als er gedämpfte Stimmen hörte. Bisher war er allen Personen erfolgreich aus dem Weg gegangen und eigentlich wusste er, dass er dies möglichst weiter tun sollte, doch seine Neugierde siegte. Es war schließlich das Erste und einzige Mal für eine lange Zeit, dass er hinter die Mauer kam und er wollte seine zeitweise Freiheit genießen, so lange er sie hatte.
Er strich sein schwarzes Gefieder glatt, das vom Wind ganz zerzaust war und schlich in die Richtung, aus der er das Geräusch zu kommen glaubte.
Am Rand des Walds machte er, im Dickicht versteckt, halt. Er hatte den Ursprung der Laute gefunden: Zwei Wesen, zweibeinig, wie er selbst, aber nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus Ranken, Dornen und Blättern bestehend. Meister Kar hatte ihm von ihnen erzählt. Hier draußen nannte man sie Sylvari. Laut ihm waren sie friedfertig und sehr naturverbunden.
Die beiden Sylvari jedoch wirkten nicht so friedlich mit ihren gezogenen Waffen. Rücken an Rücken waren sie von einer Gruppe von Froschmenschen, Hylek, wie man sie nannte, umzingelt. Immer wieder ließ einer von ihnen seinen Speer auf die Sylvari niedersausen, die sich nur mühsam verteidigen konnten.
So werden sie das nicht mehr lange durchhalten. Ich muss helfen.
Curo wusste, er sollte sich zurückhalten, einfach umdrehen und heimkehren und doch konnte er die Beiden nicht einfach ihrem Schicksal überlassen.
Mit einem zweifelnden Schnalzen sprang er aus seiner Deckung hervor, zog sein Schwert und stürmte auf die Hylek zu. Als die Sylvari ihn sahen, gingen auch sie zum Angriff auf die überraschten Widersacher über. Ihre Schwerte hagelten geradezu auf sie nieder und auch Curos Klinge durchstieß die blaue Haut vieler Gegner. Er tanzte zwischen Speeren und Äxten hin und her und ließ sein Schwert überall da niedersausen, wo er eine Lücke in ihrer Verteidigung entdeckte. Nach und nach fielen die Feinde, bis auch der Letzte von ihnen dem Zorn der Sylvari zum Opfer gefallen war.
Schwer atmend steckte Curo seine Waffe weg und wandte sich den Sylvari zu, die sich schon vor ihm aufgebaut hatten. Ihre Waffen hielten sie locker in der Hand.
"Sieh mal Serno, ein Tengu", sagte der eine. "Die Herzogin wäre sicher daran interessiert mit einem de ihren zu sprechen", erwiderte der Andere. "Es tut mir leid", unterbrach sie Curo, "Ich habe euch gerne geholfen, aber ich muss gehen. Ich würde gerne eure Herzogin..."
"Das war keine Bitte", unterbrach ihn der Erste mit einem bösen Grinsen auf den Lippen und hob sein Schwert. Bevor Curo reagieren konnte, schnellte die Klinge auf ihn zu. Er hob schützend den Arm vor sin Gesicht. Sofort spürte er einen brennenden Schmerz im Unterarm. Er schrie auf. Warum taten sie das? Nun hatte auch der andere Sylvari sein Schwert gegen ihn erhoben, doch er konnte in letzter Sekunde ausweichen. Die beiden Feinde rückten nach, es würde ihm unmöglich sein sein Schwert zu ziehen, also nahm er das Messer von seinem Gürtel, als er sich unter einem Schlag wegduckte und stach zu. Der, der zuerst angegriffen hatte, schrie auf. Wutentbrannt schlug er blindlings auf Curo nieder.
Das ist meine Chance!Curo drehte sich weg, zog dabei sein Schwert und parierte die Klinge des Sylvari. Durch die Wucht seines Schlages abgeleitet fuhr sie dem zweiten Sylvari in den Oberarm. Die wütenden Schreie der Sylvari im Ohr, wandte sich Curo ab und floh in den Wald. Sein Arm blutete stark und er wusste nicht, wohin er rannte, oder wie lange. Irgendwann sank er erschöpft nieder. Das musste reichen. Er riss einen streifen von seinem Ärmel ab und umwickelte den Schnitt damit. Zumindest für eine Weile wäre die Blutung gestoppt. Jetzt musste er nur noch ein paar Kräuter finden um die Wunde zu behandeln.
Er blickte sich um und sprang sofort wieder auf, das Schwert wie aus Reflex in seiner Hand. Einige Meter entfernt stand ein weiterer Sylvari, wie angewurzelt. Er sagte nichts. Curo streckte ihm seine Klinge entgegen und schritt langsam rückwärts.
"Bitte, ich möchte keinen Ärger", sagte der Sylvari mit ruhiger Stimme, "lass mich einfach ziehen und ich lasse dich. Es gibt keinen Grund für einen Kampf." Der Sylvari trug zwei Dolche an seiner ledernen Rüstung. Curo beäugte ihn misstrauisch. "Geh", sagte er nur. Der Sylvari nickte, griff aber in den Beutel auf seinem Rücken. Curo fasste das Schwert fester. Zum Vorschein kam ein kleiner Beutel. "Darin sind Kräuter. Du kennst dich doch damit aus? Das erkenne ich an dem Messer an deinem Gürtel. Nimm sie, du brauchst sie dringender", mit diesen Worten wandte sich der Sylvari um und ging, langsam, aber bestimmt.
Curo atmete auf. Er nahm sich den Beutel. Darin waren einige verschiedene Pflanzen, unter Anderem die, die er benötigte. Er zerdrückte die kleinen Blätter in seiner Hand und goss etwas Wasser aus seinem Trinkbeutel darüber. Die Paste die dadurch entstand verteilte er auf der Wunde. Es brannte fürchterlich, aber immerhin würde sie sich nicht entzünden. Dann band er seinen behelfsmäßigen Verband wieder fest und richtete sich auf.
Wie sehr wünschte er sich jetzt wieder Zuhause zu sein. Das Herrschaftsgebiet war ein idyllischer Ort. Natürlich gab es Probleme, wilde Tiere und abtrünnige Tengu, aber alles in Allem liebte er die dichten Wälder und weiten Ebenen seiner Heimat. Egal wohin man sich wendete, man sah die riesige Mauer. Manche sahen es als Gefängnis, doch Curo wusste, dass nur die Mauern sein Volk vor der Vernichtung gerettet hatten. Er freute sich darauf seinen Meister und seine Mitschüler wieder zu sehen. Er freute sich auf den süßen Nektar, den es zu seiner Rückkehr geben würde, auf seine Arbeit als Heilkundiger. Vielleicht dürfte er sogar auf dem Basar praktizieren. Die Hauptstadt der Tengu war ein lebhafter, bunter Ort. Etliche Brücken und Treppen verbanden die vielen Holzbauten, die um den Sonnenberg gebaut worden waren. Wenn man auf die Spitze des Turms der 6 Häuser kletterte, konnte man selbst über die Mauer spähen. Früher hatte Curo das öfter gemacht.
Ein Knacken im Unterholz riss ihn aus seinen Gedanken. Er drehte sich um. Zwei bösartige Augen blickten ihn aus dem Unterholz heraus an. Er hatte diese Augen schon einmal gesehen. Die Sylvari waren zurückgekehrt.
Dann schwirrte ein Pfeil nur um Haaresbreite an seinem Kopf vorbei.
Curo zog sein Schwert.

Kommentare 6

  • -seufz- Ich will Tengu spielen!
    Schöne Geschichte <3

    • Ich warte auch schon so lange darauf Tengu zu spielen :( aber ich geb die Hoffnung nicht auf! Vllt kommen sie ja noch...
      Und dankeschön :)

  • Yay, eine Tengugeschichte!
    Ich fand die Sylvari ja gleich verdächtig, dann kämpfen sie auch noch gegen die netten, blauen Hylek...

    • jup, da sind ein paar kleine Hinweise versteckt, die den Leser stutzig machen sollen :)

    • Haha ich hab das selbe gedacht wie Ovy. Gefällt mir.

    • Es bleibt übrigens nicht bei Tengu... freut euch auf: Sylvari, Menschen, die unter Asura aufwuchsen, Golems und Charr ;)