Jäger und Beute

Sie schob sich durch das Unterholz, während sie ihr Ziel nicht aus den Augen verlor. Majestätisch stolzierte das schwarzgefiederte Tier durch den Wald. Bei jedem großen Schritt wippte der Kopf am langen Hals ein wenig. Die Federn glänzten. Sie wurden geschüttelt damit die wenigen Schneeflocken, die durch die Baumkronen drangen, zu Boden fielen.
Langsam und zielsicher setzte sie einen Fuß vor den Anderen, bewegte sich grazil zwischen den Bäumen und Sträuchern hindurch. Sie berührten ihren Körper nicht einmal ansatzweise, was ihr dabei aber nicht seltsam vorkam. Kurz nur wanderte ihr Blick an ihr selbst hinab, um den Fuß neben einem Ast in den Schnee zu setzen und nicht darauf. Sie stockte.
Wann hatte sie ihre Stiefel ausgezogen?
Blinzelnd hob sie den Blick wieder an, um das Ziel ihrer Jagd nicht doch noch aus den Augen zu verlieren. Dabei griffelte sie nach der Rabenfigurine, die sie schon so lange auf der Jagd begleitete. Abermals ein Stocken.
Wann hatte sie vergessen ihren Gürtel anzuziehen?
Der schwarze Moa trat auf die Lichtung und schnäbelte beinahe schon verspielt nach den Schneeflocken. Jetzt war die Gelegenheit, um endlich einen weiteren Schritt näher an den rechtmäßigen Titel „Legendenjägerin“ zu gehen. Blind, weil der Blick bereits auf das Ziel gerichtet war, zog sie einen Pfeil aus dem Seitenköcher und nockte an. Noch einen Schritt wagte sie nach vorne, ehe sie die Sehne auf Spannung brachte und in ihrem üblichen Ritual die Luft für den Moment vor dem Abschuss inne hielt.
Sie hielt nie lange auf Zug. Das war viel zu anstrengend und sie brauchte ihre Kraft und Ausdauer.
Dieser kurze Augenblick jedoch war zu lange, denn es knackste einmal verheerend und ihr zerfiel der Bogen in den Händen. Fassungslos starrte sie auf das Durcheinander an Holz, Sehne und Pfeil, wie es ihr aus den Händen glitt.
Was war hier gerade passiert?!
Ein aufgeregtes Schnattern und Flügelschlagen erregte ihre Aufmerksamkeit. Sie sah auf und ihr Blick traf den glühend roten des schwarzen Moas. Seine Federn hatten sich leicht aufgestellt. Er wirkte urplötzlich doppelt so groß. Vielleicht lag es an den ausgebreiteten, nutzlosen Flügeln. Hatte sie sich so verschätzt bei seiner Größe? Schwer musste sie schlucken, als das Tier den Kopf ein Stück weit neigte und dann in schneller werdendem Trab auf sie zu kam. Ein Schauer lief ihr über den Rücken und aus Gründen, die sie sich selbst nicht nennen konnte, wich sie nach hinten zurück.
Immer schneller kam das größer werdende Ungetüm auf sie zu. Immer schneller rannte sie zuletzt vor dem Moa davon. Von der Jägerin zur Gejagten. Irgendwann musste es ja genau so passieren. Sie wollte nach ihrem Messer greifen, doch die Angst übermannte sie. Die Flucht schien die bessere Wahl zu sein. Und der schwarze Moa mit den glühend roten Augen jagte sie quer durch den Wald. Sein Geschrei sorgte für ein schrilles Klingeln in den Ohren. Der Laufwind, der zwischen seinen Federn durchzischte sorgte für Gänsehaut auf ihrem Körper. Sie wollte schreien, wollte sich ihm entgegen stellen, wollte kämpfen. Aber sie war wie gelähmt und dann doch nicht. Als würde eine fremde Kraft sie dazu zwingen wegzulaufen.
Ein Blick ging über die Schulter. Der große Schnabel schnappte nach ihr. Er war so groß, dass er ihren Kopf mit Leichtigkeit zerdrücken könnte. Sich duckend sah sie wieder nach vorn und erkannte, dass der Moa sie an eine Schlucht getrieben hatte. Der Fall kam so schnell und überraschend, die Welt stellte sich auf den Kopf. Und sie stürzte in die Tiefe.




Ein erstickter Schrei entwich Monennia, als sie heftig aus dem Schlaf zuckte. Gerade noch in die schwarze Leere des Abgrundes gefallen, fand sie sich nun in der Dunkelheit der heimischen Hütte wieder. Ihr Atem war keuchend schwer. Nur langsam überkam sie die Realität und sie wurde sich bewusst, dass es nur ein alberner Traum gewesen war. Die verkrampften Finger lösten sich aus den Fellen auf denen sie lag und ihr angespannter Körper richtete sich im Lager auf. Rote Locken klebten auf ihrer verschwitzten Haut, während der Blick schon in noch immer verwirrter Suche umherglitt. Sie war tatsächlich zu Hause. In den Fellen. Neben ihr brummte der Legendenkoch wohlig in seinen eigenen Träumen. Die Hände hoben sich an und träge rieb sie sich über das Gesicht, seufzte schwer.
Als ihre Hände wieder zurück auf die Felle sanken, traf ihr Blick die Figurine, die aus dunklem Stein gearbeitet war. Sie stand auf dem Regal nahe des Lagers, neben den geschnitzten Holzfiguren ihres Kerls. Monennia selbst hatte das Stück aus der Auswahl an Figuren beim Steinmetz ausgewählt. Dass der schwarze Moa allerdings ihre bisher größte Prüfung werden würde, damit hatte sie nicht gerechnet. Die Figurine stand auf dem Regal und starrte voller Spott und Hohn hinunter auf das Lager in welchem die Rothaarige saß.
„Ich finde dich,“ sprach sie mit rauer Stimme in die Stille der Hütte hinein. „Ich erlege dich und deine Federn werden meine Pfeile zieren.“

„The Norn will not change simply because the Dwarves do not understand our ways.
I'd rather be hated for who I am than loved for who I am not.“

Jora

Kommentare 6

  • Ich finde es so toll, dass für Nia die größte Herausforderung ein Moa ist. Es muss nicht immer der größte Bär, der gefährlichste Wolf oder der krasseste Überkampf mich zich Verletzungen sein - welcher am Ende zur Legende führt. Man merkt wie sehr es sie mitnimmt, wie sehr es sie reizt und zermürbt das dieses Federvieh sie in den Träumen verfolgt und "lächerlich" macht.
    Das zu überwinden ist wahrlich einer Legende wert.


    Ich bin sehr gespannt darauf zu erfahren ob sie es je schafft.

    • Hach, vielen lieben Dank für Deine Worte!
      Zu ihrer Legende gehören ja viele Schritte und nicht nur der schwarze Moa. Sie hat sich schließlich ein sehr großes Ziel gesetzt, da werden noch viele Monate und Jahre ins Land gehen müssen, bis sie ihre Legende erreicht hat.

    • Nia würde sich auch nie mit nur einem erlegten Moa zufrieden geben ;)

    • He ein schwarzer Moa frisst Nornbären zum Frühstück, der ist doch selbst Legende. Es sollen Leute schon Augen verloren haben.

  • Tolle geschrieben mal wieder! Ich bin soooooooo gespannt wie es weiter geht mit Nias größter Herausforderung!

    • <3
      Dieser Drecksmoa wird sie noch in den Waaaahnsinn treiben! :D