Priesterdinge

Müde lehnte sich der Mensch zurück. Er konnte es immer noch nicht verstehen. Es war einfach... seltsam. Nicht nur das er jetzt sicherlich seit einem Jahr in diesem verdammten heißen Land war und er immer noch nicht dunkler wurde, nein. Er wuchs einfach nicht. Warum? Er gab sich alle Mühe, benutzte sogar die Tips die ihm Hawan gab. Selbst die seltsamen wie sich dort mit allem möglichen Zeug einzureiben, aber das brachte einfach nichts. Er wurde und wurde nicht größer, dicker.
Wieder rieb man sich den Schweiß aus der Stirn und schaute unter dem breiten Hut in Richtung Sonne. Der Rücken schmerzte. Wer hätte gedacht, das Raptorscheiße schaufeln so anstrengend sein konnte? Wahrscheinlich jeder der sich mal angeschaut hatte, wieviel die Viecher verdrücken konnten. Und jeder wusste, was rein kommt, muss auch irgendwann wieder raus. Er lachte kurz, dann machte er sich wieder an die Arbeit.


„Feeeeeel, Essen ist fertig!“
„Komme!“


Endlich. Man nickte Hawan und den anderen zu, die nur lachten und ebenso die Werkzeuge zur Seite packten, ehe man der hellen Stimme folgte. Mary hatte sich überraschend schnell an das Leben auf dem Raptorhof angepasst. Wahrscheinlich weil sie einfach das weiter machte, was sie auch in Götterfels getan hatte, abzüglich der ganzen Diplomatensache. Für alles und jeden kochen und gute Laune verbreiten, wo auch immer sie hin ging. Immer hatte sie ein freundliches Wort übrig, war neugierig. Am Anfang war es nicht ganz so einfach gewesen, waren die Leute misstrauisch als sie das Blümchen und den Menschen gesehen hatten, aber ihrer herzlichen Art konnte man einfach nicht sonderlich lange widerstehen.
„Was gibt’s denn?“
„Iborga!“
„Gesundheit!“



Leicht verengten sich die Augen, als man dem Unterstand näher kam, das fast tierhafte goldgelb der Augen die ganze Situation erfasste. Es war nicht die Schuld des Jungen, ganz bestimmt nicht. Er hatte nur einmal nicht aufgepasst, eine falsche Bewegung. Er hatte gedacht es wäre wie mit einem der ganz handzahmen Tiere, die er wohl von zu Hause kannte. Er war mit seinen Eltern, reichen Händlern, nach hier draußen gekommen weil sein Vater einige neue Raptoren kaufen wollte. Die Wachen hatten nicht gut genug acht gegeben, ebenso wie die Angestellten des Hofes. Alles war in Aufruhr ob des hohen Besuches gewesen, so das niemand auf die Ställe acht gegeben hatte, sie nichtmal beachtet hatte. Nicht, bis die Schreie anfingen. Der Junge würde durchkommen, auch wenn er ein paar Narben zurückbehalten würde. Narben. Der Priester lachte trocken. Narben stärkten den Charakter, er musst es wissen. Muskeln spannten sich unter dem vernarbten blassen Arm, als er die Faust ballte. Noch einmal atmete er durch, dann betrat er den Stall, konnte das angestrengte Atmen des Tieres hören, das Schnüffeln. Er war aufgeregt, angespannt. Kein Wunder, immer noch hing der Geruch von Blut in der Luft, dazu die Schreie, das Klirren von Stahl, als Waffen gezogen worden waren, fester gegriffen wurden.
Natürlich hatte er Angst. Es war nur ein allzu verständliches Gefühl. Aber niemand kümmerte sich um ihn, darum was er empfand, wie er sich fühlte. Nein. Er war das Raubtier, die Bestie, das Monster. Nicht für alle, natürlich nicht. Aber auch Hawan hatte Angst. Angst vor einem wütenden Vater, der den eigenen Fehler nicht eingestehen wollte. Ein Schuldiger musste her.
Lautes Knurren war zu hören, das Geräusch wie sich eine große Kreatur bewegte. Geweitete geschlitzte Augen schauten in die gleichfarbigen des Mannes. Unerschrocken schaute er zu dem Tier, näherte sich langsam. Keiner der Männer des Hofes wollte es tun. Die Männer des Händlers hingegen waren viel zu erpicht darauf. Mit ruhiger, aber bestimmter Stimme hatte der Mann widersprochen, gesagt es sei seine Aufgabe, niemandes sonst. Es wurde widersprochen, gedroht. Doch am Ende hatte man sich seinem Wort gebeugt, dann als er das Symbol seines Glaubens, lange unter dem einfachen Hemd das er trug verborgen, vorgezeigt hatte. Nun stand er hier, bereit zu richten, was nicht gerichtet werden sollte, zu strafen wo es keine Strafe geben sollte.
„Ruhig mein Freund, ganz ruhig.“ Die Stimme war fest, kein Wanken war darin zu hören. Der stete Begleiter, Caylen, war außerhalb des Stalls, ebenso konzentriert und ruhig wie sein Gefährte, doch im Gegensatz zu jenem interessierte sich der Farnhund nicht dafür was im Stall vorging, sondern sorgte dafür, das sich niemand näherte. Wachsame schwarze Augen blickten umher, blättriges Fell sträubte sich bedrohlich, wenn sich jemand, ob Leibwächter oder Angestellter, näherte. Dies war nicht mehr ihre Angelegenheit.
Langsam näherte sich der Melandrupriester dem Tier, den Blick unverwandt auf den Raptor gerichtet. Das Tier hatte sich nur erschreckt als der Junge des Händlers plötzlich an einem seiner Hörner gezogen hatte. Ein Versehen, ein Instinkt, trieb ihn dazu auszutreten. Zum Glück hatte er nicht wirklich getroffen.
Weiter näherte man sich dem Tier.
Die Nüstern waren weit gebläht, die Muskeln in den kräftigen Beinen angespannt, der lange Schwanz peitschte wild hin und her. Jede einzelne Bewegung des blassen Menschen wurde mit den Augen verfolgt, der Kopf mehrmals ruckartig vorgestoßen. Der scharfe Metallfang an der Seite des Menschen war überdeutlich. Irgend etwas ging vor, das wusste der Raptor, irgend etwas schlimmes war passiert. Hektik, Krach, all das verunsicherte ihn, ließ ihn schnappen, ausschlagen.
Dennoch näherte man sich weiter dem Tier.
Zeit verging. Wieviel, das wusste der Mensch nicht, es war auch egal. Er hatte eine Pflicht zu erfüllen, eine die man niemandem sonst aufbürden konnte. Langsam beruhigte sich das geschuppte Geschöpf, schüttelte den Kopf, während die Zunge auf einer Seite aus dem Maul hing, ihm einen fast schon komischen Ausdruck verlieh. Der Mann lächelte nicht, sondern legte dem Raptor die Hand auf die Stirn, streichelte sanft, dann fester den Hals entlang, kratzte die Stelle die er so sehr mochte, dort, direkt hinter den Hörnern, wo er mit seinen großen Krallen selbst nur schwer hinkam.
Der Mensch war fehlbar. Er verstand nicht. Er kümmerte sich nicht.
Melandrus Geschöpfe litten unter den Fehlern der Menschen. Tag für Tag.
Und dennoch war es seine Pflicht.
„Melandru, bitte vergib ihnen ihre Taten, denn sie wissen nicht was sie tun.“



Es war spät in der Nacht als Fel die gemeinsame Kammer betrat, die er mit der Sylvari teilte, das Gesicht immer noch ernst, das Kinn vorgeschoben. Ohne ein Wort an sie zu wenden ging er zur Waschschüssel um sich das Blut langsam, methodisch von den Händen, den Unterarmen zu waschen. Er würde ein neues Hemd brauchen, das sah das Blümchen sofort. Doch dieses eine Mal hatte sie nichts gegen das Rot, das ihn da bekleidete, das Spritzer auf dem Leinen bildete. Wortlos trat sie von hinten an ihn heran und legte die Arme um ihn.
„Priesterdinge?“
„Priesterdinge.“

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