Zentaunenschaname

Es hatte etwas hypnotisierendes, beruhigendes, dem Zentauren beim Galoppieren zuzusehen. Sie war so müde, nur sein Anblick hielt sie wach. Zu müde um wieder aufzustehen. Am besten einfach hier liegenbleiben und einschlafen...
Wie die Seraphen, die um sie verstreut lagen. Rumgeschleudert, zertrampelt, aber die Rüstungen hielten. Einer starrte zu ihr herüber. Sein Schwertarm fehlte, aber er ein gefrorenes Lächeln lag auf seinen Lippen. Sie pustete sich eine rote Haarsträhne aus dem Gesicht, schnupperte. Fäkaliengeruch hing in der Luft.
Der Zentaur blieb neben dem liegenden Seraphen stehen und wedelte mit seinem Stab. Wie durch Magie stellte der Seraph sich wieder auf. Dann fuhr eine Hand auf den Zentauren nieder, packte seinen Leib und hob ihn hoch. Vielleicht so eine Art Elementarwirbelsturm?
Auch egal...sie blinzelte müde, war fast eingeschlafen...da kam ein Trampeln von rechts. Der Fuß landete voll auf ihrem Bauch.
„Au! Eh, ich bin keine Hüpfburg...?!“, murmelte sie benommen und hielt sich den Bauch, aber aufstehen wollte sie immer noch nicht. Hatte sie überhaupt noch Beine? Sie konnte die kaum noch rühren, hob einmal träge den Kopf an. Sie wackelte mit den Zehen. Ja, ging noch.
„Magmaschleim!!“, rief eine Stimme und ein orangegrauer Schleimball rollte über den Boden. Der Magmaschleim formte sich zu einem kruden menschenähnlichen Ding und stapfte auf den Zentauren zu. Der Zentaur hüpfte auf der Stelle.
„Duuu bist ein Magmaschleim!“, sagte der Zentaur.
„Ahh ja! Was bist du denn??“
„Ich...bin ein Zentaunenschaname!“
„Die Safaffen sind alle umgefallen! Was hast du gemacht!!“ Der Schleim hüpfte zu einem Seraphen.
„Alle umgefallet!“
„Schlafen oder tot?“
„Alle kaputt!“
„Aber die sollen doch STEHEN!“
„Ich zauber zauber alle GANZ wieder!“, verkündete der Zentaur und wedelte mit dem Stab, der wie eine Zuckerstange aussah und begann ein hohes Liedchen anzustimmen: „Heile heile heeeeile...“ Hände stellten die Seraphen alle wieder auf. Auch ein Schweinchen und ein Dolyak wurde so wiederbelebt. Shiro Tagachi lief vorbei, aber der war mit wichtigerem beschäftigt. Er lief nämlich zum Knochenfeld.
Ah, und da war Lyssa. Im Doppelpack.
KLONK KLONK KLONK machten die hohen Absätze, die zumindest den Anstand hatten, über ihren Bauch hinweg zu steigen und nicht hinein. Aber dennoch, sie wurde ansonsten komplett ignoriert. Sie wusste schon, wieso sie eher Grenth denn Lyssa verbunden war...sie rief Lyssa hinterher:
„Ahhhm, Fräuleins...? Wolltet ihr nicht irgendwie noch Hava wickeln??“ Beryl deutete auf ihre zweijährige Schwester, die mit ihrem Zentauren spielte, während Eli die Holzmännchen mit Knete umwickelte und wieder aufstellte. Sie wurde wieder ignoriert.
„Yanella?“ Keine Antwort, Lyssas erste Hälfte zog sich einen Schal an.
„Yanessa?“ Keine Antwort. Die vierzehnjährigen Zwillingsschwestern drängten sich nun vorm kleinen Garderobenspiegelchen um ihre Gesichter so herzurichten, damit sie wie zwanzigjährige Wintertagspüppchen aussahen.
„Hallo?“, fragte sie nochmal. Ihre kleinen Schwestern waren schon in ihren Mänteln und halb fertig geschminkt, die Chance war gering, dass sie heute noch mit Kinderkacke hantieren würden.
Beryl warf einen Blick herüber zu Amos. Ihr größter kleiner Bruder war zwar erst elf, aber ihn konnte man noch eher einspannen. Er hatte zu ihr herübergesehen, widmete sich aber ganz schnell wieder seiner Shiro Tagachi Puppe – Oder wie er beharrte, seiner Figur! Weil Puppen ja für Mädchen sind. Sein vier Jährchen jüngerer Bruder Mads hatte ein Feld aus gereinigten und bemalten Knochen von Vögeln und Kleintieren angelegt, in dessen Zentrum ein pelziger Ohrenschützer lag. Der diente als eine Art Dämonenportal oder so. Jedenfalls war Shiro Tagachi in ihrer Welt ein tapferer Streiter fürs Gute und kein hinterhältiger, irrer Kaisermörder.
Nein, Amos hatte heute schon genug gemacht, sie ließ ihn in Ruhe. Außerdem sollten die beiden Diven sich nicht auf seinem Fleiß ausruhen.
Beryl holte Luft. „Könnt ihr wenigstens mal antworten, Prinzesslein!?“
„Jaah Mann beim nächsten Mal, mach doch selbst!“, wurde sie schließlich von Yanella angezickt, ehe man sich die Lippen mit dickem, purpurnen Stift zerdrückte.
Mama für zwei pubertierende, eingebildete, viel zu hübsche Gören spielen, die gerade mal acht Jahre jünger waren. Beryl ließ den Kopf auf den Holzboden sinken, keine Chance.
„..wo geht’s überhaupt wieder hin?“, versuchte sie es mit Konversation.
„Was geht dich das an??“, sprachen sie gleichzeitig. So freundlich.
„Na ja, ich will wissen ob ich eure leblosen Körper im Rurik oder Ossa einsammeln soll...“
„Ah? Damit du die schminken kannst? Lass' mal, das können wir jetzt schon besser als du mit deinen Leichen.“, ätzte Yanessa.
Boah... Wie schrill sie heute wieder waren. Bestimmt hatten sie bei den Jungs vom Kormirschrein vorgeglüht.Von wegen für den Relitest lernen. Wer lernte denn schon zwischen den Jahren?
Na bestimmt nicht die beiden.
Beryl seufzte. „Na ja. Wenn ihr heute schwanger werdet kümmert ihr euch dann aber selbst um die Blagen, mh?“
Sie wurde ignoriert.
„Friert ihr nicht mit den Röckchen? Es schneit.“
Keine Reaktion.
„Aber gut, macht was ihr wollt! So lange ihre keine ehrlichen Konditorinnen beklaut...“, säuselte sie. Beide erstarrten, ballten die Fäuste, die sie aber nie einsetzten. Das saß.
„Fick dich!“, rief Yanessa, als ihr nichts mehr einfiel.
Die Tür wurde zugeknallt. Yanella öffnete sie nochmal um sie ebenfalls hinter sich zu zu knallen. KLOCK KLOCK KLOCK Klock Klock Klock klock klock klock...die Schritte wurden immer leiser, je tiefer sie die alte Holztreppe hinunterstolziert waren.
„Figgdich!!“, wiederholte Eli, der das mit drei eigentlich gar nicht sagen sollte.
„Figgdich, EH!“ , machte Hava mit, die das mit zwei Jahren eigentlich noch weniger sagen sollte. Und dieses blöde „EH!“, dass sie von dem Laternenmann aufgeschnappt hatten...
Die beiden lachten und alberten rum, steigerten sich rein, wurden immer lauter, die grauorange Knete wurde zerrissen und...
Beryl sammelte Kraft für ein Machtwort. „RUHE JETZT!!“, schallte es durchs Zimmer, das sogar die beiden anderen Brüder erstarrten.
Knochen raschelten, als Mads kleiner Knochendiener vor Schreck in sich zusammenfiel. Ein Spatzenschädel und dazu drei Rattenrippen als Beinchen, mehr war das nicht. Simpel, aber kreativ. Rot und blau angemalt sah er noch schöner aus...dennoch, Mads bekam einen anklagenden Blick für seine Zauberei. Aber auch ein sanftes Lächeln mit gewissem Stolz darin. Es war echt schade wegen seinem Krüppelfuß, aber da konnte man nichts machen. Wenn die Welt gerecht wäre würde sie nicht mit sechs Geschwistern in Onkel Aygustus – Grenth habe ihn selig – Hütte im Ostmarkt hausen müssen. Dann wären die alle bei einer Kindermama und sie stände jetzt mit einer Rubinherbst in der Hand am Balkon und würde runter ins Rurik spucken, in den starken Armen ihres...


Es pfiff laut durch die Küche, die auch Wohnzimmer, Esszimmer, Spielzimmer, Schlafzimmer und Eingangsflur war.
Ächzend erhob sich Beryl. Sie nahm den Kessel vom Herd und schenkte sich ein, beobachtete die Kinder, die ihr Spiel wieder aufgenommen hatten. Ein Schluck Kaffee, dann würde sie Hava die Nachtwindel anziehen und die Biester ins Bett jagen. Zentauren zu zähmen erschien ihr im Moment weniger anstrengend.
…klock Klock KLOCK.
Ein Klopfen an der Tür.
„...ja??“ Beryl schwang sich zur Tür.
„Ich hab meine Ohrschützer vergessen...“, murmelte Yanessa hinter der Tür genervt, als sei allein Beryl daran Schuld. „...und die lange Hose vielleicht noch...“ Murmel murmel.
„Die kriegst du wenn du Hava die Nachtwindel anziehst.“ Genervtes Schnauben auf der anderen Seite, dann öffnete Beryl lächelnd die Tür.

Kommentare 10

  • Ich mag Beryl. Ich mag das kleine Chaos was immer im Herzlich entsteht, wenn die Rasselbande anrückt. Und ja! Nicht wieder Zuckerbäckerinnen beklauen! <3

    • Gell? Ich glaub davon sehen die zwei erst mal ab! Danke.

    • Ich liebe das Gewusel! Und du hast es einfach wahnsinnig toll eingefangen. :)

  • Wie mein Hirn die ganze Zeit versucht hat, diesen Titel zu korrigieren.

    • Ja dein Hirn will Vernunft und Ordnung. Vielleicht haben sich durch den Rechtschreibfehler auchaucLeute Leute getriggert gefühlt und die Geschichte gelesen, obwohl sie es sonst gar nicht getan hätten?

  • Ich mag deine Art zu schreiben total gern.
    Immer wieder lese ich deine Posts hier mit Freude. Danke.
    Ach und Ovy - figgdich, eh *g*

  • Oh mein Gott Beryl tut mir so leid. Was mir am besten gefällt du lockst den Leser mit diesem Anfang voll auf die falsche Fährte. Ich dochte erst so mhhhh wieder ein Roy Kampf Ding bis mir es dämerte das es ein Kinderspiel ist dauerte es etwas. Gefällt mir voll.

    • Ja so war das geplant. Meistens startet es ja andersrum und es entpuppt sich wieder als so ein Roy Metzelsing, daher mal friedlich.^^ Danke.