Die Reise nach Damals

2 - Dolyakruh


„Sei nich‘ so albern.“ Iida schnaufte und sah dem Kolkraben dabei zu, wie er vor ihr auf dem erdigen Boden hin und her hüpfte. Er klackerte mit dem Schnabel, wie immer wenn er gerade nur Schalk im Kopf hatte.
Sie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Jaja, Erinner‘ mich daran dir Käfer zu sammeln. Faule Schwarzfeder.“ Eine Pause entstand, in welcher die Jungnorn den Verband um ihren blutenden Oberarm wickelte. Der Rabe flatterte kurz auf und sprang dann wieder hin und her. „… danke, Rök.“
Er klackerte.
Sie verdrehte die Augen, knotete den Verband umständlich fest.
„Raaaak!“, tönte der Rabe.
„Jetz‘ übertreib mal nich‘! Immerhin hab ich die auch ganz schön verdroschen!“ Trotzig schob Iida die Unterlippe vor, sah zum Tier. Rökkvi legte den Kopf in den Nacken und das Klickern, das er erzeugte, klang schier wie schadenfrohes Lachen.
„Du hättest ihnen auch früher auf den Kopf scheißen können.“ Die Jungnorn murrte und stopfte den Rest des Verbandszeuges zurück in den Rucksack. Sie rappelte sich auf die Füße und linste geduckt hinter den kargen Sträuchern hervor den Hang hinunter. Rök hoppelte mit einigen närrischen Sprüngen an ihre Seite und schnäbelte an ihrer Hüfte. „Lass uns gehen, bevor die doch noch kommen. Wobei ich glaub, dass ein Arschtritt gereicht hat.“ Iida lachte. Rökkvi sprang auf ihren Rucksack, der am Boden lag. Triumphierend klackerte er, ehe er einen hellen Laut von sich gab, der an eine Glocke erinnerte. Die Jungnorn sah zu ihrem Rucksack, verdrehte seufzend die Augen und schulterte das Stück samt des Kolkraben umständlich. „Du brauchst gar nich‘ zwitschern und klingeln… Schleimer.“ Wieder tönte der Rabe, als ob er hämisch lachte.
Mit einem gutmütigen Augenrollen über die Eigenarten ihres Freundes stapfte sie durch das Unterholz, bis sie schließlich zurück auf den ausgetretenen Weg kam. Der Kolkrabe schwankte bei ihren Bewegungen auf dem Rucksack und schnäbelte in liebevoller Manier an einem ihrer kurzen Zöpfe. „Die haben uns ganz schön Zeit gekostet. Dämliche … Schnarchzapfen.“ Die Jungnorn brummte mürrisch und schürzte die Lippen. „Jetz‘ wird es bald dunkel und wir sind nich‘ da.“ Der Rabe schwankte.


Nach einer Weile in der sie dem Pfad gefolgt war, bog sie in den Wald hinein. Sie hatte nicht einmal Ahnung, ob sie richtig war. Doch irgendwie hatte sie das Gefühl, dass etwas sie in diese Richtung zog. Vermutlich war es der Kolkrabe, der meinte, er müsse an ihren Schultern turnen und sich im Anschluss daran an den Riemen ihres Rucksackes nach vorne fallen lassen. Iida scheuchte ihn auf, während sie unbekümmert wanderte. „Rök! Lass den Scheiß, du schmeißt uns noch um!“ „Raaaak!“ Er hatte wieder nur Schabernack im Kopf. Die klugen, fast schwarz wirkenden Augen blickten zu der Jungnorn auf. Nochmals rief der Rabe und sein Gefieder stand wild ab, glättete sich jedoch wieder. Sie schob ihn zurück auf ihre Schulter. „Geh, flieg noch ein wenig und wir treffen uns an der Brücke. Auf! Ksch!“ Die scheuchenden Handbewegungen störten den Kolkraben zuerst nicht. Dann – Iida war sich sicher, dass er ihr einfach nur den Gefallen tat – breitete er doch die weiten Schwingen aus und drückte ihre Schulter nochmal schön runter als er abhob. Sie konnte ihn noch hämisch krächzen hören, als er mit den dunklen Baumwipfeln des kleinen Waldes verschmolz.


So schlenderte die Norn weiter durch den Wald, bis sie das leise Plätschern des Wassers hören konnte. Da drängte sich ihr die Frage in den Kopf, ob es ein sehr langsamer Fluss war. Oder ein See? Vielleicht auch ein Fjord. Die letzte Idee verwarf sie schnell. Hier mochte es im Winter schneien, aber so viel Schnee … Iidas Schritte wurden auf die letzten Fuß im Wald doch unbewusst schneller. Das Ziel ihrer Reise schien zum Greifen nah. Nur noch die Brücke und damit das Wasser überwinden. Dann war es ein Katzensprung zur Dolyakruh. Ihr Herz machte einen Hüpfer.


„Rak-Rak-Rak!“


Ihr Herz machte einen weiteren Hüpfer. Der Warnruf ihres Freundes war zu deutlich, als dass man ihn hätte ignorieren können. Sie erspähte ihn oberhalb des Flusses, über dem er seine Kreise flog und wartete. Warnte. Der Blick der Jungnorn huschte eilig umher, die Hand schon an ihrer Zwille und am Munitionsbeutel. Dann erspähte sie das Unheil: Die Brücke war fort.


Und ihr wurde klar, dass die Banditen nicht die meiste Zeit gekostet hatten.

„The Norn will not change simply because the Dwarves do not understand our ways.
I'd rather be hated for who I am than loved for who I am not.“

Jora

Kommentare 2

  • Dein Rabe hat einen neuen Fan - mich <3
    Ganz wunderbares Gespann die Zwei

    • Da freut er sich sicher über einen neuen Fan.
      Und ich mich über Deinen Kommentar. :)