Liebe ist ein zartes Pflänzchen


Löwenstein, 1327 N.E.


Lefards Blick lag veträumt auf Merhalas Dornenkrone, als deren Inneres in der Abenddämmerung ein sanftes Orange ausstrahlte...oder waren das noch die Flammen der Stadt?
Gutznik, dieser blinde, erdefressende Grobian, hatte einen großen Teil der Strandsiedlung mit seinem Flammenwerfer eingeäschert und gleich einen Haufen Schätze dabei vernichtet. Bei ihm stand das „Brand“ in Brandschatzen an erster Stelle. Sein Volk hatte nicht viel übrig für persönlichen Besitz oder das Leben des Einzelnen.
Merhalas geschickte Finger knackten schließlich das Schloss der Kiste, die sie aus den Flammen der halben Schiffshütte retten konnten, in deren nicht umzäunten Hinterhof sie nun standen. Merhala ächzte. „Was bei Ventaris stinkenden...“
Lefard mochte es, wenn Härte in Merhalas liebliche Züge trat, aber nun war da auch Enttäuschung. In der Kiste war nur Plunder. Zerbrochene Klingenteile, eine Art grobe Ankerkette, ein angesengtes Wappen, ein paar Kupfer...und ein Krebspanzer??
Merhala spuckte aus.
Lefard tat es leid, er legte seine knorrige Hand vorsichtig an ihre zarte Blattschulter, um ihr Trost zu spenden. „Sicherlich finden wir noch...noch etwas schönes.“
„Mir gleich ob es schön ist, es soll uns reich machen - !“, ätzte sie entnervt.
Da spürten sie beide etwas in ihrem Rücken, ihre Köpfe ruckten herum. Da, am Hinterausgang der halb abgebrannten Schiffshütte, zwischen Asche und Glut, standen zwei Gestalten.
Merhalas Stimme wurde warm, strich Lefard zart über die Wange, dass es ihm einen Schauer durchs Mark jagte. Sie grinste ihn an, zog ihre Dolche. „Bereit für eine kleine Übungseinheit, mein Dörnchen? Ich muss etwas Frust loswerden...“, hauchte sie.


„Mistviecher...“, brummte Löwengardist Rici, als er mit den Stiefeln glühendes Holz über den Boden schob und sich somit einen Weg in das schwelende Hüttchen bahnte.
„Du machst nur deine schicken Schuhe dreckig, Nachbar...“, knurrte die Wachsame in voller Platte zurück. Jaroyesh sah sich in den schwelenden Ruinen ihres bescheidenen, nun dachlosen Strandheimes um. Die ganze Nachbarschaft sah so aus. Ganz Löwenstein. Ricis Hütte genauso abgefackelt wie die von Larzza und dem Rest.
Rici wirbelte seinen Säbel lässig um die eigene Achse. „Gehen wir?“, sprach der junge Krytaner und lächelte ihr aufmunternd zu. „...will vor'm nächsten Gasangriff gern' wieder am Fort sein.“
„Mhh. Besser ist's...guck, meine Kiste is' auch weg...“ Sie deutete auf die Stelle, an der sie einst gestanden hatte. Die Blicke der beiden folgten den Spuren, den Hinterausgang hinaus und trafen sich mit denen zweier Sylvari.
„Toxies.“, ächzte Rici und ging in Fechtstellung. Roy trug die große, doppelseitige Langaxt mit sich, die einst Marni gehört hatte – sie richtete das breitere Klingenende wie einen Speer zum Hinterausgang, der Rundschild auf dem Rücken.
Die kleinere Gestalt, die Sylvarifrau, näherte sich nun langsam und elegant, mit einem Handwink zog ihren größeren Begleiter dabei wie an einer unsichtbaren Leine hinter sich her.


„So, mein Dörnchen.“, sprach Merhala im Gehen und deutete mit gespreizen Fingern auf die Beiden. „Wir wollen das schnell hinter uns bringen.“
Der Deut wanderte auf Rici und sie säuselte wunderbar eingebildet los.
„Er trägt nicht mal Rüstung und diese Fechtstellung ist albernes Piratengetue. Sein langer Säbel bringt ihm nichts, wenn ich hinter ihm auftauche. Versuche ich ihm an die Kehle zu kommen, kann er vielleicht noch reagieren...ein Stich im Hals ist hier das sicherste.“
Lefard wurde ganz warm, als sie so sprach...vielleicht lag es aber auch daran, dass sie sich den schwelenden Häusern näherten. „Und der mit der Rüstung, den übernehme ich??“, fragte der junge Sylvari eifrig und zog seine grünlich giftige Dornenklinge samt Schild.
„Nein, begib' dich nich unnötig in Gefahr, wenn der Tod viel schneller kommen kann...“ Sie küsste ihn sanft am Ohr. „...und dafür hast du ja mich.“ Sie nickte gen der Gerüsteten. „Jeder Panzer hat seine Gelenke. Ich glaube sogar, das ist eine Frau.“ Sie lachte hell auf. „Sie trägt keinen Kettenpanzer, das sehe ich von hier. Alle Gelenke sind offen. Und der Hals ist auch ein Gelenk, mhh? Siehst du den Schal um ihren Hals? Da werde ich von hinten durchstechen, wie ein Aal wind' ich mich an Schild und Helm vorbei - dann sind wir fertig und wir können nach Hause. Oder...“
„...oder?“
„Oder wir regeln das alles ganz diplomatisch!“ Sie lachte hell auf.


Rici und Jaroyesh traten nicht aus dem Hinterausgang der Ruine heraus, sondern ließen die beiden murmelnden Sylvari näherkommen.
Die Sylvari sprach nun in sanftem Ton: „Verzeiht uns wegen des Brandes. Das war Gutznik. Schaufler...“ Sie seufzte theatralisch und winkte ab. „In der Kiste ist nichts, das wir wollen...und ihr seid sicher genauso müde vom Kampf wie wir? Wir tun so, als wären wir uns nie begegnet? Und macht mit Gutznik was ihr wollt...“
Rici und Jaroyesh sahen sich an, er zuckte mit den Schultern. Vielleicht war das wirklich das beste? Das besondere an der Schlacht um Löwenstein waren die Ruhepausen, die durch die regelmäßigen Gasangriffe stattfanden. Und von wegen Bett, Rici hatte die Idee gehabt, dass man wegen dem Mangel im Lager vielleicht eines teilen...
Ein Schatten tauchte hinter Rici auf und ein langer Dorn in seinem Hals ließ Blut sprudeln.
Er würgte rot und sackte langsam zusammen, den Blick bei Jaroyesh, als diese angespannt losschnaufte und sich der Angreiferin zuwenden wollte. Aber die Sylvari war schon wieder bei ihrem Gefährten und lächelte, als sei nie etwas geschehen. Jaroyesh fixierte sie mit dem Blick, die Axt vor sich ausgerichtet.


„Ich habe es mir wohl anders überlegt...“, sprach Merhala warm und sie starrten sich in die Augen.
„...denn...was für ein sentimentaler Abfall liegt da überhaupt in deiner Kiste?? Das kann ich dir nicht verzeihen. Ich wollte Schätze, es ist unser Jahrestag!“ Sie strich Lefard über den Hals.
Rici gurgelte, mit einem Auge wagte Jaroyesh einen halben Blick zu ihm, wollte die Sylvari aber nicht ganz aus den Augen lassen.
„War er dir wichtig?“, fragte sie, Jaroyesh schwieg konzentriert.
Die Sylvari näherte sich einen Schritt.
„Er sieht zu dir hoch. Sieh ruhig zu ihm! Es wird ein letztes mal sein, dass ihr euch anseht. Denkst du ich bin so grausam, dass ich dir keinen letzten Blick gewähre?“
Jaroyesh wusste die Antwort, aber als sie Ricis rasselnden Atem hörte und seinen Blick spürte, riskierte sie es dennoch. Ein kurzer Blick, ein letztes Zunicken, da wollte sie schon wieder nach vorne sehen – aber die Sylvari war schnell.
Ein Schattenschritt hatte sie hinter ihren Rundschild teleportiert. Eine geübte Bewegung lenkte den Stich um den Schild herum genau in den Nacken.
Merhala grinste, als der Dorn den weichen Schal durchdrang - der perfekte Stich.
Plick.
Jaroyesh grunzte, die Sylvari hatte ihr durch den Schal direkt gegen den dunkelstählernen Nackenschutz gestochen! Eigentlich trug sie der Schal gegen das Gas, aber nun war er ihr heimlicher Lebensretter geworden.
„Was-“ Es brachte Merhala stets aus der Fassung, wenn nicht alles genau so lief wie sie es sich vorgestellt hatte, und das war nun zum zweiten Mal passiert heute. Also bekam ihr Körper den Schildbuckel und ihr Gesicht den behelmten Hinterkopf mit voller Wucht ab – keuchend und blutend stolperte sie mehrere Schritte nach hinten. Und bevor sie ihren rettenden Schattenschritt zurück tun konnte, war die spitze Rückseite der Stabaxt tief in ihrem Wanst.
„MERHALA!!“, rief Lefard panisch aus, mit Dornenschild und Klinge stürmte er auf Jaroyesh los, um seine Liebste zu retten.
Merhala heulte auf, als Jaroyesh die Axt nach hinten schob um Abstand von ihr zu schaffen.
Die Kriegerin schnaubte und brüllte Lefard entgegen. „Na LOS! Hier ist noch Platz auf'm Gemüsespieß!!“
Ihr stechender Blick bohrte sich in den jungen Sylvari, der in seiner Entschlossenheit wankte und abbremste.
Ricis Gurgeln veränderte sich derweil. Der Löwengardist starb hämisch lachend.


„Niemals blind drauf los, du bist kein Schaufler!“, hatte Lefard von seiner Herrin gelernt. Er rückte vorsichtig vor. Die Kämpferin hielt die Waffe nun in ihrer Mitte, dass sie von beiden Sylvari einen ähnlich großen Abstand hatte. Mit der Klinge konnte er sie nicht erwischen, er musste die Axt wegbekommen. Er holte aus.
„Auf, schlag' schön auf die Klinge! Deine Schlampe da hinten freut's!“, verspottete sie ihn.
Er zog die Waffe wieder zurück. Ihm wurde schlecht. Sie hatte recht, jeder parierte Schlag würde Merhala treffen. Wie konnte man diese Situation bloß lösen? Wie konnte er sie da rausholen?? Merhala zerrte am Stiel der Axt, aber die Klinge war zu weit drin, sie fluchte und heulte ohne Pause. Und dann warf sie einen kleinen Dornendolch. Pling, gegen die obere Beinschiene der Kriegerin. Noch einen, Pling, gegen die untere.
„Lass das!“, schnauzte Jaroyesh nach hinten. Merhala ließ es nicht - noch ein Wurfdolch, der durchs Leder von hinten in die Kniekehle drang.
Ein gequältes Auflachen der Sylvari. Aber da verstand Jaroyesh keinen Spaß. Nicht, wenn es um ihre Beine ging. Mit einem Aufbrüllen stürmte sie rückwärts, bis sie die Axtspitze in die Hauswand hinter sich rammte und Merhala mit dem Kopf heftig dagegen knallte, umtänzelt von Glut und Asche.
Die Sylvari keuchte auf, aber lebte. In Lefard schien es noch mehr Schmerz auszulösen, er brüllte los: „HÖR AUF, ja?? Wir...“
Jaroyesh starrte ihn schweigend an. Als er sich seitlich näherte, schwenkte sie die feststeckende Axt mit, was Merhala aufschreien und Lefard sofort stoppen ließ.
„...lass mich zu ihr!“, bat er eindringlich.
Jaroyesh schüttelte den Kopf. „Sie überlebt das nicht, lass gut sein. Meinetwegen kannst du dich verpissen.“
Er schüttelte ebenfalls heftig den Kopf. „Was, wenn ich meine Waffen fallen lasse? Lass mich zu ihr.“
„Sie is' der falsche Umgang. Such' dir ne liebe.“, knurrte sie.
„Lass mich zu ihr! Was...wo ist deine Ehre??“
„Weiss nicht. Wenn du von ihr gelernt hast was Ehre ist...“
Er schnaubte, verzweifelt. „Wenn sie stirbt dann...“
Merhala fluchte, jammerte, heulte, aber es wurde weniger.
„...dann ist Ruh'.“, schnaubte Jaroyesh, einen Blick auf den kleinen Dolch im Kniegelenk riskierend. Es war kein starker Wurf, aber es schmerzte.
Lefard legte die Waffen ab, breitete die Arme aus. „Siehst du? Ich gehe zu ihr. Du wirst mich vorbeilassen.“
Jaroyesh grunzte nur, schaute über die Schulter. Schwächlich hing die Sylvari da, aber noch Kampf in den Augen. Jaroyesh fletschte die Zähne, die Sylvari spuckte irgendwas vor die Füße.
Mit gesenktem Blick und leicht erhobenen Händen ging der Sylvari los...
„Keine Mätzchen!“, keifte sie ihn an. Sollte er da hinten glücklich werden. „Wenn sie tot ist zieh' ich aber die Klinge!“
Er nickte traurig. Und zwei Sekunden später hatte er sich einen Dorn vom Rücken gerupft, um ihn in einer blitzschnellen Bewegung in die Kehle zu stechen.
Plick.
Ja, auch an der Kehle hatte sie Panzerung, für wie blöd hielten die zwei sie eigentlich?
Die Linke blieb am Axtstiel, die Rechte Metallfaust schoß geballt in seine Fresse. Er stolperte auf Klingenhöhe zurück. Mit beiden Händen riss sie die Axt heran, bis zur Hälfte drang die Klinge in seine Seite ein, als sie ihn an die Wand quetschte und die grausame Waffe sich verkeilte. Sie bildete mit den angrenzenden Wänden nun ein Dreieck - mit zwei sterbenden Sylvari als Spitzen und Jaroyesh als Zentrum.
Lefard bekam nur einen abwertenden Blick. Idiot. Sie schnaufte. Ob der Dolch in der Kniekehle vergiftet war? Der Sylvari wimmerte angestrengt, versuchte sich aus der Axtklinge zu schieben. Auch hinten wurde noch gekeucht und geflucht.
„Ihr seid beide tot!“, verkündete sie genervt und biss die Zähne zusammen, als sie sich den kleinen Dolch aus der Kniekehle zog. „Haltet einfach eure Fressen!!“
„Ich..“, keuchte Lefard.
„Verlogenes Faulobst!“ Sie spuckte nach ihm, nahm einen Schluck aus ihrem Flachmann und goss etwas über die Wunde.
Er ruckte mit dem Kopf herum, sie versperrte ihm den Blick auf seine Liebste.
„...lass mich sie....“
„LASS MICH LASS MICH LASS MICH!!“, schnauzte sie zurück. „Ende!! Hattest deine Chance!“
„...lass mich ihr noch ein...mal in ihre...Augen...“, keuchte er. Merhala sprach nicht mehr.
Jaroyesh warf einen Blick über die Schulter. Eine Minute noch, höchstens. Nicht mehr viel Kampf in ihr. Er flehte leise weiter, Jaroyesh starrte ihn schweigend an. Sie warf noch einen langen Blick über die Schulter, ehe sie sich schließlich erhob und aus dem Blickfeld trat. „Ich bin ja nicht grausam. Hier.“
Der Sylvari heulte auf, als er in Merhalas nun gebrochene Augen blickte. Sie konnte es nicht mehr hören. Jaroyesh stampfte auf ihn zu, packte ihn am Kinn und rammte den kleinen Dolch tief ins weinende Auge hinein, bis er endlich zusammsackte.
Es war danach gar nicht so einfach, ihn von der Axtklinge zu bekommen.
„Alter...“, schnaubte sie genervt und trat ihn wuchtig von den Schneiden, dass er in zwei Zeilen in den Eingangsbereich fiel. Dort, wo sie und Mama immer ihre Schuhe abgestellt hatten, da landete sein Unterleib. Als sie die spitze Unterseite aus der Sylvari ziehen wollte, riss sie ein Stück Wand heraus, Asche und Glut rieselte. Am Ende musste sie das Miststück ebenfalls von der Klinge runtertreten.
Einen Moment stand sie einfach nur still in ihrem alten Haus, die Blicke über die wenigen Möbel und Erinnerungsstücke, über die drei Leichen schweifen lassend. Sie musste sich zwingen, nicht zu Rici zu rennen und ihm ins Hirn zu stechen. Sie ware nicht mehr in Orr. Sie schloss die Augen, atmete Asche, Glut, Blut und Harz.


Jaroyesh erschrak, als eine weiße Charr in messingfarbender Rüstung in der Haustür erschien und mit einem blutigen, langen Dolch wedelte. „Das war ein Schauflerbastard mit 'nem Flammenwerfer, ich hab ihm...“, sprach Larzza, Jaroyeshs andere Nachbarin. Die Charr warf einen Blick in das Haus und realisierte, was wohl geschehen war.
„...oh.“
„ 'weiss. Dafür ist Morgen Zeit. Das Gas kommt gleich...“, murmelte Jaroyesh, zog sich den schwarzen Schal vors Gesicht und machte sich humpelnd auf den Weg.

Kommentare 10