Im Netz der Spinne

Wie dumm er gewesen war nicht daran zu denken, dass sie hier auftauchen könnte. Hatte er überhaupt noch einen Gedanken an sie verschwendet, seitdem sie sich das letzte Mal begegnet waren? Wie konnte er nur nicht an sie denken?! Sie hatte ihren letzten Besuch wochenlang vorbereitet! All die Mühen sollen umsonst gewesen sein? Sie hatte sich ihr Blattwerk neu nachwachsen lassen, nur damit sie ihm in ihrer ganzen Schönheit entgegen treten konnte. Wegen ihm hatte sie zwei Aufträge verschieben müssen und ihr Herr war darüber nicht glücklich gewesen. Immerhin waren sie sich einig darin, dass der Hüter es wert war. Eretheyn war schon vollkommen gewesen, als er den Traum durchbrach und die Erkenntnis darüber erlangte das leben Schmerz bedeutet. Glyzavo hatte ihr den schönen Bruder genommen, dessen Gesicht dem Hüter in jeder Faser glich. Also musste er dessen Platz einnehmen. Die Vorfreude an diesen Moment, wenn der Hüter endlich ihr gehören würde, ließ ihr Herz hüpfen. Sie wollte ihm dabei helfen. Sie wollte ihn dabei halten. Sie wollte ihn dabei wiegen, auf seinem Weg ins Dunkel hinein und sie wollte dabei in seine dunklen Augen sehen, wenn sie erfüllt werden vom Licht des Wissens. Mutter log. Mutter log immer wieder und verhüllte ihre Worte in schleierhaftes Gesülze und dem Deckmantel von geheuchelter Liebe. Sie erweckte ihre Kinder mit gefiltertem Wissen an eine Welt auf die niemand vorbereitet war. Sie war der wahre Albtraum und irgendwann würde sie ihren kostbaren Sohn verlieren. Der dessen Worte im Hain so oft gesprochen und gehört wurden. Seine Ventaris Runden hatten sich herum gesprochen und das er damit die Lehren in die Köpfe der Setzlinge pflanzte, um Mutters Gefolgschaft zu festigen. Wie verblendet er doch war...
"Eretheyn war aber schneller!", rief sie über die Schulter und drosselte ihren Lauf. Sie wusste genau wo sein Druckpunkt war. Allein wenn sie seinen Namen aussprach, war es für Zavo gleich einem Schlag auf den Hauptwachstumsknoten.
"Halt´s Maul!", blaffte der Hüter und holte auf. Er war auf kein Fangspiel eingestellt gewesen, sonst hätte er sicherlich nicht die feste Borkenrüstung getragen, sondern seinen Spähermantel. Das Gefühl seiner aufkommenden Wut jagte ihr wohlige Schauer über den Körper. Ein weiterer Blick über die Schulter bevor sie um die Ecke bog. In Glyzavo brodelte es. Ihr Spott, ihre Art zu sprechen, zu gehen, allein jeder Atemzug den dieses Wesen vor ihm nahm ließ Wut in ihm wachsen. Sie war der Grund gewesen, für all das Schlechte was ihm wiederfahren war. Er hatte sie damals nur am Leben gelassen, weil er Eretheyn diesen Verlust nicht antun konnte. Aber Eretheyn war nicht mehr und auch Arachnophe würde bald in der Erde verrotten. Während er ihr unüberlegt nachjagte waren ihre Schritte galant und wohl überlegt, auf dem sich vor ihnen ausbreitenden Kopfsteinpflaster. Ihre Schritte wurden immer leise, je größer ihr Vorsprung wurde. Sie war so verflixt schnell. Wo wollte sie hin?
Zwei, fast drei Wimpernschläge nach ihr bog auch er um die Ecke und prallte auf. Es wurde ihm schwarz im Kopf, als er gegen den plötzlich vor ihm stehenden Körper knallte. Die Steinstufen hinab kugelten die zwei Körper. Aufgefangen wurde der Sturz nur durch das federnde, klebrige Netz, gewoben von ihrer Albtraumspinne.
"Ich... hasse.. dich", knurrte Zavo, der immernoch mit Schwindel in seinem Kopf zu kämpfen hatte.
"Ich dich auch." Zart die Antwort, als wäre dies eine Liebesbekundung. Der Pflanzenstab lag eine Armlänge von ihm entfernt auf dem Boden und surrte verärgert vor sich hin. Glockenhell das Lachen aus ihrer Kehle, als ihr Spinnengefährte das Netzt leicht zum Wippen brachte.
"Also mein Goldstück, wir hängen hier ja nun eine Weile. Worüber wollen wir reden?"







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