So kann es nicht weiter gehen!

Beth stand hinter der Theke und wischte sich über die Augen. Sie war müde vom letzten Abend, doch das war in Ordnung. Inzwischen wusste sie wo alles stand, welche Gläser wohin kamen und wann sie flüchten musste bevor Hugh sie zwang ins Bett zu kriechen. Sie war müde, doch auch glücklich. Stolz auf sich selbst. Eigentlich hatte sie noch nie richtig gearbeitet, immer nur bei Jagten geholfen. Nebenbei rieb sie sich über den vernarbten Unterarm, dann ging sie in die Küche. Kaffee kochen. Sie war abhängig von dem Zeug. Vor allem seitdem sie die Bohnen selbst mahlte, ganz bedächtig und ruhig, das Rattern der Mühle störte sie gar nicht. Es war ein Ritual.


"Bethany?" Sie hob den Kopf und blinzelte. War er wieder da? "Moment eben!" nun musste sie sich beeilen und sie hasste es sich beim Kaffeekochen zu beeilen. Mit leisem Geklapper hatte sie nun alles aufgesetzt, dann trat sie hinaus und lächelte. Er war wieder da. "Hallo Marth!" doch er lächelte nicht zurück. "Wir müssen reden." Ein Loch tat sich in Beths Magen auf. Das war nie ein guter Satz. In der Geschichte seiner gesamten Existenz war er noch nie gut gewesen und würde es auch nie sein. "Reden?" Ihr Herz hämmerte. Nicht das sie nicht andere Arbeit finden könnte, doch sie mochte es hier. Sie mochte Hugh. Sie mochte den Geruch von frisch gekochtem Kaffee am Morgen.
"Ja, reden. So kann es nicht weitergehen. Du als Wirtin."
"Wie meinst du das?" Er würde sie wirklich rauswerfen?
"Es wird dem nicht gerecht. Ich denke du brauchst da deine Freiheit und daher denke ich, dass ich dich vom Posten entheben werde."
"Du schmeißt mich raus?" Sie brachte die Worte ungläubig hervor, doch in ihrem Bauch brodelte es schon jetzt. Die Wut kochte hoch. Er schmiss sie raus nachdem sie sich Arme und Beine abgerissen hatte und jetzt schmiss er sie raus! Das er ihr ein Dokument über die Theke schob, das bekam sie gar nicht recht mit. "Na das ist mal ein Dankeschön!"
"Nein, du wirst die neue Chefin der Wunderlampe sein... Sofern du akzeptierst." Das sagte er ganz locker, genauso nebenbei wie er die Papiere über das Holz geschoben hatte.
Die legendäre Wut der Rothaarigen verpuffte einfach an dieser Aussage und sie starrte Marth perplex an. "Ich...hä?" Sie starrte auf das Dokument hinab und begann zu lesen. Immer wieder stolperte sie über die Worte, so wie es ständig der Fall war. Sie hasste Lesen. Und Schreiben. Nicht das sie es nicht konnte, sie brauchte nur so elendig lange dafür und musste alles dreimal... Marth lenkte sie ab.
"Hör zu, du hast hier wieder Leben in die Bude gebracht. Die Wände, Getränke und Speisen... All das und einige Veränderungen haben einen Teil von dir. Man fühlt sich hier wieder wohl, die Besucher kommen gerne wieder her. Sie lieben die Lampe. Sie lieben dich."
Beth wusste gar nicht was sie darauf nun sagen sollte. "Ja... gut, das ist ja richtig... aber...." sie schaute kurz zu ihm hinauf und etwas in seinem Blick ließ ihr Herz sinken. "Du meinst das Ernst, oder? So richtig."
"Das ist mein Ernst. Ich kenne dich, habe auch viel Zeit mit dir verbracht." Ihr Herz durchfuhr ein Stechen. Er schenkte ihr eine ganze Taverne und doch... "Während der Arbeit und auch privat... du bist eine gute Person. Und das soll mein letztes großes Geschenk an dich werden." Sein letztes Geschenk. Ihr Herz fühlte sich ganz komisch an. Es hämmerte doch ihr war so als würde es gar nicht mehr schlagen. Sollte sie sich nicht eigentlich freuen? Sie sollte sich freuen. Beths Finger zitterten und sie war sprachlos. "Okay... dann... oh!" hastig kramte sie unter der Theke herum und schnappte den kleinen Beutel. Er hatte einem Brief beigelegen den sie erhalten hatte. Wer war so wahnwitzig und schickte so viel Geld? Dachte der Kerl er könnte sie bestechen? Beth sammelte sich für einen kleinen Moment, dann legte sie den Beutel auf die Dokumente. "Da! Jetzt ist es fair!" wenn er ihr etwas gab das er nicht wollte, dann konnte sie ihm auch etwas geben das sie nicht wollte.
"Hu?" verwundert blickte er auf den Beutel hinab, dann zog er ihn zu sich und öffnete ihn um einen Blick hinein zu werfen. Beth zog eine Grimasse. Jedenfalls kam es ihr so vor. Das Grinsen überzeugte Marth jedoch. Im Beutel war Geld. Viel Geld. Geld mit dem sie nichts anzufangen wusste und das sie nicht haben wollte. Er sollte es haben. Er wollte weder sie noch diese Taverne. Sie nahm einen Stift und kritzelte ihren Namen dort hin wo das Dokument es verlangte. "Wehe du nimmst es nicht, ich kann damit sowieso nichts anfangen." Sie sah zu ihm auf und blickte streng. Sie konnte nicht lächeln. Nicht wenn er ging. Denn er ging.
"Mhh, ich hätte lieber einen Kuss von dir genommen. Aber gut, muss ich mich wohl mit diesem Beutel zufrieden geben." Ihr Herz machte wieder einen seltsamen Satz. Diese Hüpfer die es ständig machte wenn Marth in ihrer Nähe war. Wenn er diese Sachen sagte. Doch er ging. Also stählte Beth ihr Herz.
"He, ich bin jetzt eine Geschäftsfrau, da muss ich richtig respektabel sein und so weiter." sie lachte, doch es klang hohl in ihren eigenen Ohren. Sie konnte es nicht fassen. Er hatte ihr eine verdammte Taverne geschenkt, doch bei ihr bleiben? Das war zu viel des Guten? Die nächsten Momente waren schwammig. Sie unterschrieb noch einmal, dann war es offiziell. Die Wunderlampe gehörte ihr. Sie wankte ein wenig, er verließ sie. Einfach so. Überschrieb ihr die Taverne als wäre damit alles gut und ging. Er krakselte lieber in Ruinen herum als bei ihr zu bleiben. Sie konnte es nicht fassen. Was sollte sie denn mit der verdammten Taverne wenn er nicht länger hier war? Beth hörte sich selbst "Danke Marth... einfach ... danke." er musste es hören, oder nicht? Sonst würde er noch länger hier stehen und dann würde sie weinen.
"Nicht dafür. Ich habe zu danken, für alles." und dann legte er ihr eine Brosche auf die Dokumente. Ihr. Eine Brosche. Ein Schmuckstück. Sie trug nie Schmuck. Sie hasste Schmuck. Er war ständig im Weg und klimperte und klirrte und... "Dankeschön." sie nahm die Brosche an sich und drehte sie hin und her. Ratlos. Was sollte sie denn damit? Sie hätte ihn lieber hier gehabt. Doch er ging und Reisende sollte man doch bekanntlich nicht aufhalten, oder? Auch wenn es einem das Herz brach.


Beth setzte ihr Lächeln auf wie eine Maske. Eine hässliche, kleine Stimme sprach in ihrem Geist. Wenn er dir Schmuck schenkt, dann kann er dich doch so sehr nicht kennen und lieben, oder?


Bethany stopfte die Brosche in ihre Hosentasche kaum das Marth aus ihrem Gesichtsfeld getreten war und versank in der Bewirtung von Gästen. Die Leere in ihrer Brust füllte sich dadurch nicht, doch wenigstens fing sie nicht an vor allen zu weinen.


- - -

Mit den Fingern strich Bethany über die Kaffeemühle und lauschte nebenbei dem Geschnatter von Finn und Hilde. Die Köchin hatte sie eingestellt nachdem sie der Lage einfach nicht mehr Herrin geworden war. Es war zu viel. Sie hatte sich zu viel zugemutet. Hugh war furchtbar wütend gewesen nachdem sie wegen dem Hitzeschlag umgekippt war. Bethany sah auf als Finn sich an sie drückte und mit einem Lächeln legte sie den Arm um den blonden Kerl der mehr ein kleiner Bruder als ein Angestellter für sie war. "Hier, Hilde sagt wir müssen das essen!" und prompt stopfte er ihr eine frisch gebackene Zimtschnecke in den Mund. Lachend und kauend drückte sie Finn noch einmal an sich und stellte die Kaffeemühle ab.


Die Tasse frisch aufgebrühten Kaffee in der einen Hand und das Gebäck in der anderen trat sie hinaus in den Schankraum. Claire stand dort mit Hugh und hatte sich prüfend über die Bücher gebeugt, Dexter stellte die sauberen Gläser in die Schränke unter der Theke und Belsazar warf ihr einen warmen Blick und ein Zwinkern zu. Nevar döste neben dem Tresen an der Wand und Beth atmete einmal tief durch. Marth war nicht geblieben, doch dafür hatte sie nun eine Familie. So sehr hasste sie die Wunderlampe gar nicht. Eigentlich war es doch ganz schön hier.

Kommentare 2

  • Ich finde es schön, dass Beth endlich wieder ein bisschen besser von ihrer Lampe und ihrer kleinen Familie denkt. ❤ Das hat sie sich alles selber erschaffen und glaube mir; Belsazar und Claire sind auch sehr glücklich darüber zu ihr gehören zu dürfen und einen Abschnitt ihres Lebens schön zu machen.


    Ich mag solche Einblicke sehr gerne und es bestätigt mir, dass ich nicht alles falsch mache mit meinen Charakteren. Auch wenn sie noch so eigen sind. ❤❤❤

    • Du machst mit deinen Charakteren gar nichts falsch Liebes. Ich liebe das Rollenspiel mit dir und es freut mich das du Teil des Projektes bist und du daran auch Freude hast ;) <3


      Ich setze mich jetzt wieder öfter hin und schreibe, ich freue mich wenn du den Rest auch liest :D