Morgenritual

Arlassia schlug die Augen auf und blinzelte. Irgenwie fühlte sie sich beobachtet und als der Traumschleier sich zur Seite bewegte, blickte sie in ein Paar haselnussbraune Augen. Da saß ihr kleiner Schrecken im elterlichen Bett und starrte die Mutter regelrecht wach. Die schwangere Frau zog die Decke über den Kopf, es war doch noch viel zu früh. Draußen war gerade die Sonne über den Horizont geklettert und der morgendliche Dunst verzog sich nur langsam. Röschen protestierte, indem sie ihrer Mutter die Decke wieder vom Gesicht zerrte. "Is hab gesehn, dass du wach bist, Mama!" empört war das Stimmchen des kleinen Wonneproppen und Arla kam nicht umhin leise zu lachen. "Röschen, was ist los? Es ist noch viel zu früh. Konntest du nicht mehr schlafen?" Arla schob sich im Bett nach oben und sah die dreineinhalbjährige Rosalie an. "Hast du schlecht geträumt?" Sie breitete die Arme aus und Röschen krabbelte hinein, kuschelte sich an die Mutter und schüttelte vehement den Kopf. "Nein, hab gut geschlaft. Aber ich will Bebi Hallo sagen!" Die Kleine gab ihren Worten Nachdruck indem sie kräftig nickte. "Rosalie. Wirklich? Jetzt schon? Du weißt, du darfst das jeden Morgen, aber doch nicht so früh!" Neben den Beiden regte sich nun auch der Löwensteiner und Arla sah das Grün seiner Augen aufblitzen. "Sonne is schon da! Is schon Tag!" verteidigte sich die Kleine und Arlassia seufzte. Kinderlogik, wie sollte sie da argumentieren. Insgeheim war sie selbst so froh, dass ihre Tochter sich auf das Ungeborene dermaßen freute. "Du weißt aber schon, wenn dein Geschwisterchen auf der Welt ist, kann es noch nichts von allein. Mama muss es füttern und wickeln." Sie strich die dunklen Locken ihres Mädchens zärtlich aus der Stirn. "Is weiß! Haben wir doch geühübt! Mit Püppi!" Arlassia setzte einen Kuss auf den Schopf des Kindes und lächelte. "Ja, genau. So wie wir es mit Püppi geübt haben. Du bist ein schlaues kleines Mädchen und wirst eine ganz tolle große Schwester sein."
Zufrieden über die Worte ihrer Mutter quiekste Rosalie kurz. "Mama? Wie lange noch?" die Haselnussaugen sahen fragend zu ihr auf. "Das haben wir doch gestern erst besprochen, mein Kitz." Rosalie zog ein Schnütchen, ehe sie zu nicken begann. "Jaa, aber is noch sooo lang!" "Und es geht nicht schneller, wenn du quengelst." brummte eine Stimme aus den Kissen neben den Beiden. "Papaaa!" da war der kleine Schrecken auch schon auf und hopste zwischen die Eltern, um dem Vater viele kleine Küsschen aufdrücken. Wahre Kinderliebe ist nunmal ab und an etwas feucht. Arlassia schmunzelte, denn sie wusste dass ihr Löwe selber kaum den Tag an dem sein Kind geboren wurde abwarten konnte. Sie kuschelte sich zurück in ihr Bett und brummte zufrieden. Rosalie ließ von Lucius ab und sah wieder zu ihrer Mutter, die dem Kind jetzt zunickte. Vorsichtig zog Röschen die Decke vom Bauch der Mama und schob ihr auch das Nachthemdchen hoch, so dass der geschwollene Leib frei lag. Nun legte sich das Lockenköpfchen sanft auf den Babybauch ihrer Mutter. "Hallo Bebi." flüsterte das Kind. "Is bins wieder. Rosa. Is freu mich gaaanz doll auf dich." Jeden Morgen begrüßte Rosalie das Ungeborene und jeden Morgen wurde Arlassia von einer warmen Welle der Liebe, Zuneigung und unsagbaren Glückes erfasst. Als Röschen nun dem Kind in ihrem Leib leise ein Lied sang, sah sie zu ihrem Mann hinüber und lächelte.

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