Wie der Morgenreif - Juno

"Du musst es mir aber versprechen!"
Noch immer klang die Forderung der weißen Sylvari in seinen Ohren. Sonst war ihr Blick fröhlich und unbeschwert, gleich einer Jungnorn welche ihre Legende gerade erst zu formen verstand. Doch als Juno ihn darum bat war ihr Blick ernst. Vor diesem Moment hätte er nicht geglaubt das sie so schauen kann. Natürlich gab es ernst Gespräche und auch die Schreinreise war alles andere als ein freudiger Marktbesuch gewesen, aber selbst dort hatte sie nicht diesen Blick auf ihren blättrigen Zügen. Der Nornkerl blickt auf seinen Unterarm hinab auf welchem das goldene Harz den Schnitt bereits verschlossen hatte und dort nun glitzerte als wäre es ein von den Zwergen selbst geschmiedetes Schmuckstück. Diese Illusion trübte nur das eigene Blut das sich in kleinen Einschlüssen im goldenen Glanz zeigte. Dennoch musste der Kerl lächeln. Vom Arm hinauf hob sich der Blick zum Rastblatt hinüber, welche vor seinem Kamin sahs und den Kopf in den Nacken gelegt hatte, dabei zur Decke hinauf blickte. Er wusste genau das sie noch schlief und wie einst hätte er sie jetzt hinauf heben und wohin tragen können, ohne das sie erwachte.
Nur zu gern hätte er ihr Gesicht gesehen, als sie damals im Flussbett erwacht war.
Welch ein Spaß! Havar lachte leise und strich sich selbst über die Brust, als ihm der warme, sanfte Klang seiner Stimme gewahr wurde.
Er mochte diese Sylvari. Sehr.
Als es ihn vor einigen Monden zurück aus dem Eisklamm ins Tal geführt hatte hätte er nicht gedacht das er wirklich gerne hier bleiben würde. Es war die Lust aufs Reisen gewesen die ihn immer wieder fort führte, manchmal auch ganz ohne Ziel. Nicht zu wissen was kommt und sich den Aufgaben der Geister der Wildnis stellen war genauso Teil seiner Legende wie das Handwerk seines Vaters weiter zu führen.
Er liebte es, dieses Formen des Holzes wie Juno es immer nannte. Lang war es her das sich jemand so sehr wie er selbst für diesen Werkstoff interessiert hatte. Buche, Esche, Eiche, Fichte, es gab keinen Baum über den er nicht mit der Sylvari hätte sprechen können. Man mag vermuten das es daran lag, dass sich die kleine Weiße nur dafür begeisterte weil sie den Pflanzen selbst so nah war. Immerhin bestand ihr Körper selbst aus Pflanzenfasern und in ihren Adern floss goldenes Harz. Doch ihre Begeisterung war so energiegeladen, dass es den Kerl manchmal selbst ansteckte. Wenn Juno mit in seiner Hütte war dann schaute er ihr gerne beim Formen zu. Sie durfte sich inzwischen an der Werkbank frei bewegen und mit welcher Sorgfalt und Achtsamkeit die Sylvari die Holzstücke bearbeite war immer wieder eine Freude. Sie behandelte jedes Werkzeug mit Respekt und versicherte sich immer wieder mit Rückfragen beim Wolf, ob sie das und dieses nutzen dürfe.


Als er Juno kennenlernte bedeckte die junge Sylvari sein Leben mit frischem Morgenreif und sorgte so für einen Neuanfang. Altes wurde nicht vergessen, aber unter den Tropfen schimmerten selbst schlechtere Tage prachtvoller. Obwohl die Sylvari klein und leicht war, gegen einen Norn nicht viel mehr wie ein Blatt im Wind, steckte in Juno verborgen eine große Legende. Sie war mutig, tapfer, trug den Freundschaftssinn in jeder noch so kleinen Faser und hätte sie ein schlagendes Herz würde es bei ihr ebenso am rechten Fleck sitzen.


Havar schnaubte amüsiert über die eigenen Gedanken und erhob sich von seiner Lagerstätte. Mit dem Zeigefinger der rechten Hand strich er der schlafenden Sylvari eines ihrer Kopfblätter bei Seite und legte die große Hand schließlich auf ihre Wange. Er wusste nicht ob sie diese Geste bis in den Traum hinein fühlen konnte. Die dunklen Augen Junos waren klar und schimmerten wie zwei dunkle Obsidiane zu ihm hinauf und doch konnte er ihren Blick nicht fassen. Wenn sie träumte war sie so weit fort und wirkte schutzlos. Sie kam oft in seine Hütte und jedes Mal war es für ihn ein besonderer Moment, wenn sie in seiner Nähe einschlief. Sie vertraute ihm. Und er vertraute ihr.


Manchmal muss sich eben doch Morgenreif auf vergangenes legen, damit Neues wachsen kann. Er war der Sylvari dankbar, dass sie für ihn dieser Morgenreif war.


Zwei Armlängen hinter ihr zog sich der Wolf das gemütliche Fell zurecht und ließ sich auf einen der Hocker nieder.
Er würde diese Nacht über sie wachen und über alle, welche kamen um in seiner Hütte zu ruhen - doch sein Blick würde die Nacht auf ihr liegen.

Kommentare 6