Rosen

Du hast mir Rosen geschenkt. Sie sind so wunderschön. In einer Vase stehen sie auf meinem Nachttisch. Sie erinnern mich an dich und geben mir dieses warme, kribblige Gefühl im Bauch. Ich bin so aufgeregt dich das nächste mal zu sehen. Ich kann nur noch an dich denken. An deine Berührungen, deine Blicke, dein Lachen, dein Gang, deine Worte, die mir versprachen, dass du bei mir bleibst und du mir zeigen wirst, wie schön Liebe ist. Noch nie hat sich jemand so sehr für mich interessiert. Ich bin überwältigt. Du gibst mir das Gefühl jemand zu sein. Ich fühle wie mich wie eine Person. Du nimmst mir all meine Ängste und Sorgen. Ich muss nie wieder alleine sein, denn ich habe dich an meiner Seite. Mit dir brauche ich keine Angst mehr vor der Zukunft zu haben, oder davor, was andere Leute von mir denken. Denn ich habe dich. Und solange ich dich habe, kann mir der Rest der Welt gestohlen bleiben. Du bist das Beste was ich jemals gesehen habe. Wie du denkst, wie du dich bewegst. Wie du mir die Nähe gibst, die ich brauche. Wie du über meine seltsamen Witze lachst, wie du mich aushältst und mich nie abweist. Das fühlt sich so irreal an, zugleich so echt. Wer hat dich geschickt? Ich bezweifle, dass ich ein so großes Glück verdient habe. Doch du bist hier. Wir lachen, wir weinen, wir leben. Wir sind eine Seele in zwei Körpern. Ich liebe dich und du mich. Das kannst du mir nicht oft genug sagen...


Doch wenn du mich wirklich so sehr geliebt hast, warum hast du mich verlassen? Warum hast du all deine Nähe, all deine Zuneigung, all deine Gefühle wieder eingepackt und bist davongezogen? Warum hast du mir mein ganzes Glück wieder gestohlen? Du hast mich alleine hinterlassen, kalt, einsam, farblos und zerbrochen. All deine Worte, deine Versprechen und Pläne sind plötzlich wertlos. Du hast meiner Welt den Grund und Boden genommen. Nachdem ich dir mein Herz, meine Seele anvertraut habe, ziehst du von dannen. Ohne eine Träne zu verdrücken, ohne dich zu entschuldigen, ohne für eine Sekunde traurig zu sein. Du hast all meine Kraft und Liebe ausgesaugt, hast es genossen und bist dann gegangen. Während ich weine, lachst du. Während ich schreie, liegst du unbeschwert bei dir zu Hause im Bett. Während meine Welt zerbricht, lebst du weiter. Du bist nicht menschlich. Du bist ein Monster. Und trotzdem rannte ich dir nach, fiel auf die Knie und flehte dich an, uns nicht aufzugeben. Ich griff nach deinen kalten Händen, die meine nur abprallen ließen. So wie dein kühles Herz meine Gefühle. Doch lieber bettel ich dich an, weine die ganze Nacht und mache mich an dir kaputt, als das Gefühl sterben zu lassen...


Mir fallen die Haare aus. Mein Kissen ist von roten Locken bedeckt. Meine braunen Augenringe ziehen sich tief durch mein blasses Gesicht. Der Herpes an meiner Unterlippe juckt schrecklich. Ich habe seit vorgestern nicht geschlafen. Meine Augen tun weh. Das Rechte ist total rot. Kriege ich da ein graues Haar? Wann habe ich das letzte mal was gegessen? Und wie komme ich aus diesem Bett raus? Es ist unglaublich stickig hier, am liebsten würde ich das Fenster öffnen. Aber mir fehlt die Kraft um überhaupt einen Finger zu bewegen. Ich glaube, dass ich sterbe. Denn ich fühle nichts mehr. Ich schwebe in vollkommener Neutralität. Und das schon seit Tagen. Ich kann keinen einzigen Gedanken mehr fassen. Es sind so viele, dass ich gar nicht denken kann. Wird das für immer so bleiben? Stehen die Rosen eigentlich noch auf dem Nachttisch? Ich kann nicht schauen. Wenn ich doch nur meinen Kopf bewegen könnte...


Es geht mir besser. Ich habe meine Abhängigkeit von dir mehr unter Kontrolle. Ich bin aus meinem Bett gekommen, habe das Fenster geöffnet und was gegessen. Deine vertrockneten Rosen stehen noch auf meinem Tisch, doch es fehlt mir den Mut, sie aus der Vase zu nehmen und sie einfach zu entsorgen. Sie erinnern mich immer noch an dich. An die Zeit, in der du noch du warst. Und sie erinnert mich an unsere Liebe. Eingegangen, farblos und tot. Ich habe so Angst, dass ich nie wieder lieben werde. Dieser Gedanke schnürt mir die Luft ab. Was ist, wenn ich jetzt doch für immer alleine bleiben. Einsam sein. Meine größte Angst, die du mir genommen hast, aber letztendlich verstärkt hast. Ich habe Angst vor allem. Ich will mich nie wieder an jemanden binden. Nie, nie wieder. Liebe ist gruselig und schrecklich. Ich will nie wieder so einen Albtraum durchleben...


Ich will nie wieder Rosen geschenkt bekommen.

Kommentare 5

  • Ich finde gerade den letzten Satz sehr stark!

  • Sehr emotional und tief. Es hat mich sehr berührt und angerührt. Man möchte die Person wirklich in den Arm nehmen und trösten. Oder eine Packung Eis mit ihr vernichten, Wein trinken und über Männer lästern. Ein toller Einblick.

  • Unangenehmes erstickendes Gefühl. Kann es ganz genau nachempfinden und weiß wie sich das anfühlt. Und das ist nicht nur Liebeskummer, was da schwer wiegt. Sondern auch ein kaputtes Ego mit wenig Selbstwertgefühl. Ich möchte die Person gerade voll gerne umarmen. :(