Die Geister, die mich riefen

Gahan war sich mittlerweile garnicht mehr sicher, wie lange er schon unterwegs war. Eine Woche? Vielleicht zwei? Oder ist doch schon ein Monat ins Land gezogen? Er wusste es nicht. Doch war dies auch nicht von Bedeutung, so hatte er eh nicht vor in nächster Zeit nach Hoelbrak zurück zu kehren. Gahan hatte nichts was ihn dort hielt, weder Familie noch besonders viele Freunde. Selbst die Geister hatten ihm noch nie sonderliche Aufmerksamkeit geschenkt, so hatte er nie das Glück, wie die meisten seines Volkes von einem der Geister im Traum besucht worden zu sein. Er war gerade mal Anfang Zwanzig und so war er noch nie alleine so lang und so weit von Zuhause entfernt, doch dieses Gefühl, welches er seit nun einiger Zeit in sich hatte, verließ ihn nicht. Es tauchte ständig in seinen Träumen auf und plagte seine Gedanken bei Tag. Der Jungnorn wusste nicht was es zu bedeuten hatte, doch irgendwas in seinem Inneren sagte ihm, dass er die Antwort in welcher Form auch immer, im Norden finden würde. Wie von einem inneren Kompass wurde er geleitet.


Die letzte Siedlung lag nun schon einige Tage zurück, genau so wie seine letzte vernünftige Mahlzeit. Also beschloss er sich ein Lager aufzuschlagen und auf die Jagd zu gehen ehe er seine Reise ins Unbekannte fort fuhr. Der Schnee war hoch in letzter Zeit und so waren Tierspuren wohl leichter zu verfolgen als sonst. Ein gutes Zeichen. Seine Lagerwahl traf auf eine große Fichte. Mit den Händen befreite man den Boden von Schnee und türmte diesen ringsherum auf, um Schutz vor dem kräftezehrendem Wind zu haben, welcher sich langsam bemerkbar machte. Wohl würde sich bald ein Unwetter auftun, also beschloss Gahan sein Glück bei der Jagd zu versuchen, bevor dies geschah. Der junge Norn trat unter der Fichte hervor, den Bogen in der Hand und einen Pfeil auf der Sehne.


Seine Eisblauen Augen waren auf den verschneiten Boden gerichtet. Viele Tierspuren waren zu sehen, doch die meisten ließen auf Schneehasen oder gelandete Vögel schließen. Nichts was ihn lange satt machen würde, also suchte er weiter. Das Wetter ist mittlerweile unruhiger geworden. Der Wind wurde stärker und es fing an zu schneien. Bald würden die Spuren nicht mehr sichtbar sein, also sollte er sich beeilen oder zum "Lager" zurückkehren. Der Jungspund entschied sich für Ersteres. Dort. Eine Spur. Es schien von einem Reh zu stammen, wenn auch ein recht kleines. Die Spuren waren gut zu erkennen, also mussten sie frisch sein, sonst hätte der annahende Schneesturm diese verwischt. Gahan ging in die Hocke und verfolgte die Fährte weiter. Es dauerte nicht lang und er konnte das junge Reh erkennen. Der Wind stand günstig für den Jäger also pirschte man sich so nah wie möglich heran um einen sauberen Treffer landen zu könnten. Seine Beute stand perfekt für einen Schuss. die Sehne wurde langsam gespannt und gleichzeitig wird der Bogen zum Zielen erhoben. Sein Atem war angehalten und seine Körperhaltung entspannt ,als er auf einem Bein kniete. Die Sehne schnellte nach vorn und der Pfeil flog auf sein Ziel zu. Das Reh schreckte auf, doch war es zu spät. Ein Treffer, genau ins Schwarze. Das Reh rannte noch einige Meter, aber Gahan wusste, dass es bald verbluten würde. Der Bogen wurde wieder um den Rücken gelegt und so richtete er sich mit einem erleichtertem Ausatmen auf. Endlich wieder was zu essen, und das gerade rechtzeitig. Die Blutspur des Tieres war deutlich zu erkennen und leicht zu verfolgen. Die Sicht wurde zunehmend schwerer als man seine Beute auf dem Boden liegen sah, ehe eine zweite Gestalt aus den tiefen des Schneesturmes heran trat. Ein Wolf schnüffelte an dem Reh, und blickte dann zu Gahan auf. Dieser war noch gute dreißig Meter von seiner frisch erlegten Beute entfernt. Das Raubtier schien allein zu sein. Nicht unüblich für Wölfe, wenn die Nahrung knapp wurde und nicht mehr für das ganze Rudel reichte. Der Jungnorn lief auf den Wolf zu. Oft reichte dies aus um einen einzelnen Wolf zu vertreiben, zumindest wenn man die Größe eines Norns besaß. Dieser verbiss sich im Nacken des Rehs und lief in den Sturm hinein."Nicht mit mir.." knurrte er sich selbst zu und nahm die Verfolgung auf.


Sein Handbeil vom Gürtel genommen und fest umschlossen, folgte er dem Räuber in den Sturm. Nur die leichte Silhouette des davon laufenden Wolfes war zu sehen doch verlor das Reh weiterhin etwas Blut. Der Boden wurde zunehmenst steiniger und so wurde das Laufen mehr oder weniger zum Klettern. Der Wolf war weiterhin gerade noch so in Sichtweite. Davon angespornt, biss der Norn seine Zähne zusammen und kletterte über die Felsen. Als er das nächste mal nach oben blickte, sah er wie der Wolf nach oben hin verschwand. Scheinbar hörte da das Geklettere endlich auf. Seine Hände griffen nach dem letzten Vorsprung und zerrten seinen Körper nach oben. Gahan's Atem war schwer und gefrierte sobald dieser seinen Mund verließ. Sein Handbeil fest umschlossen blickte er sich um. Wenige Meter vor ihm lag das Reh! Doch als Gahan langsam auf dieses zu ging, hörte er ein tiefes Knurren. Der Wolf trat wieder hevor, seine Vorderläufe auf dem Reh stehend. Das Tier sah um einiges größer aus, aus dieser Entfernung, doch ließ man sich davon nicht einschüchtern. Gahan erwiederte das Knurren mit einem eigenen, als der Wolf sich langsam näherte. Der Jäger hielt seinen Stand und wich nicht zurück. Die beiden eisblauen Augenpaare der Kontrahenten schienen sich gegenseitig zu durchbohren. Dies war der Moment wo das Raubtier zum Sprung ansetzte und Gahan von den Beinen riss. die Pfoten des Tieres pressten sich in Gahan's freie Brust und pinnten ihn auf dem Boden fest, wärend sich die gewaltigen Reißzähne des Tieres mit Gejaule und Geknurre versuchten, in ihn zu schlagen. Diese verbissen sich stattdessen im Griff des Beiles welches der Norn schützend mit beiden Händen über sich hielt. Der Speichel des Wolfes tropfte auf ihn hinab wärend er versuchte sich das Biest vom Lieb zu halten. Die Axt wurde ihm nach einigen Momenten aus der Hand gerissen und in den dichten Nebel geschleudert. Als das schneeweiße Tier sich ihm wieder mit dem Kopf zuwandte um erneut zum Biss anzusetzen, kriegte dieses einen ordentlichen Hieb von der Seite an den Schädel. So rollte er mit einem Jaulen von dem Jäger hinab, doch richtete sich sofort wieder auf. Auch Gahan war auf seine Knie gerichtet ehe der Wolf sich wieder auf ihn stürzen wollte. Mit einem Knurren rannte dieser auf den jungen Norn zu. Dieser hatte kaum Zeit zu reagieren und riss sein Jagdmesser vom Gürtel, als er auch schon den Wolf mit aufgerissenem Maul auf sich zuspringen sah und er so erneut umgerissen wird. Sein Kopf schlug fast zeitgleich auf dem Boden auf sodass ihm kurz schwarz vor Augen wurde. Einzig ein lautes Aufjaulen war zu vernehmen.


Als seine Augen sich nur einen Moment später öffneten, blickte er in das Gesicht des Tieres, mit welchem er vor Sekunden noch um den Tod gerungen hat. Seine Hand war immernoch feste um das Messer geschlossen, wessen Klinge tief im Brustkorb des Wolfes vergraben war. Langsam wieder zu Sinnen kommend, rollte er das Tier behutsam von sich herunter und zog das Messer aus diesem heraus. Die Klinge, so wie seine Hand war voller heißem Blut, genau so wie das weiße Brustfell aus dem das Messer so eben gezogen wurde. Gahan ließ das Messer aus seiner Hand gleiten und legte diese stattdessen auf die Schulter des Wolfes und schloss für einen Moment die Augen. Es war nicht seine Absicht ihn zu töten, doch brauchte er das Fleisch genau so dringend wie der Wolf selbst es vermutlich gebraucht hatte. Wärend Gahan seine Augen geschlossen hatte, hörte er nach wenigen Augenblicken der Stille, Geflüster, begleitet von einem dauerhaften leichtem Rauschen im Hintergrund. Was die Stimmen murmelten, war nicht zu verstehen. Der junge Norn öffnete die Augen. Blauer Nebel trat aus der Wunde des Wolfes hervor und windete sich um dessen Körper, wie auch um Gahan, ehe dieser in den Himmel empor stieg und sich dort mit anderen Farben wie Grün und Gelb vermischte. Es war bereits dunkel geworden, doch dieser Nebel erleuchtete den Himmel auf diesem Berg. Es sah exakt so aus wie die Nordlichter, die hier eigentlich so üblich waren, aber doch irgendwie anders. Geisterhafte Tiergestalten waren zu erkennen, welche über die Nordlicher Richtung Himmel liefen. Rehe, Elche, Dolyaks wie auch Wölfe, Bären, Schneeleoparden und viele weitere Tiere waren zu erkennen. Raben, Adler und Eulen flogen ebenfalls mit dem Nebel, aus dem sie entsprangen in die Luft. Der Boden unter dem Wolf und Gahan war mittlerweile Eisblau erleuchtet, genau so wie die Augen des toten Raubtieres und wahrscheinlich auch die von Gahan selbst. Dieser starrte mit aufgerissenden, pupillenlos leuchtenen Augen nach oben, wärend er kniete und betrachtete dieses Schauspiel. Aus dem Nichts traten vier Tiergeister nach vorne, sie liefen aus der Luft heraus, direkt auf dem Boden und blieben wenige Meter vor ihm stehen. Ein Wolf, ein Rabe, eine Schneeleopardin und eine Bärin blickten ihm nun von Angesicht zu Angesicht. Ihre Blicke schienen ihm direkt in die Seele zu blicken. Doch mehr als dies wurde nicht ausgetauscht. Der Rabe flog als erstes davon und folgte wie die anderen Tiergestalten den Nebel in den erhellten Nachthimmel und verschwand. Bald darauf folgte die Bärin und die Schneeleopardin. Nur der Wolf blieb einen Moment länger als die anderen, ehe auch dieser sich aufrichtete. Statt wie die anderen Geister mit in die Luft zu steigen, blieb der Wolf stehen und heulte in die Nacht hinein, worauf sich seine Gestalt von seinen Füßen bis rauf zur Schnauze auflöste und der gesamte Nebel mit ihm, bis das Heulen verstummte und nur in Gahan's Gedanken wiederschallte.


Als dies geschah, wurde der Kopf des Jägers in den Nacken geworfen wie als hätte man diesen gestoßen. Er blinzelte und das intensive, geisterhafte Leuchten, in seinen Augen war verschwunden. So kniete er neben Wolf und Reh auf dem Berg. Langsam richtete er sich auf und schulterte sowohl Wolf als auch Reh und machte sich auf, behutsam vom Berg zu steigen und in sein Lager zurück zu kehren. Dies war wohl unverkennbar das, was ihn hier her geführt hat. Die Geister der Wildnis. Jahre lang dachte Gahan sie hätten ihn aus unerklärlichen Gründen verstoßen, da keiner der Geister ihm jemals im Traum erschienen ist, doch nun wusste er,


er war niemals allein.




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Kommentare 4

  • *wirft ein paar Blätter hin und grunzt* feine Morgenlektüre. Und ich geb Nia! recht hier und dort Schreibfehler...Suchspaß am morgen♥️

    • Dankeschön:) Hab ich schon mit gerechnet und konnte mich vor Vorfreude kaum halten!

  • Eine sehr stimmungsvolle Variante, wie ein Norn sein Totemtier finden kann. Hier und da solltest Du nochmal drüber lesen, da haben sich kleine Fehler eingeschlichen. Aber die haben meinen Lesefluss nicht gestört.
    Und dank der gewählten Überschrift habe ich direkt noch einen Ohrwurm für heute. :)

    • Freut mich dass es gefällt:) Ja ich werd auch nochmal drüber schauen müssen. Hab es mitten in der Nacht angefangen zu schreiben, da ich irgendwie Lust drauf hatte. War wohl etwas zu lange wach. Zumindest fühle ich mich so:D